Ökonomen warnen vor nächster Krise
Arbeitsmarkt und Binnennachfrage in Deutschland laufen zur Zeit auf Hochtouren. In vielen Regionen suchen Unternehmen händeringend nach Beschäftigten. Laut Ifo-Institut steigen die Investitionen der deutschen Industrie in diesem Jahr und das Geschäftsklima legte im August deutlich zu. Und dennoch mischen sich deutliche Misstöne in die Melodie des boomenden Kapitalismus: Da ist die Angst vor dem Stellenabbau bei Karstadt-Kaufhof und Ford Europa. Das Konsum-Barometer des Handelsblatt Research Institute „rauscht in den Keller“ und das – ebenfalls von Ifo berechnete – Weltwirtschaftsklima verschlechterte sich im dritten Quartal 2018 in allen Regionen der Welt zum wiederholten Male in Folge. Das Ende des Booms kündigt sich an. Das Institut für Weltwirtschaft rechnet für das nächste Jahrzehnt mit dem Beginn eines Abschwungs.
Seit der letzten Krise hat sich kaum etwas verändert
Noch deutlicher wird jetzt der ehemalige Chefvolkswirt der „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“ (BIZ), William White: White befüchtet einen größeren Crash als nach der Pleite von Lehman Brothers vor zehn Jahren, wie der aktuelle Spiegel berichtet.
Laut dem Ex-Chef der „Zentralbank der Zentralbanken“, der in den Medien mitunter auch als „Krisenorakel“ titutliert wird, sei seit der Weltwirtschaftskrise von 2008 „kaum etwas“ besser geworden:
„Die Probleme, die der Lehman-Krise zugrunde lagen, sind nie bewältigt worden. Im Gegenteil, sie haben sich noch verschärft.“
Mit staatlichen Konjunkturprogrammen und der Stundung von Krediten sei zwar die Rezession schnell überwunden worden. Die Notmaßnahmen hätten jedoch „verhindert, dass Firmen wettbewerbsfähiger werden oder vom Markt verschwinden.“ Die großen Banken seien heute, mehr noch als vor zehn Jahren, viel zu groß, um im Krisenfall fallengelassen zu werden. Der Effekt der Geldpolitik der Zentralbanken schwinde und die Schulden seien „höher als je zuvor“, vor allem in den sogenannten Schwellenländern und China. Doch auch in den USA würden Firmen, die bereits hochverschuldet seien, ihre riskanten „Ramschanleihen“ spielend loswerden, weil Investoren nach Rendite suchen.
Den Grund für die gefährliche Entwicklung sieht White unter anderem in der Politik der Zentralbanken: „Schon die Antwort auf den Börsencrash von 1987 war: Wir drucken Geld. Und so ging es weiter. Nach jeder Krise sind die Zinsen niedriger und die Schulden höher. Wir stoßen also an eine Grenze.“ Wann die Grenze erreicht sei, könne niemand sagen.
Die Spiegel-Autoren Tim Bartz und Martin Hesse kommentieren, dass ein ähnlicher ökonomischer Schock wie bei Lehman die Beherrschbarkeit des gesamten Systems erneut infrage stellen werde – und diesmal vielleicht radikaler: „Ob es noch einmal reichen wird, dass sich eine deutsche Bundeskanzlerin und ein deutscher Finanzminister vor die Fernsehkameras stellen und einfach behaupten, dass das Geld der Deutschen sicher sei? Und was, wenn nicht? Wenn die Deutschen in der nächsten Krise die Banken stürmen?“
Andere Ökonomen sehen das ähnlich
Fakt ist: Mit seinen Warnungen steht White alles andere als allein da. Erst kürzlich veröffentlichte der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze sein Buch „Crashed – wie zehn Jahre Finanzkrise die Welt verändert haben“. Seine Untersuchung der letzten Krise und ihrer politischen Folgen führt ihn zu ganz ähnlichen Schlussfolgerungen wie denen von White: Die nächste Krise kommt – und wird noch schlimmer.
Und schließlich erschien erst kürzlich eine Analyse im Handelsblatt, derzufolge eine Mehrheit von Fachleuten und Vermögensstrategen gleich mehrere Anzeichen für ein bevorstehendes Ende des Aufschwungs an den Finanzmärkten sehen.
Bewahrheiten sich diese düsteren Prognosen, könnten Kaufhof und Ford erst der Anfang sein.
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