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Freitag, April 26, 2024
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    Warum wir eine Anti-Kriegs-Bewegung brauchen, die sich auf keine imperialistische Seite schlägt

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    Die russische Invasion in der Ukraine hat auch die deutsche „Friedensbewegung“ durcheinander gewirbelt. Mittlerweile haben sich wesentliche Teile auf die Seite des einen oder anderen imperialistischen Lager gestellt – oder bleiben hilflos auf pazifistischen Grundsätzen sitzen. Für einen konsequenten Anti-Kriegs-Kampf benötigt es einen neuen Pol, der sichtbar ist und sich zugleich in die Auseinandersetzung einmischt. – Ein Kommentar von Tabea Karlo.

    Heute vor einem Jahr eskalierte der schon lange schwellende Konflikt in der Ukraine und wurde zu einem konventionellen Krieg. Auf der einen Seite die Ukraine, gestützt von der NATO, die seit Jahren immer weiter in den Osten drängt, auf der anderen Seite Russland, das schließlich am 24.02.2022 in die Ukraine einmarschierte. Und mittendrin die Bevölkerung der Ukraine und vor allem die Arbeiter:innenklasse, die nun am aller härtesten büßen muss.

    Seitdem steigen die Belastungen durch den Krieg stetig, vor allem für die ukrainische, aber auch für die russische und bisweilen auch für die deutsche Arbeiter:innenklasse.

    Hierzulande in Deutschland rasen die durch die Inflation bereits horrenden Preise weiter in die Höhe. Während es angeblich an Geld für Entlastungspakete mangele, erhöht der Staat zeitgleich sprunghaft seinen Militäretat. Es werden sowohl Waffen, als auch Panzer in die Ukraine geliefert, und nach über zehn Jahren wird versucht, die Wehrpflicht zu rehabilitieren. Olaf Scholz spricht von einer Zeitenwende”, viele warnen vor einem “Dritten Weltkrieg”. Das Thema Krieg und Frieden ist wieder aktuell wie nie.

    Doch diese Zeitenwende“ hat zu massiver Verwirrung in der deutschen „Friedensbewegung“ geführt.

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    Von der „Friedensbewegung“ zur „Kriegsbewegung“.

    Zu Beginn des Krieges kam es zu – häufig staatlich finanzierten und organisierten – „Friedensdemonstrationen“ , auf den es größtenteils darum ging, den NATO-Standpunkt zu vertreten.

    Diese Einflüsse zeigen sich bis heute. Teile der bisherigen „alten“ Friedensbewegung schlossen sich relativ schnell diesem Flügel an und verteidigen seitdem mit einem gnadenlosen Opportunismus die Ost-Erweiterung der NATO, die Waffen- und Panzerlieferungen und die rechte Selenskyj-Regierung – ungeachtet der miseraben Lage für Arbeiter:innen und Gewerkschafter:innen in der Ukraine, der faschistischen Kader:innen im ukrainischen Militär oder der Tatsache, dass die NATO eben selbst vor allem wirtschaftlich und militärische Interessen verfolgt. Hat die NATO nicht in den letzten Jahrzehnten in zahlreichen Konflikten in Irak, Afghanistan oder Kosovo bewiesen, wie wenig sie sich um die Arbeiter:innenklasse schert? Wie sehr sie selbst, ebenso wie Russland, das “Völkerrecht” mit Füßen tritt?

    Tatsächlich handelt es sich bei diesem Teil der „Friedensbewegung“ mehr um eine „Kriegsbewegung“ und Forderungen nach einer „No-Fly-Zone“ über die Ukraine – was einem Kriegseintritt der NATO gleichkäme – sind hier nicht selten zu finden.

    PutinistInnen & Pazifist:innen

    Einen anderen Pol bilden steinharte Revisionist:innen, die meinen, in Russland noch einen letzten Funken der alten Sowjetunion zu finden oder zumindest ein in die Defensive gedrängtes kapitalistisches Land zu erkennen, dass nun seine berechtigten „Sicherheitsinteressen“ verteidigen muss. Doch Russland ist keine unterdrückte Nation, Russland ist ein imperialistisches Land, das mit allen Mitteln darum kämpft, seinen Platz in der imperialistischen Weltordnung zu erhalten – und dabei im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht, und zwar die unzähliger Ukrainer:innen und der eigenen Bevölkerung.

    Eine dritte Position bilden die konsequenten Pazifist:innen, einige von ihnen berufen sich auf die Friedensdemonstrationen rund um den NATO-Doppelbeschluss (gegen die atomare Aufrüstung Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre). Doch ihre Haltung gerät immer mehr in die Defensive angesichts der Lage, dass man tatsächlich in solchen Kriegskonstellationen mit „Frieden schaffen ohne Waffen“ nur begrenzt weiterkommt und im Angesicht eines mordenden russischen Imperialismus, aggressiver Asow-Faschisten oder von NATO-Staaten, die bereits mit Gräueltaten in Afghanistan und Irak gezeigt haben, was sie anrichten können.

    Einen konsequenten Pol gegen den imperialistischen Krieg schaffen

    Letztlich wird immer wieder versucht, uns dazu zu drängen, sich entweder zwischen den Imperialisten zu entscheiden, oder uns wenn wir das nicht wollen zumindest „pazifistisch“ zu verhalten. Doch diese drei Positionen eint eine Sache: Sie können oder wollen unsere Interessen als Arbeiter:innenklasse nicht konsequent vertreten.

    Keine von ihnen nimmt eine konsequente Haltung gegen den Krieg in der Ukraine, einen aufkommenden Weltkrieg und eine aufkommenden Militarisierung in Deutschland ein, und bietet zugleich eine kämpferische Alternative.

    Die erstere tritt mehr oder weniger dafür ein, dass Deutschland die Ukraine mit Waffen unterstützt und selbst aufrüstet, die zweite schlägt sich auf die Seite des anderen Imperialisten Russland und unterstützt dessen Aufrüstung. Und die Pazifist:innen stehen vor dem selben Problem ,vor dem sie schon vor 40 Jahren standen und zwar, dass sich Krieg nicht allein mit gutem Willen bekämpfen lässt.

    Für uns bedeutet das, dass wir selbst aktiv werden müssen. Dass wir selbst die antimilitaristische Bewegung aufbauen müssen, die wir suchen und brauchen. Dabei stehen wir jedoch nicht mit leeren Händen da, sondern können durchaus Lehren aus den Kämpfen unserer Vorkämpfer:innen des letzten Jahrhunderts ziehen.

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    Nach wie vor: „der Hauptfeind steht im eigenen Land“

    Wenn wir uns die Proteste vor und im ersten Weltkrieg ansehen, dann waren diese durch verschiedenste Parolen geprägt. Eine der bekanntesten ist Karl Liebknechts Ausspruch „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“. Damit trat er im ersten Weltkrieg gegen den “Burgfrieden” in Deutschland an. Er rief den Menschen in Erinnerung, dass auch das eigene Kapital nicht die Interessen der Arbeiter:innenklasse vertritt.

    Diese Parole ist noch heute aktuell, denn auch heute ist es wieder die Arbeiter:innenklasse, die man zwingen wird, in den Krieg zu ziehen für die Profitinteressen deutscher Konzerne. Morgen können es wir selbst, unsere Freunde, Familie und Bekannten sein, die unter den Folgen eines eskalierenden Kriegs leiden werden. Und die Konzerne sind es die, die weiter Gewinne scheffeln – eine Entwicklung, die sich schon jetzt an der zunehmenden Verarmung unserer Klasse und den Mega-Profiten deutscher Rüstungskonzerne ablesen lässt.

    Zudem können wir mit Streiks, Protesten und Blockaden vor allem das eigene Kapital unter Druck setzen und damit die Kriegsmaschinerie hierzulande ins Stocken bringen.

    Hoch die Internationale Solidarität!“

    Damit dadurch aber Kriege wirklich anders verlaufen oder gänzlich gestoppt werden,  braucht es nicht nur eine Arbeiter:innenbewegung, die den Frieden mit der eigenen Kapitalist:innenklasse ablehnt. Sondern wir brauchen zugleich eine internationalistische, eine solidarische Arbeiter:innenbewegung über die eigenen Landesgrenzen hinaus.

    Wollen wir tatsächlich gegen den Krieg kämpfen, dann müssen wir das gemeinsam tun. Für uns bedeutet das in Bezug auf den aktuellen Krieg, volle Solidarität zu zeigen mit allen fortschrittlichen Kräften in Russland und der Ukraine, sowie langfristig an einer internationalen Vernetzung der Antimilitarist:innen zu arbeiten.

    Eben das war die zentrale Lehre des ersten Weltkriegs. Die sozialistische Revolution 1917 in Russland hat einen wesentlichen Baustein zu seiner Beendigung beigetragen, ebenso wie die antimiltaristischen Kämpfe in Deutschland. Die gemeinsame Parole war: Drehen wir die Gewehre um den imperialistischen Krieg in den Bürgerkrieg gegen das eigene Kapital verwandeln!

    Es ist klar, dass das Niveau der sozialistischen Kräfte zumindest hierzulande derzeit nicht an dem Punkt ist, diese Parole im Sinne des tatsächlichen Umdrehens der Waffen Realität werden zu lassen. Aber die Parole „Krieg dem Krieg“ können wir dennoch als Leitschnur nehmen, wenn wir eine neue antimilitaristische Bewegung aufbauen wollen.

    Für den Frieden heißt: für den Sozialismus

    Beim Aufbau dieser Bewegung müssen wir uns letzten Endes bewusst machen, dass wir eine antikapitalistische, eine sozialistische Position vertreten müssen. Im Kapitalismus wird es immer wieder dazu kommen, dass Länder sich bekriegen, um die Welt neu untereinander aufzuteilen, um letztlich Einfluss und Macht über die Ressourcen zu gewinnen.

    So stellt es sich auch mit der Ukraine dar, denn die Ukraine ist ein sogenannter pivot state“ (dt. “Schlüssel-Staat”), ein zentraler geostrategischer Punkt auf der Welt. Mit seiner Lage direkt am Schwarzen Meer und in der nordeuropäischen Tiefebene bleibt er langfristig unverzichtbar für Großmächte, die auf dem eurasischen Kontinent interagieren. Wollen wir diese Frage also tatsächlich lösen, wollen wir langfristig verhindern, dass es immer wieder zu Kriegen kommt, dann müssen wir gegen das System kämpfen, das sie auslöst.

    Dass wir heute mit diesen Positionen noch nicht die Mehrheit bilden, sollte uns nicht verzagen, sondern uns ins Gedächtnis rufen, dass es dadurch umso wichtiger ist zu handeln. Wir haben die Aufgabe, unsere Positionen mit eigenen Aktionen auf die Straße zu tragen.

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    Eigenständig auftreten – und unsere Position in die Bewegung und in die Orte tragen, wo wir leben und arbeiten

    Das kann und muss heute auf unterschiedliche Arten geschehen: Zum einen ist es wichtig, ein eigenständiges Auftreten zu organisieren und selber Aktionen auf einer konsequenten Antikriegs-Plattform ins Leben zu rufen. Ein Beispiel dafür sind die Aktionen der “Föderation Klassenkämpferischer Organisationen”.

    Zum anderen heißt es auch, sich in die Auseinandersetzung zu stürzen und unsere Position auch dort stark zu machen, wo sie es noch nicht verbreitet ist: Ob im Betrieb, im Stadtteil oder auf Demonstrationen – überall dort werden wir zwar durchaus pro-imperialistische oder rechte, aber auch teilweise richtige oder sehr fortschrittliche Positionen antreffen. So etwa am Samstag, 25. Februar in Berlin, wo eine Allianz von konservativ und rechtsoffen bis linksliberal für einen Waffenstillstand und einen kapitalistischen Frieden protestiert. Rechte erhoffen sich eine Querfront-Demo, man wird sehen.

    So wie es richtig war, an den inhaltlich grauenhaften und regierungsnahen Demonstrationen rund um den “solidarischen Herbst” teilzunehmen, weil dort eben auch viele Menschen gegen die Teuerungen protestierten, kann es auch bei solchen Gelegenheiten Sinn machen, eine konsequente Anti-Kriegsposition, die sich eben auf keine imperialistische Seite schlägt, sichtbar zu machen. So wie es bereits bei den Teuerungsprotesten darum ging, die Menschen nicht den Sozialdemokraten und Rechten zu überlassen, gilt dies jetzt auch für die Friedensfrage.

    Doch es ist wichtig, den Friedenskampf nicht auf diese eine Frage zu begrenzen. Letztendlich muss der antimilitaristische Kampf Teil unserer täglichen Auseinandersetzungen werden – nicht nur rund um den 24.2., sondern in der kommenden Zeit jeden Tag aufs Neue.

    Antimilitarismus muss ein fester Bestandteil unserer alltäglichen politischen Arbeit werden, ob im Stadtteil, in der Schule oder im Betrieb. Er darf nicht zu einem Thema verkümmern, das wir immer nur dann behandeln, wenn wieder etwas Neues in die Nachrichten gekommen ist. Dann werden wir uns in die Lage versetzen, Stück für Stück eine konsequente Anti-Kriegs-Bewegung zu schaffen.

    • Perspektive-Autorin seit 2017. Berichtet schwerpunktmäßig über den Frauenkampf und soziale Fragen. Politisiert über antifaschistische Proteste, heute vor allem in der klassenkämperischen Stadtteilarbeit aktiv. Studiert im Ruhrpott.

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