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Donnerstag, April 25, 2024
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    Italien: Ultrarechte Regierung im Amt

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    Italien wird in Zukunft von einer faschistisch-rechtskonservativen Regierung geführt. Giorgia Meloni von der Mussolini-Nachfolgepartei Fratelli d’Italia ist nun Ministerpräsidentin. Mit ihr koalieren die Lega von Matteo Salvini und Silvio Berlusconis Forza Italia. Die neue Regierung will Italien eng an die NATO binden, das heimische Kapital stärken, die Geburtenrate erhöhen und gegen „illegale Migration“ vorgehen.

    Italien hat zum ersten Mal seit der Mussolini-Diktatur eine Faschistin an der Regierungsspitze. Giorgia Meloni von den Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) übernahm am Freitag mit ihrer Koalition aus Lega und Forza Italia die Amtsgeschäfte.

    Faschismus, Neue Rechte und italienischer Trumpismus

    Die Fratelli d’Italia sind eine indirekte Nachfolgeorganisation des Movimiento Sociale Italiano (MSI). Sie war 1946 von Funktionären der Mussolini-Partei PFR (Partito Fascista Repubblicano) gegründet worden. Benito Mussolini hatte ab 1922 eine faschistische Diktatur in Italien errichtet, das Land an der Seite Hitlerdeutschlands in den Zweiten Weltkrieg geführt und nach seinem Sturz 1943 einen Satellitenstaat unter deutscher Besatzung in Norditalien aufgebaut. An der Mussolini-Tradition halten die „Fratelli“ auch in ihrem Parteilogo fest. Die lodernde Flamme in den italienischen Nationalfarben symbolisiert für die italienischen Faschist:innen den Geist Mussolinis.

    Mit ihren Koalitionspartnern haben die „Fratelli“ nicht wenige ideologische Überschneidungen. Die von Matteo Salvini geführte “Lega” war bis vor kurzem selbst die stärkste Kraft des ultrarechten Spektrums in Italien. Inhaltlich steht sie in der Tradition der „Neuen Rechten“, einer neofaschistischen Strömung. Ihr Vordenker, Gianfranco Miglio, war ein Schüler des NS-Staatsrechtlers Carl Schmitt, dessen Werke heute als Blaupause für autoritäre Regierungen von Ungarn bis China gelten.

    Zentrale Positionen der Lega sind die politische Stärkung der italienischen Regionen und der „Schutz“ regionaler Kulturen, vor allem gegen Migration. Die „Forza Italia“ wiederum ist die rechtskonservative Hauspartei des Medienunternehmers Silvio Berlusconi, der in den 1990er und 2000er Jahren eine ähnliche Rolle für die italienische Rechte spielte wie heute Donald Trump für die US-amerikanische. Berlusconi ist zudem seit Jahrzehnten ein Strippenzieher in ultrarechten Netzwerken wie etwa der 1981 aufgedeckten Geheimorganisation „Propaganda Due“.

    Regierungsprogramm und Kabinett: Bekenntnis zu NATO und EU

    Inhaltlich hat die Meloni-Regierung eine enge Anbindung Italiens an die NATO vereinbart und die Mitgliedschaft des Landes in der EU bekräftigt. Gerade die Positionierung hin zur NATO haben die „Fratelli“ gegen ihre Koalitionspartner durchgesetzt, denn sowohl Berlusconi als auch Salvini haben enge politische Beziehungen zu Russland. Noch in der vergangenen Woche war die neue Regierungsbildung durch eine veröffentlichte Tonaufnahme Berlusconis gefährdet. Darin hatte er sich damit gebrüstet, von Russlands Präsident Putin 20 Wodkaflaschen zum Geburtstag geschenkt bekommen und ihm im Gegenzug Lambrusco-Wein in den Kreml geschickt zu haben.

    Auch die EU-Mitgliedschaft dürfte für Meloni alternativlos sein. Schließlich ist Italien nach Griechenland das am meisten verschuldete Land der EU im Verhältnis zu seiner Wirtschaftsleistung und ist auf den Ankauf italienischer Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) angewiesen. Zudem ist Italien mit etwa 200 Milliarden Euro der größte Empfänger von Hilfen aus dem EU-Corona-Wiederaufbaufonds.

    Dass eine Regierung selbst eines großen kapitalistischen Landes keine nationalen Alleingänge gegen internationale Finanzinstitutionen und die Finanzmärkte durchsetzen kann, bekam gerade erst die zurückgetretene britische Premierministerin Liz Truss zu spüren.

    Großbritannien versinkt tiefer im politischen Chaos

    Meloni scheint diesen Umstand wohl zur Kenntnis zu nehmen und signalisiert ihren europäischen Bündnispartnern durch die Wahl ihrer Kabinettsmitglieder die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. So wird das Außenministerium in Zukunft vom früheren EU-Parlamentspräsidenten Antonio Tajani (Forza Italia) geleitet, der nach seiner Vereidigung auch sogleich nach Brüssel reiste. Tajani fiel in der Vergangenheit zwar immer wieder durch Entgleisungen auf, etwa durch die Äußerung, Mussolini habe „auch positive Dinge getan“. Er ist in EU-Kreisen jedoch gut vernetzt und wird dort als verlässlicher Gesprächspartner angesehen. Dasselbe gilt für den neuen Finanz- und Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti (Lega), der bereits in der Vorgängerregierung von Mario Draghi als Wirtschaftsminister gedient hat.

    Stärkung des italienischen Kapitals und der bürgerlichen Familie

    Auch wenn ihre Spielräume also begrenzt sind, dürfte Meloni darauf bedacht sein, das heimische Kapital zu stärken. Das Parteienbündnis hatte schon im Sommer vereinbart, die Steuern für Unternehmen und Selbständige zu senken und zur Atomenergie zurückzukehren. Das Wirtschaftsministerium heißt künftig „Ministerium für ‚Unternehmen Made in Italy‘“ und wird vom Fratelli-Funktionär Adolfo Urso geführt. Das Verteidigungsministerium geht an den früheren Rüstungslobbyisten Guido Crosetto (Fratelli).

    Daneben will das Bündnis die Geburtenrate in Italien steigern und hierzu unter anderem Steuersenkungen für Familien mit Kindern durchsetzen. Das Familienministerium wird von Eugenia Roccella (Fratelli) geführt, die sich bislang als Abtreibungsgegnerin mit Anti-LGBTI+-Positionen profiliert hat. Schon in den vergangenen Jahren haben die Fratelli in Regionalregierungen die Anwendung des Abtreibungsrechts eingeschränkt.

    Rechter Block aus Polen, Ungarn und Italien?

    Die ultrarechte Ausrichtung der Regierung macht sich auch in der beschlossenen Migrationspolitik bemerkbar: Das Bündnis hat sich ins Programm geschrieben, die „klassischen und die jüdisch-christlichen Wurzeln und historisch-kulturellen Identitäten Europas“ zu verteidigen und fördern zu wollen. Dafür will es die „nationalen und europäischen Grenzen verteidigen“, „Anlandungen“ blockieren und von der EU verwaltete Flüchtlingslager („Hotspots“) in Afrika errichten.

    Mit diesen Positionierungen dürfte das von Meloni geführte Italien das ultrarechte Lager innerhalb der EU-Staaten stärken. Denn auch die Regierungen in Polen und Ungarn vertreten offen Positionen, die der `Storyline’ des modernen Faschismus entsprechen: Etwa dass die ursprünglichen weißen Kulturen Europas durch Migration bedroht würden und dass Feminist:innen und LGBTI+ Aktivist:innen dies befördern würden, indem sie die Geburtenrate der Europäer:innen senken wollten. Eine EU-Parlamentsabgeordnete der Grünen warnte kürzlich davor, dass Melonis Vorbild „der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban“ sei, „der sein Land in eine illiberale Demokratie verwandelt hat“.

    Bislang hatte die ultrarechte Koalition vor allem geplant, eine Direktwahl des Staatspräsidenten einzuführen. Ob Melonis Regierung solchermaßen autoritäre Umbaumaßnahmen für den Staatsapparat verfolgen kann, wird jedoch vor allem von den Interessen des italienischen Kapitals und dem Widerstand der italienischen Arbeiter:innenklasse abhängen.

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