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Montag, September 9, 2024
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    US-Präsidentschaft – wichtigstes Amt der Welt oder Marionette der Bourgeoisie?

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    In den letzten Wochen hat sich der mediale Rummel um die US-Präsidentschaftswahl gesteigert. Jede kleinste Bewegung nimmt auch hierzulande die Nachrichtenspalten ein. Doch welche Macht liegt eigentlich in einer US-Präsidentschaft? – Ein Kommentar von Thomas Mercy.

    Sei es ein weiterer Versprecher von Joe Biden, seien es Obama und George Clooney, die Kamala Harris ihre Unterstützung zusichern, die täglich neuen Umfragewerte der Kandidat:innen oder eine weitere Prognose einer:s wie auch immer gearteten Expert:in zu diesen Wahlprognosen – die kommende Wahl des US-Präsidenten ist tagtäglich Thema in den meisten öffentlichen Medien in Deutschland.

    Grund dafür sei die angebliche Wichtigkeit der kommenden US-Präsidentschaftswahl im November. Wie bei fast allen vorherigen Wahlen hört man häufig die Aussage, dass die kommende Wahl die wichtigste Wahl in der Geschichte der USA sein werde. Es wird so getan, als ob das Schicksal des ganzen Landes – mehr noch, der gesamten westlichen Welt – allein an dieser Wahl hängen würde. Das spiegelt sich oft auch in den Schulen im Englischunterricht wider, in dem oft die Präsidentschaftswahl ein halbes Jahr lang das einzige Thema ist.

    Doch wie mächtig ist der oder die US-Präsident:in? Um sich dieser Frage zu nähern, muss man sich zu Beginn ansehen, welche Macht ein:e US-Präsident:in eigentlich formal hat.

    Die Macht der US-Präsidentschaft

    Anders als in Deutschland gibt es in den USA kein parlamentarisches, sondern ein präsidentielles Regierungssystem. Das bedeutet, dass der „President of the United States of America” (POTUS) mehr als nur eine symbolische Macht hat. Darunter fallen verschiedene exekutive, legislative und judikative Kompetenzen.

    Der POTUS ist z.B. offiziell der Oberste Befehlshaber des Militärs. Dahingehend darf er auch militärische Operationen starten und anleiten, sowie die Stationierung von Truppen autorisieren. So hat etwa Trump den Angriff auf den iranischen General Qasem Soleimani befohlen. Falls diese Militärinterventionen jedoch länger als 60 Tage andauern, muss der Kongress ebenfalls zustimmen.

    Zusätzlich kann der oder die US-Präsident:in auch theoretisch allein den Einsatz von Atombomben befehlen. Die Befugnis, Kriege auszurufen, liegt jedoch in der Hand des Kongresses. Schließlich hat der POTUS ebenfalls die Macht, sogenannte „executive orders“ einzusetzten. Dadurch bekommt er breite ausführende (exekutive) Entscheidungsgewalt, auch auf föderaler Ebene, und kann auch entscheiden, wie das Gesetz vollstreckt werden soll.

    Gesetzgebend (legislativ) hat der:die Präsident:in ebenfalls mehrere Kompetenzen: Er oder sie darf Gesetzesvorschläge vom Kongress innerhalb von 10 Tagen als Gesetz festschreiben, falls er mit diesem übereinstimmt, oder eben ein Veto mit Verbesserungsvorschlag einlegen, falls ihm das Gesetzt missfällt.

    Auf der rechtssprechenden (judikativen) Ebene hat der POTUS ebenfalls eine wichtige Befugnis – und zwar, Richter:innen zu ernennen. Das gilt auf föderaler Ebene, aber genauso für den Obersten Gerichtshof. Donald Trump hat zu seiner Amtszeit drei Richter:innen in den „Supreme Court” ernennen können. Das ist eine verhältnismäßig hohe Anzahl, da diese Positionen auf Lebzeiten vergeben werden und nur im Falle des Todes neu besetzt werden dürfen.

    Diese drei Richter:innen spielten dann eine zentrale Rolle, als vor zwei Jahren das Urteil „Roe v. Wade”, welches das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche garantierte, wieder gekippt wurde, sodass diese nun in mehreren Staaten illegal sind. Der Präsident hat auch das Recht, die Strafe von verurteilten Menschen zu verringern oder sogar die Straftat zu vergeben und somit die Bestrafung aufzuheben.

    Doch wie sieht es in der Realität aus?

    Auch wenn der oder die Präsident:in auf dem Papier viele Kompetenzen besitzt, gibt es in der Realität oft Einschränkungen. Die größte Hürde auf dem Weg einer:s jeden Präsident:in ist meist der Kongress. Dieser setzt sich zusammen aus dem Senat und dem Haus der Repräsentant:innen und hält alle legislative Macht.

    Obwohl der Präsident bei Gesetzen ein Veto einlegen kann, darf er allein keine Gesetze erlassen. Diese benötigen eine Mehrheit im Kongress. Und die ist meist gar nicht so einfach zu erreichen. Oft hat die Partei, die den Präsidenten stellt, nämlich gar keine Mehrheit im Kongress, oft nach den „mid-term elections“, in denen zwei Jahre nach der Präsidentschaftswahl die beiden Häuser neu gewählt werden. In diesen Wahlen verliert die Partei des Präsidenten oft viele Stimmen, z.B. aufgrund nicht eingehaltener Versprechen oder genereller Unzufriedenheit.

    Selbst wenn die Partei des POTUS mal die Mehrheit im Senat hat, ist es nicht immer gegeben, dass wirklich alle Senator:innen auch auf Linie der Partei stimmen. Bestes Beispiel dafür ist der Senator Joe Manchin, der bis vor einem Monat jahrzehntelang Senator für die Demokratische Partei war. Dieser hatte in mehreren Fällen gegen die eigene Demokratische Partei gestimmt, sodass wichtige Gesetzte nicht verabschiedet werden konnten. Die parteilose Senatorin Kyrsten Sinema ist ein weiteres solches Beispiel.

    Auch in den Fällen, in denen der Präsident die unilaterale, also alleinige Macht über etwas hat, kann er diese nicht immer uneingeschränkt ausüben. Ein Beispiel dafür wäre Trump mit seinen Drohungen, Atombomben gegen Nordkorea und China einsetzen zu wollen.

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    Nach diesen Statements hatte der US-Oberkommandant einen Geheimanruf mit dem Oberkommandanten des chinesischen Militärs, Li Zuocheng, geführt, bei dem er versicherte, dass die amerikanische Regierung stabil sei und nicht angreifen werde. Daraus lässt sich schlussfolgern, das Trump allein gar nicht tatsächlich darüber entscheiden konnte, obwohl ihm das offiziell zustand.

    Ein letztes Beispiel wäre der jetzige Präsident der USA, Joe Biden: Dieser hat in den letzten Monaten mit mehreren Versprechern und einer Präsidentschaftsdebatte, bei der er kaum einen zusammenhängenden Satz herausbekam, gezeigt, dass er offensichtlich mental nicht mehr in der Lage ist zu regieren. Trotzdem bleibt er noch bis Januar 2025 an der Macht und das Land läuft bislang weiter. Das wäre aber nicht der Fall, würde er notwendig werden, um weitere wichtige Entscheidungen zu treffen.

    Macht es nun also einen Unterschied, wer im Weißen Haus sitzt?

    Nach der Analyse der Befugnisse des US-Präsidenten können wir schlussfolgern:

    Der Präsident ist mächtig und machtlos zugleich. Tatsächlich ist er Repräsentant des US-Imperialismus und als solcher kann er auch die eine oder andere taktische Entscheidung von Relevanz treffen.

    So gibt es weitreichende Konsequenzen, wie bei „Roe v. Wades” oder bei „Obamacare”. Obamacare war eine der größten Reformen des Gesundheitssystem jemals. Durch die Senkung der Voraussetzungen für die staatliche Krankenversorgung sowie eine Aufhebung von Zusatzkosten, die zuvor aufgrund Vorerkrankungen erhoben wurden, wurde die Zahl an unversicherten Menschen in der USA halbiert. Obwohl Teile von Obamacare wieder abgeschafft wurden, profitierten davon erstmals weite Teile der Arbeiter:innenklasse, die unter den hohen Kosten für medizinische Versorgung in der USA stark leiden.

    Geht es jedoch um die strategische Ausrichtung des US-Imperialismus, ist die Ministerialbürokratie, sind es die jahrzehntelang immer selben Berater, Führungsmitglieder des Militärs und der Geheimdienste, welche die Kontinuität wahren. Linke Kräfte bezeichnen diese nicht-gewählten Teile des Staatsapparats bereits seit den 80ern als sogenannten „tiefen Staat“ – eine Metapher, die mittlerweile von den Rechten gekapert wurde, um etwa Donald Trump als Vorkämpfer gegen den „Deep State“ aufzubauen.

    Dass er tatsächlich selbst ein Teil dessen ist, zeigt sich nicht nur darin, dass er als Milliardär zur oberen Kaste der Finanzoligarchie gehört und um diverse „Deep State“-Skandale wie den um Jeffrey Eppstien selbst verwickelt war. Auch sein neuer Vize J.D. Vance ist selbst massiv in eben das „Deep-State“ establishment verzweigt.

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    Demokraten und Republikaner sind gleichermaßen Teil in diesem tiefen Staat verankert, was sich etwa darin zeigt, dass die Republikaner und die Demokraten gar nicht so unterschiedlich sind, wie sie es immer darstellen.

    Viele setzten 2008 große Hoffnung in den ersten schwarzen Präsidenten der USA, Barack Obama. Dieser setzte jedoch in großen Teilen die Politik seines Vorgängers George W. Bush fort, besonders auf außenpolitischer Ebene. Dazu gehörte auch das Zerbomben von Ländern wie Irak, Afghanistan und Jemen. Er führte jedoch Kriege nicht nur fort, sondern startete selbst welche, wie die in Libyen oder Syrien. Trotzdem bekam er 2009 den Friedensnobelpreis.

    Bei Joe Biden sehen wir einen ähnlichen Trend: Er führte zum Beispiel den Bau der berüchtigten Grenzmauer zu Mexiko fort, die eine zentrale Rolle in Donald Trumps Wahlkampf in 2016 spielte. Auch Kamala Harris hielt eine berühmte Rede, in der sie den Migrant:innen empfahl: „Do not come“. Auch weitergeführt von Joe Biden wurden rechtswidrige Migrationslager an den Grenzen zu Mexiko, in denen Menschen unter schlimmsten Bedingungen festgehalten werden.

    Die Zahlen an Abschiebungen der Biden-Administration sind ebenfalls fast so hoch wie die der Trump-Verwaltung. Dass der Völkermord an den Palästinenser:innen – von der Mehrheit der Amerikaner:innen verurteilt – durch die Unterstützung Joe Bidens überhaupt erst möglich ist, darf ebenfalls nicht vergessen werden.

    Vor allem sind sich sowohl Biden als auch Trump in der strategischen Ausrichtung gegen China grundsätzlich einig.

    Doch warum gibt es so geringe Unterschiede zwischen Republikanern und Demokraten?

    Der Grund dafür ist, dass die Präsidenten und die Senator:innen nach einem gemeinsamen Grundinteresse handeln: Und zwar im Interesse der Kapitalist:innen und des amerikanischen Finanzkapitals – beziehungsweise bestimmter Fraktionen derselben. Um überhaupt Präsident werden zu können, ist eine riesige Kampagne nötig. Diese Kampagne kostet meist Unsummen an Geld. Joe Bidens Kampagne überstieg in 2020 als erste Kampagne 1 Milliarde US Dollar an Spenden. Insgesamt wurden in der Wahl 2020 für Präsident und Kongress zusammen 14,4 Milliarden US-Dollar in Wahlkämpfen ausgegeben.

    Große Teile dieses Geldes kommen von Lobbyverbänden, großen Firmen oder reichen Einzelpersonen. Diese haben alle eine gemeinsames, objektives Interesse an der Ausbeutung von abhängigen Ländern und der Arbeiter:innenklasse im eigenen Land. Dieses Interesse wird dann auch von allen Menschen im Senat und dem Präsidenten vertreten, nur teilweise mehr oder weniger offensichtlich.

    Zugleich ist – gerade weil die Finanzierung großer Geldgeber einen so wichtigen Einfluss hat – der Sieg dieses oder jenes US-Präsidenten ein sichtbarer Ausdruck für die aktuelle Interessenslage der verschiedenen Fraktionen innerhalb des US-Kapitals. Setzt dieses gerade stärker auf integrative Floskeln im Inneren oder stärkeren Klassenkampf von oben, inklusive rechtem Staatsumbau und auf „Alles gegen China”, wie bei Trump?

    Oder bedient man sich einer etwas verbal-liberaleren Variante nach innen, während man nach außen weiterhin darauf setzt, weltweit als „Weltpolizei” aktiv zu sein?

    In diesem Sinne sind die Wahlen (an der sowieso nur durchschnittlich 60 Prozent der US-Bürger überhaupt teilnehmen) einerseits ein Gradmesser für die zukünftige Ausrichtung des US-Imperialismus. Andererseits können wir auch ablesen, ob innerhalb der amerikanischen Bevölkerung eine Massenbasis für diese oder jene Politik vorhanden ist.

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