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Samstag, April 27, 2024
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    Böhmermanns ZDF- Magazin “Royale” – echte Systemkritik?

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    Ende letzten Monats veröffentlichte das ZDF- Magazin “Royale” Teile der NSU-Akten. Eine Woche später bezeichnet Jan Böhmermann seinen Arbeitgeber als „Scheiße“ und stößt auf große Resonanz. Doch stellen wir uns so effektive Systemkritik vor? – Ein Kommentar von Konstantin Jung

    Als bekanntester deutscher Polit-Satiriker muss Jan Böhmermann sich Einiges anhören: manche kritische Stimmen behaupten, er und seine „Antifa-Show“ seien unlustig, wiederum andere unterstellen ihm „Inszenierungsfuror“ und unsaubere Recherchearbeit. Doch die Gratwanderung zwischen Comedy und Journalismus ist immer eine schwere – besonders wenn man eigentlich gar nicht so viel zu sagen hat.

    Dass der hessische NSU-Geheimbericht nun der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, ist erst einmal ein Gewinn, keine Frage. Doch besonders bahnbrechend ist die Aufdeckung nicht. Der Bericht wurde bereits im vorigen Jahr ausgewertet und die Erkenntnisse sind weitestgehend verfügbar.

    Immerhin räumt die von “FragDenStaat” und dem ZDF-Magazin Royale eigens geschaffene Website ein, dass man in dem Bericht keine „Beweise für gezielte Vertuschungsversuche oder gar den Beleg für die Rolle des Verfassungsschutzes bei der Mordserie“ finden werde. Warum wird Böhmermann in der Kommentarspalte des Videos also als unerwarteter Held und Retter gefeiert?

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    Die Kombination aus investigativem Journalismus und Comedy lässt bei der Gestaltung des Inhalts eine Menge Spielraum: kann ein Kritikpunkt argumentativ nicht ausreichend untermauert werden, so bleibt immer noch der Ausweg zum Witz. Dieser besteht dann meist aus Clips von TikTok-Videos der tagesschau oder plumpen „AfD-Anhänger sind Arschgeburten“- und „Nazis sind blöd“-Pointen.

    Doch selbst, wenn Böhmermann richtige Kritiken äußert, bleibt die Lösung eher unklar. So zum Beispiel in der Sendung zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, der in den letzten Monaten vor allem wegen Vorfällen von Untreue und Vorteilsannahme sowie dürftigen Arbeitsbedingungen von freien Mitarbeitenden negative Schlagzeilen hervorrief:

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    Zu Recht bemängelt er, dass die Aufsichtsgremien und Rundfunkräte des ÖRR entgegen dem Grundsatz, den sogenannten Querschnitt der Bevölkerung abzubilden, vor allem von alten sowie partei- und unternehmensnahen Personen besetzt sind. Doch ob die vorgeschlagene Einladung von mehr Menschen mit Migrationshintergrund solch grundlegenden Problemen wie Vetternwirtschaft und Korruption entgegenwirken kann, gilt es zu hinterfragen.

    Das Problem an Sendungen wie dem ZDF-Magazin Royale oder der “heute-show” ist der starre und klammernde Fokus auf einzelne Phänomene, die allzu selten in einen größeren Kontext gestellt werden. Grundsätzlich bleiben sie sehr system-bejahend und können nur schwer weitergedachte Alternativen für die Missstände unserer Zeit aufzeigen.

    Was auch nicht allzu sehr überrascht, denn dann wäre auf Böhmermanns Platz wohl schnell eine Stelle frei. „Ich halte diese Systemerhaltungsreflexe nicht mehr aus“, so Böhmermann. Na dann, vielleicht erkennt er ja bald, dass staatliche und konzern-nahe Mediensysteme im Kapitalismus nicht grundlegend reformierbar sind, denn ihre Aufgabe ist es eben, dieses System zu verteidigen oder zumindest nicht grundlegend anzutasten.

    • Seit 2022 politisch aktiv in Sachsen. Schreibt am liebsten über Antifa und Kultur im Kapitalismus. "Es gibt kein anderes Mittel, den Schwankenden zu helfen, als daß man aufhört, selbst zu schwanken."

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