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Donnerstag, März 28, 2024
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    Rechter Geheimagent Andreas Temme war „dienstlich“ mit mutmaßlichem Lübcke-Mörder befasst

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    Neue brisante Enthüllung im Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walther Lübcke: Der ehemalige Agent des hessischen Geheimdienstes, Andreas Temme, soll „dienstlich“ mit dem mutmaßlichem Lübcke-Mörder Stephan Ernst befasst gewesen sein. Temme, der früher auch „klein Adolf“ genannt wurde, ist ein zentraler Knoten im NSU-Komplex. Der Agent war bei einem Mord des “Nationalsozialistischen Untergrund” direkt anwesend und bei fünf weiteren Morden in der Nähe des Tatorts.

    Neue Informationen aus dem Innenausschuss des hessischen Landtags: Gestern wurde dort bekannt, dass Andreas Temme, ehemaliger Agent des hessischen Landesamts für Verfassungsschutz, vor 2006 mit Stephan Ernst „dienstlich“ befasst gewesen sein soll. So wurden zwei Berichte in der Personenakte von Stephan E. im Jahr 2000 mit dem Namen Temme gezeichnet.

    Laut innenpolitischem Sprecher der Landtagsfraktion, Stefan Müller, kam diese Information “erst durch intensive Befragung des Innenministers ans Licht”.

    Rechter Geheimagent

    Temme ist nicht irgendwer. In seiner Heimatstadt war er unter dem Spitznamen „klein Adolf“ bekannt, er soll angeblich mit Mantel und Springerstiefeln herumgelaufen sein, sich mit Hells Angels umgeben und Waffen besessen haben.

    Er ist ein zentraler Knoten im Komplex um die faschistische Terror-Gruppe “Nationalsozialistischer Untergrund” (NSU). Laut einem Bewegungsprofil soll sich er bei sechs der neun NSU-Morde in der Nähe des Tatorts aufgehalten haben.

    Während des NSU-Mords an Halit Yozgat in Kassel im Jahr 2006 saß er sogar in dessen Internetcafé. Anschließend verließ er das Café, angeblich ohne die Leiche hinter dem Tresen zu sehen – legte sogar noch ein Geldstück ab.

    Alle weiteren anderen fünf anwesenden Personen meldeten sich sofort bei der Polizei – Temme tat das nicht. Die Polizei kam erst durch komplizierte Recherche auf seinen Namen. Er wurde kurzzeitig festgenommen, bei ihm Zuhause wurden Waffen, illegale Munition, Hitlers “Mein Kampf” und selbst gemalte SS-Runen gefunden.

    Doch schon nach seiner Befragung wurde er wieder entlassen: es gebe „keinen dringenden Tatverdacht“. Seitdem wird er von seinem Dienstherrn gedeckt, 2007 wurde er versetzt.

    Wie der Staat den rechten Terror fördert

    Verbindung zu Benjamin G.

    Bereits in der Vergangenheit konnte Temme über Umwege mit Ernst in Verbindung gebracht werden – über den Spitzel Benjamin G., der von Temme geführt wurde.

    Dieser wurde im Februar 2016 im NSU-Untersuchungsausschuss zu Ernst und seinen Kontakten zu anderen Faschisten durch den NSU befragt. Der Befragte kannte ihn nur unter dem Spitznamen „NPD-Stephan“ und machte keine näheren Angaben zu ihm, sodass Stephan Ernst nicht zum Umfeld des NSU gezählt wurde. Das könnte sich als Trugschluss herausstellen.

    Verbindungen zu Blood&Honour

    So werden immer mehr Verbindungen von Ernst zur Neonazi-Organisation „Combat 18“ öffentlich, die den NSU massiv unterstützte. Danach gehörte Ernst zum engeren Kreis um Mike S., einem führenden Mitglied der „Oidoxie Streetfighting Crew“. Diese gab damals vor, das deutsche „Combat 18“ zu repräsentieren.

    Nun ist eine weitere Verbindung bekannt geworden. Nach RND-Informationen wird derzeit untersucht, ob die Tatwaffe beim Mord an Walther Lübcke – ein Revolver des brasilianischen Herstellers „Rossi“, Kaliber .38 Spezial – ursprünglich von „Combat 18 Pinneberg“ stammte.

    Lückenhafter Bericht des Geheimdienstes mit Unstimmigkeiten

    Neben den neuen Informationen zu Temme wurde im Landtag auch über den Bericht des Landesverfassungsschutzes (LfV) über die Aktivitäten der nordhessischen Neonazi-Szene zwischen 1992 und 2012 debattiert, der derzeit noch geheim ist.

    Stephan Ernst taucht zwischen 1993 und 2004 elf Mal in diesem Bericht auf. Dort wurde auch über die Waffenaffinität von Ernst berichtet. Für den Zeitraum ab 2004 wird Ernst in dem Bericht nicht mehr genannt. Dabei wurde er erst im Jahr 2010 wegen eines Angriffs auf eine DGB-Demo im Jahr 2009 verurteilt. Das wird im Bericht jedoch nicht erwähnt.

    Ebenfalls seltsam: in einer ersten Version des als geheim eingestuften Berichts aus dem Jahr 2013 kommt Ernst wie gesagt insgesamt elf Mal vor, in einer späteren Version von 2014 dann nicht mehr. Andreas Temme kommt im ersten Bericht demnach zweimal vor, im zweiten Bericht sechsmal.

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