In Vorbereitung auf den 50. Jahrestag des „Radikalenerlasses“ im Januar 2022 starten Betroffene nun eine bundesweite Kampagne und Unterschriftensammlung mit der zentralen Forderung an die Politik: „Beenden Sie die Berufsverbotepolitik endlich offiziell!“
Aktuell fällt im Zusammenhang mit den Einschränkungen im Rahmen der derzeitigen Covid 19-Maßnahmen der Begriff des Berufsverbots. Und in der Tat ist es für Hunderttausende Menschen derzeit eine große Belastung, dass sie in ihrem Beruf nicht arbeiten können. Diese haben jedoch keinen diskriminierenden Hintergrund wie die Berufsverbote der 1970-80er Jahre. Hier wurden tausende Menschen, die im öffentlichen Dienst arbeiteten oder sich dafür bewarben, aufgrund ihrer politischen Einstellung oder Mitgliedschaft in linken Organisationen nicht eingestellt oder entlassen und mit Berufsverboten belegt.
Der „Radikalenerlass“ wurde am 28. Januar 1972 von Bundeskanzler Willy Brandt und den Ministerpräsidenten der westdeutschen Bundesländer in Kraft gesetzt. Er richtete sich direkt gegen Linke und Kommunist:innen, um sie aufgrund ihrer politischen Haltung und Praxis aus dem Staatsdienst zu entfernen.
In den folgenden Jahren wurden ca. 3,5 Millionen Bewerber:innen für Berufe im öffentlichen Dienst überprüft. Der Verfassungsschutz erhielt den Auftrag zu entscheiden, wer als „Radikaler“, als „Extremist“ oder als „Verfassungsfeind“ zu gelten hatte. Personen, die „nicht die Gewähr bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten“, wurden aus dem öffentlichen Dienst entfernt oder gar nicht erst eingestellt.
Die Überprüfungen führten bundesweit zu etwa 11.000 Berufsverbotsverfahren, 2.200 Disziplinarverfahren, 1.256 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen. Betroffen waren Kommunist:innen, andere Linke bis hin zu SPD-nahen Studierendenverbänden, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA und Gewerkschafter:innen. In Bayern traf es auch Sozialdemokrat:innen und in der Friedensbewegung engagierte Menschen.
Initiative will Aufklären und neue Berufsverbote verhindern
„Wir planen, diese Unterschriftensammlung das ganze Jahr hindurch fortzuführen,“ so der Sprecher der Initiative, Klaus Lipps aus Baden-Baden, der als Lehrer selbst jahrelang und schließlich erfolgreich gegen sein Berufsverbot kämpfte. „Wir werden mit zahlreichen Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet auf das Unrecht von damals, das bis heute fortwirkt, aufmerksam machen.
Auch heute kommt es wieder vermehrt zu politisch begründeten Berufsverboten bzw. Einstellungsverweigerungen nach Überprüfung der Bewerber:innen durch den Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz. Dabei zeigt insbesondere der Protest gegen dieses Vorgehen rund um den Kommunikationswissenschaftler Kerem Schamberger, wie wirksam öffentlicher Protest gegen diese Praxis der Berufsverbote ist.