Der Kampf um eine strategische Neuausrichtung in der Linkspartei spitzt sich weiter zu. Kürzlich erregte Sahra Wagenknecht mit ihrem Manifest und einer möglichen Abspaltung Aufmerksamkeit. Nun meldet sich die Spitzenpolitikerin Katja Kipping zu Wort und plädiert für Frieden mit der NATO. – Ein Kommentar von Enver Liria
Ihre Zerstrittenheit und inneren Widersprüche gehören wohl seit ihrer Gründung zum Wesen der Linkspartei. Obwohl sie sich die Interessen der einfachen Leute, der Arbeiterinnen und Arbeiter auf die Fahne schreibt, konnte sie in den aktuellen Kämpfen gegen Inflation und Preissteigerungen kaum punkten. Das befeuert nun die tiefe politische Krise und die Debatten um Spaltung und Neuausrichtung in der Partei.
Nachdem sich Sahra Wagenknecht mit ihrem „Manifest für Frieden“ an die Öffentlichkeit gewandt und darin einen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert hatte, meldet sich nun ein anderer Flügel der Partei in Person von Katja Kipping zu Wort. Die Spitzenpolitikerin und Noch-Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales in Berlin nimmt gewissermaßen die Gegenposition zu Wagenknechts Linie ein.
Mögliche Wagenknecht-Partei: Links? Rechts? Und in wessen Interesse?
Sie fordert ein Umdenken in der Bewertung der Rolle der NATO. Bislang hat die Linkspartei die Forderung der Auflösung der NATO in ihrem Parteiprogramm stehen. An die Stelle der NATO solle ein kollektives Sicherheitssystem mit Beteiligung Russlands treten. In einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland erteilt Kipping diesem Kuschelkurs nun eine Absage: „Eine linke Partei auf der Höhe der Zeit hat eine Zukunft. Hilfreich dafür wären einige programmatische Entscheidungen. Unsere Programmaussage zur Nato ist von der Zeit überholt.“
Im Krieg in der Ukraine müsse Stellung für die NATO und die Ukraine bezogen werden: „Es muss aber dabei klar sein, dass der Ruf nach Verhandlungen nicht unter der Hand eine Komplizenschaft mit Putin ist. Hier darf es keine Zweideutigkeiten geben. Linke sind an der Seite der Angegriffenen und das ist in dem Fall die Ukraine.“
Nach der Wahlwiederholung in Berlin zeichnet sich eine CDU/SPD- Koalition ab, womit die Berufspolitikerin ihren Platz räumen müsste. Katja Kipping zog 1999 im Alter von 21 Jahren in den Sächsischen Landtag ein und wechselte dann ab 2005 für rund 17 Jahre in den Bundestag. Von 2012 bis 2021 gehörte sie zudem dem Vorstand der Linkspartei an.
Linke für Waffenexporte?
Rückendeckung erhält Kipping von ihrem Thüringer Parteikollegen Bodo Ramelow. Als Ministerpräsident seines Bundeslands genießt er bundesweit ein hohes Ansehen. Auch für ihn ist der Anti-NATO-Kurs der Linkspartei veraltet und nicht regierungsfähig.
In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sprach er sich bereits im vergangenen Jahr für Waffenlieferungen und gegen Dialoge aus: „Es gab eine Zeit, auch nach der Besetzung der Krim, in der ich immer noch auf bestimmte Dialogformate gesetzt habe. […] Früher war ich ein Gegner von Waffenlieferungen. Heute sage ich ergänzend: Jeder, der angegriffen wird, hat das Recht, sich zu verteidigen.“
Die Militarisierung im Inland sieht der Thüringer Ministerpräsident nicht als Problem, sondern als große Chance für Deutschland: „Seit ich Ministerpräsident bin, ist die Bundeswehr pausenlos im Einsatz, auch für unsere Zivilbevölkerung. Soldatinnen und Soldaten sind Teil dieses Landes, Teil unserer aktiven Hilfe. Da kann ich nur Dankbarkeit zurückgeben. Gerade habe ich dem Bataillon 383 das Fahnenband des Freistaats Thüringen überreicht. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ein soziales gesellschaftliches Jahr allen Menschen in unserem Land guttun würde.“ In einer einst vermeintlich gegen die Aufrüstung kämpfenden Partei ist es nun also auch salonfähig, eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht durch die Hintertür zu fordern.
Warum wir eine Anti-Kriegs-Bewegung brauchen, die sich auf keine imperialistische Seite schlägt
Keine Alternative gegen imperialistischen Krieg
Seit jeher stand die Linkspartei für den Versuch, dieses System von innen heraus zu verändern und keinen grundsätzlichen Bruch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zu vollziehen. Für viele war sie dennoch eine attraktive Option – vor allem wegen ihrer Anti-NATO-Position.
Nun wackelt jedoch auch diese Haltung der Partei. Pazifistische Positionen können sich nicht mehr durchsetzen, die Einsicht, dass ein gerechter Frieden nur im Sozialismus möglich ist, schon gleich dreimal nicht.
Damit wird umso klarer: Eine Alternative gegen Krieg und Verarmung kann diese Partei nicht sein!