Seit Dienstag ist ein Hörsaal der Humboldt-Universität Berlin besetzt. Die Studierenden fordern unter anderem die Vergesellschaftung der Energieproduktion und die Erhöhung von BAföG und den Löhnen der Beschäftigten an der Universität. Am Bündnis für die Hörsaalbesetzung beteiligten sich unter anderem “Young Struggle”, “End Fossil: Occupy!”, “Zora”, “Genug ist Genug Berlin” und “Seebrücke”. – Perspektive hat ein Interview geführt.
Warum habt ihr die Besetzung als Mittel gewählt, um eure Forderungen durchzusetzen?
Diese Besetzung steht im Kontext einer globalen Welle von Besetzungen von Schulen und Unis. Allein in Deutschland wurden fünf weitere Unis besetzt. Wir haben die Besetzung gewählt, weil es ein Mittel ist, Druck auf die Institution auszuüben, die wir besetzen. Die Besetzung ist ein Kampfmittel, mit dem wir einen politischen Raum schaffen. In diesem Raum vermitteln wir politische Inhalte und stellen Forderungen auf, die wir durchsetzen wollen.
Im Mittelpunkt dieser Forderungen steht der Klimagerechtigkeitskampf und der Kampf um soziale Gerechtigkeit. Schon bevor die Vollversammlung einberufen wurde, in der die Besetzung beschlossen wurde, befanden sich mehrere Mannschaftswagen der Polizei auf dem Campus, die ganze Teile der Uni abriegelten. Hier sehen wir, dass allein mit der Ankündigung einer Besetzung eines unserer Ziele erfüllt wurde, nämlich eine Öffentlichkeit zu schaffen.
Wir stehen an einem Kipppunkt der Klimabewegung in Deutschland. Auf der einen Seite verlieren die Klimastreiks der letzten vier Jahre an politischer Schlagkraft und gehen in bürgerlichen Parteien wie den Grünen auf. Gleichzeitig haben wir mit dem Kampf um Lützerath einen neuen Höhepunkt der Klimabewegung erlebt, bei dem auch militantere Aktionsformen angewandt wurden. Auch in Lützerath haben wir die Wirksamkeit von Besetzungen erlebt.
Warum wurde der Tag direkt nach dem 1. Mai, dem Kampftag der Arbeiter:innenklasse, als Start der Besatzung gewählt?
Wir sagen klar, dass der Kampf der Arbeiter:innen und der Klimagerechtigkeitskampf Seite an Seite geführt werden müssen. Von Seiten bürgerlicher Medien und Politiker:innen werden diese Kämpfe gegen einander ausgespielt, mit unseren Forderungen stellen wir uns gegen diese Trennung. Der 2. Mai ist somit kein zufällig gewähltes Datum.
Auch die Uni ist ein Arbeitsplatz, der zunehmend wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen geführt wird. Deshalb ist auch ‘TV Stud’ Teil des Besetzungsbündnisses, eine Organisation, die für Tarifverträge für die Beschäftigten an den Unis kämpft.
Proteste in Westfrankreich: Zwischen Leben und Tod in Sainte-Soline
In Frankreich hat es während der Streiks gegen die Rentenreform bereits funktioniert, Arbeitskämpfe und Klimakampf zusammen zu führen. Seht ihr diese Perspektive auch in Deutschland?
Konkret gibt es in Deutschland gerade keine Situation wie die in Frankreich. Frankreich nimmt aber in Europa eine ähnliche Rolle wie Deutschland ein. Mit den Streiks gegen die Rentenreform beobachten wir auch ein Aufflammen der Klimakämpfe, in denen besonders die Jugend eine führende Rolle einnimmt.
Vor einigen Wochen wurde in Saint-Soline gegen die Privatisierung des Grundwassers gestreikt, mehrere tausend Menschen beteiligten sich an den Streiks. Es gab kaum einen französischen Streik in den letzten Monaten, gegen den die Polizei härter vorging. Unsere Besetzung begreifen wir als Schritt in Richtung einer Massenbewegung, die den Arbeitskampf mit dem Klimakampf verbindet.
Was sind die politischen Ziele eurer Besetzung?
Es geht uns natürlich um die Umsetzung unserer Forderungen. Wir sehen aber, dass sich Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit nicht im herrschenden System lösen lassen. Deshalb kämpfen für eine Wirtschaftsordnung, in der die Interessen von Menschen nicht für zerstörerische Profite geopfert werden.