Als Teil des Ausbaus der „Festung Europa“ schließt die EU ein neues Abkommen mit Tunesien. Für die erfolgreiche Sicherung der EU-Grenzen stellt Brüssel finanzielle Hilfe und Unterstützung für das krisengebeutelte nordafrikanische Land in Aussicht.
Am Wochenende kündigte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, bei einem Besuch in Tunesien an, dem Land künftig gut 100 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stellen zu wollen. Diese Mittel sollen – so die Absprache mit Tunesiens Präsident Kais Saied – zur Grenzsicherung, für das Migrationsmanagment, für Such- und Rettungsaktionen, für Maßnahmen gegen Schleuser und für Rückführungen von Migrant:innen genutzt werden.
Insgesamt sei die EU-Kommission bereit, dem nordafrikanischen Land bei erfolgreicher Eindämmung der Migration Finanzhilfen in Höhe von bis zu 900 Millionen Euro für die Stärkung der Wirtschaft bereitzustellen, so von der Leyen.
Ob 900 Millionen Euro eine nachhaltige Veränderung der Lage in Tunesien im Sinne der tunesischen Arbeiter:innen bewirken können, ist fraglich: In Tunesien leidet die Bevölkerung momentan stark unter den Folgen der anhaltenden Weltwirtschaftskrise und des Kriegsausbruchs in der Ukraine. Präsident Saied baut im Zuge dessen kontinuierlich die wenigen demokratischen Errungenschaften des Arabischen Frühlings wieder ab. Mit dem Deal begibt sich Tunesien weiter in die neokoloniale Abhängigkeit von europäischen Wirtschafts- und Entwicklungshilfen und stellt die Interessen der EU vor die Interessen der eigenen Bevölkerung.
Abschottung an EU-Außengrenzen
Der nun geschlossene Deal mit Tunesien ist Teil einer Initiative der EU, mit der die – so der offizielle Sprech – stark belasteten Staaten an den Außengrenzen vermehrt unterstützt werden sollen. Vor allem Italiens neofaschistische Ministerpräsidentin, Giorgia Meloni, drängte im Vorfeld massiv auf eine Entlastung ihres Landes und eine Begrenzung der Migration nach Italien. Der Deal mit Tunesien stellt insofern auch ein klares Zugeständnis der EU an die ultrarechte Migrationspolitik Italiens dar.
Bereits letzte Woche wurde während eines EU-Innenministertreffen in Luxemburg eine Verschärfung des Asylrechts ausgehandelt. Die Bestätigung der neuen Regelungen durch das EU-Parlament steht zwar noch aus, jedoch ist bereits deutlich geworden, dass Deutschland auf seine Forderungen zugunsten einer Einigung verzichtet hat. https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-asylreform-einigung-100.html. Im Vorfeld der Verhandlungen hatte Deutschland darauf beharrt, dass Familien mit Kindern von den neu beschlossenen rigiden Asylverfahren ausgenommen würden. Diese Forderung ließ die deutsche Vertreterin Nancy Faeser dann im Laufe der Verhandlungen fallen.
Trotzdem äußerte die deutsche Innenministerin anschließend Freunde und Stolz über die neue Regelung. In einer Mitteilung des Innenministeriums hieß es: „Können endlich für eine verlässliche Steuerung und Ordnung der Migration und eine neue, solidarische Migrationspolitik sorgen“. Auf Twitter nannte Faeser die Verschärfung des Asylrechts einen „historischen Erfolg – für die Europäische Union, für eine neue, solidarische Migrationspolitik und für den Schutz von Menschenrechten“.
„Modernes Einwanderungsrecht“
Tatsächlich profitiert der deutsche Staat von der Verschärfung insofern, als mit der neuen Regelung deutlich weniger unkontrollierte Migration nach Deutschland stattfinden könnte. Immer wieder hatten Politiker:innen zuletzt betont, dass die Einwanderung nach Deutschland besser kontrolliert werden müsse und vorrangig Fachkräfte und hochqualifizierte Migrant:innen nach Deutschland geholt werden sollen.
Olaf Scholz sprach unter der Woche in diesem Zusammenhang davon, in Deutschland das „wohl modernste Einwanderungsrecht der Welt“ schaffen zu wollen. Die neuen verschärften Asylverfahren würden diesem modernen Einwanderungsrecht jedoch nicht, wie oft suggeriert, widersprechen. Vielmehr sind sie ein elementarer Bestandteil der Politik Deutschlands und des Verständnisses von Migrant:innen als Ressource und Profitquelle.