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Freitag, Mai 3, 2024
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    Mehr Befugnisse für Geheimdienste – Staatstrojaner für alle

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    Am Freitag diskutiert der Bundestag über eine Änderung des Verfassungsrechts. Diese Änderung soll allen 19 Geheimdienste ermöglichen mit Staatstrojanern zu arbeiten und dabei auch Personen zu überwachen, die noch gar keine Straftaten begangen haben. Mit den Trojanern ist es noch einfacher möglich, Verschlüsselungen von Messengerdiensten zu umgehen.

    In den vergangenen Monaten und Jahren wuchs die Sorge der Bevölkerung um ihre Privatsphäre. Um Chats und sensible Daten zu schützen, stiegen viele auf Messenger-Dienste um, die mit Verschlüsselungstechnologien arbeiten. Geheimdienste und Polizei beklagen sich über diese Maßnahmen, verschlüsselte Kommunikation würde ihnen die Arbeit erschweren. Es wäre immer schwerer, Daten zu erfassen. Als Reaktion greift die Bundesregierung die Verschlüsslungen so weit es geht an, sie macht Druck auf Anbieter, führt schärfere Gesetze ein und erlaubt, dass Hacken von Endgeräten.

    So ganz stimmen tut das allerdings nicht, das Internet-Forschungszentrum der Harvard-Universität widerlegt die Behauptung recht eindeutig laut ihnen hat der Staat noch nie so viele Daten gehabt wie heute. Ein Großteil aller Daten ist weiterhin unverschlüsselt und unkompliziert zugänglich. Geschütze Daten können in vielen Fällen durch Staatstrojaner zugänglich gemacht werden und Verschlüsselungen zu umgehen ist an der Tagesordnung.

    Hinzu kommt außerdem das Argument das Polizei und Geheimdienste verschlüsselte Kommunikation auch ohne Staatstrojaner mitlesen können. Das Bundeskriminalamt hat schon vor fünf Jahre Inhalte bei Telegram abgehört, seit mindestens drei Jahren nun auch bei WhatsApp.

    „Das BKA verfügt über eine Methode, die es ermöglichen kann, Text-, Video-, Bild- und Sprachkurznachrichten aus einem WhatsApp-Konto in Echtzeit nachzuvollziehen. Neben der genannten Kommunikation können darüber hinaus die WhatsApp-Kontakte der Zielperson bekannt gemacht werden.“ schreibt das BKA dort. Ein Staatstrojaner benötige man dafür nicht. Denn die Methode ist simpler als erwartet.

    Die Möglichkeit die das BKA als „normale Telekommunikationsüberwachung“ bezeichnet benötigt keinen Trojaner, sondern lediglich einen einmaligen Zugang zum Telefon der Person. Bei dem Vorgang wird einfach bei WhatsApp einfach ein weiteres Endgerät angemeldet, so können logischerweise alle Chats mitgelesen werden.
    Das BKA darf bereits seit 2009 Staatstrojaner zur Prävention von internationalem Terrorismus einsetzen, seit 2017 wurden diese Befugnisse auf Alltagskriminalität wie Erpressung und Drogendelikte ausgeweitet. Laut dem Bericht nutzt das BKA diese Funktionen kaum. Ein Autor des Portal netzpolitik.org legt nahe, dass Staatstrojaner auf Grund der vielzähligen sonstigen Überwachungsmöglichkeiten einfach kaum benötigt werden.

    Trotzdem fordern Polizei und Geheimdienste nun eine zusätzliche Erweiterung ihrer Befugnisse, die Bundespolizei soll nun Staatstrojaner auch gegen Personen einsetzen dürfen die noch gar keine Straftaten begangen werden. Hinzu kommt, dass neben den Geheimdiensten auch Polizeibehörden die Befugnis erlangen sollen hacken zu dürfen. Am Freitag wird der Bundestag über diese Änderung des Verfassungsschutzrechts diskutieren. Datenschützer:innen kritisieren, dass mit dieser Erweiterung letztendlich der Weg für eine komplett Überwachung geebnet wird, da schließlich die rechtliche Grundlange geschaffen wird um jeden überwachen zu dürfen.

    Redner:innen von Union und SPD sprechen sich dabei für eine erweiterte Möglichkeit zur Nutzung von Trojanern aus. „Es ist nun mal so – und das ist ja auch nicht neu –, dass Extremisten und Terroristen nicht per SMS oder Telefon, sondern eben per Messenger auf ihrem Smartphone kommunizieren.“ so Uli Grätsch von der SPD.
    Auch Volker Ullrich (CSU) setzt sich für eine Änderung des Verfassungsrechts ein „Es kann doch nicht sein, dass der Verfassungsschutz […] Telefongespräche abhören darf, aber wenn dann über Telegram oder WhatsApp eine Anschlagsplanung erfolgt, dem Rechtsstaat die Hände gebunden sein sollen.“

    Auf Anfragen des Portals netzpolitik.org warum ein Staatstrojaner trotz der bereits bestehenden Möglichkeiten zur Überwachung noch notwendig sei antwortete keiner der befragten Abgeordneten.

    Doch nicht alle Abgeordneten sind für die Änderung. So kritisiert Benjamin Strasser (FDP): „Sie verschweigen den Leuten in diesem Land, dass eine ‚Quellen-TKÜ plus‘ mit einem Staatstrojaner nur dann geht, wenn Sicherheitslücken bei allen Geräten aller Deutschen offen gelassen werden. Das verursacht nicht nur einen Milliardenschaden für die Wirtschaft in Deutschland; es ist quasi eine Einladung für Cyberkriminelle und für ausländische Nachrichtendienste. Ihre Politik ist ein Sicherheitsrisiko für Deutschland.“

    Gemeinsam mit ihm äußert sich auch André Hahn (Linke) und kritisiert, dass in Zukunft von Internet-Diensten verlangt wird, die Installation der Staatstrojaner durch das Umleiten von Internetverkehr zu unterstützen. Ein großer Teil der Internetanbieter lehnt diese Neuerung ebenfalls ab. Ähnliche Änderungen gab es übrigens bereits mit dem neuen Telekommunikationsgesetz werden Over-the-Top-Dienste wie E-Mail- und Messenger-Anbieter bereits zur Mithilfe bei der Trojaner-Installation verpflichtet.
    Hinzu kommt außerdem die lange bekannten Kritiken am Verfassungsschutz selbst, wie z.B durch die Linken-Politikerin Martina Renner: „Der Verfassungsschutz erweist sich seit langem als demokratiegefährdend, weil er lieber Spitzel schützt, als Straftaten zu verhindern und zu verfolgen. Dieser Behörde darüber hinaus noch zu gestatten, die digitale Sicherheit insgesamt angreifen, obwohl z. B. das BKA bereits über verschiedene Methoden verfügt, wird sich als Bumerang erweisen, wenn etwa Beweismittel gelöscht oder Systeme manipuliert werden.“

    SPD und Union sind sich dennoch sicher, sie möchten in Zukunft allen 19 Geheimdienste das Hacken per Staatstrojaner erlauben. Darauf hat sich die Bundesregierung schon im Oktober geeinigt jetzt läuft das Gesetzgebungsverfahren.

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