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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Wohnkonzerne wollen dem Mietrecht an den Kragen

Der Immobilienmarkt ist längst in der Krise angekommen. Größere Konzerne beklagen Profitverluste im letzten Jahr, die LEG kündigte bereits an, ihre Verluste über ihre Mieter:innen ausgleichen zu wollen. Vonovia und SAGA ziehen nach, sie fordern eine Reform des Mietrechts. – Ein Kommentar von Tabea Karlo.

Die Lage der Immobilienkonzerne in Deutschland ist kritisch, die Wirtschaftskrise ist auch in ihrem Sektor angekommen. In ihrem halbjährlichen Finanzstabilitätsbericht erklärte die EZB erst vor kurzem, dass die Verschuldung der Konzerne in diesem Bereich „nahe bei oder über dem Niveau vor der globalen Finanzkrise“ liege. Das entspricht etwa dem Zehnfachen ihrer Gewinne.

Diese Profitverluste versuchen die Immobilienkonzerne nun auszugleichen oder zumindest abzumildern. Die LEG Immobilien SE preschte vor einigen Wochen vor und kündigte an, die Mieten so „stark wie regulatorisch möglich“ anzuheben. Die Unternehmen Vonovia und SAGA schlagen in die gleiche Kerbe und fordern eine Reform des Mietrechts.

In der Süddeutschen Zeitung forderten der Chef des DAX-Konzerns Vonovia, Rolf Buch, und der Vorstandsvorsitzende des größten kommunalen Vermieters SAGA, Thomas Krebs, eine Anpassung des deutschen Mietrechts. Laut Buch müsse man sich die Frage stellen, „wer Schutz und günstige Mieten braucht und wer im Vergleich zu seiner Leistungsfähigkeit zu wenig zahlt“. Es soll also darum gehen, die Mieten schneller zu erhöhen. Das soll laut Buch und Krebs unter anderem dann der Fall sein, wenn man feststellt, dass Menschen in einer staatlich geförderten Wohnung leben, dies aber nicht mehr benötigten.

Mit Krokodilstränen zur Mieterhöhung

In der Süddeutschen zeigen sich Buch und Krebs von ihrer freundlichsten Seite. Natürlich müsse man günstigen Wohnraum schützen für diejenigen, die ihn wirklich benötigten, aber die „Besserverdiener“, die sollen gefälligst zahlen. Dies wird auch von Medien übernommen. NTV titelte sogar „Die Reichen brauchen keinen Schutz“.

Eine Aussage, der die meisten Arbeiter:innen sicherlich zustimmen würden. Nur darf man sich davon nicht in die Irre führen lassen. Würde es tatsächlich darum gehen, den Reichen an den Kragen zu gehen, dann müssten Buch und Krebs wohl zu allererst ihr eigenes Gehalt kürzen, bevor sie auf irgendeine Miete aufschlagen. Die beiden sind nämlich garantiert keine Mieter, sondern wie die meisten wirklich wohlhabenden Deutschen selbst Immobilienbesitzer.

Doch wenn von diesen beiden Millionären über „Reiche“ gesprochen wird, meinen sie nicht sich, sondern scheinbar alle Menschen, die nicht in staatlich gefördertem Wohnraum leben. Laut Bundesgesetz sind solche Wohnungen für solche Menschen gedacht, die – alleinstehend – weniger als 1000€ im Jahr verdienen. Solche Menschen sind tatsächlich sehr arm, das heißt aber nicht, dass Menschen, die z.B. 1500€ im Monat verdienen, auf einmal reich sind. Doch für Buch sind eben z.B. auch Handwerker, Straßenbahnfahrer oder Feuerwehrleute diejenigen, die „endlich Platz machen müssen“ für die „Bedürftigen“. Damit werden wir Arbeiter:innen untereinander ausgespielt.

Die reale Lage sieht eben für sehr viele von uns nicht rosig aus: 2021 lebten rund 8,6 Millionen Menschen in Deutschland in überbelegten Wohnungen, also mit zu vielen Menschen auf zu kleinem Raum. In den allermeisten Fällen liegt das daran, dass größere Wohnungen schlichtweg zu teuer sind. Darüber hinaus sinkt die Anzahl der Sozialwohnungen seit Jahren, da immer mehr aus der Bindung fallen und zu wenig Gegenmaßnahmen ergriffen werden. In vielen deutschen Großstädten zahlen Mieter:innen inzwischen über 40% ihres Einkommens für die Miete.

Immobilienkrise droht sich auszuweiten

Gute Mieter:innen – Schlechte Mieter:innen?

Es wird hier versucht, die Mietenden in „gute Bedürftige“ und „böse Reiche“ zu spalten. In Wahrheit sind die „bösen Reichen“ in den allermeisten Fällen aber eben nicht die anderen Mieter:innen, die ein wenig besser verdienen, sondern die Vermietenden selbst. Gerade Vonovia war in den letzten Jahren fast nonstop in den Schlagzeilen, weil das Immobilienunternehmen Mieter:innen um Geld und Leistungen betrogen haben soll.

Buch und Krebs entlarven sich letzten Endes selbst, denn in ihren Aussagen widersprechen sie sich. Zuerst heißt es: „Bei günstigen Wohnungen ist es notwendig, dass sie günstig bleiben“. Nur um kurz darauf davon zu sprechen, die Mieten „anzupassen“ (also zu erhöhen), sollte man feststellen, dass keine Notwendigkeit mehr für die Mieter:innen besteht, sozial gefördert zu werden. Damit wolle man verhindern, dass günstiger und geförderter Wohnraum dauerhaft belegt werde.

Spannend! Jetzt soll also der Mangel an günstigem Wohnraum damit bekämpft werden, die Preise günstiger Wohnungen anzuheben? Das ist nur in der Logik dieser Konzernchefs „logisch“.

Tatsache ist: hebt man den Preis einer günstigen Wohnung an, dann ist sie danach nicht mehr günstig! Es gibt dann eine günstigere Wohnung weniger auf dem Markt, aber wenigstens wird sie dann nach Vonovia & Co. nicht an irgendeinen „Reichen“ vermietet, der es wagt, mehr als den Mindestlohn zu verdienen!

Wüsste man nicht, dass Buch und Krebs profitgierige Geier sind, dann müsste man sich nach dieser Rechnung wohl ernsthaft fragen, ob sie jeden Mathe-Unterricht geschwänzt haben. Denn günstigere Wohnungen preislich „anzupassen“ bedeutet, dass es nicht mehr, sondern weniger erschwingliche Wohnungen gibt – das müsste eigentlich selbst einem Kind bewusst sein.

Allerdings wissen die beiden ganz genau was sie tun! Sie nutzen das Leid und die existenzielle Angst vieler Mieter:innen in Deutschland aus, um diese gegeneinander auszuspielen und ihre eigenen Profite zu retten.

Immobilienkonzerne sollen ihre Krise selbst ausbaden

Wir müssen uns bewusst machen, dass das Gespräch, das sich in der Süddeutschen  findet, nicht einfach ein nettes Gespräch unter zwei Gutverdienern mit etwas fragwürdigen Ansichten ist. Sondern es ist ein Mittel zweier großer Immobilienkapitalisten, um ihren Kurs für die nächsten Monate publik zu machen.

Denn die Vonovia ist der größte private Mietkonzern Europas, mit fast 550.000 Wohnungen in Deutschland, Schweden und Österreich. 490.000 der Wohnungen liegen in Deutschland. Darüber hinaus stellt auch die SAGA einen der größten kommunalen Vermieter Deutschlands dar. Sie vermietet rund 140.000 Wohnungen in Hamburg, so wie 1.400 Gewerbeobjekte. 2012 wohnten rund 300.000 Menschen, also ein Sechstel aller Hamburger, in einer Wohnung der SAGA.

Buch und Krebs sind damit zwei der einflussreichsten Männer der Immobilienbranche. Sie nutzen den Artikel gezielt, um ihre Forderungen unter die Leute zu bringen und im großen Stil Angriffe auf unsere Klasse vorzubereiten. In der jetzigen Immobilienkrise dürften sie für ihre reaktionären Forderungen in ihren Kreisen schnell Anhänger:innen finden.

Wir dürfen nicht den Fehler machen, zu warten, bis wir die Briefe zur Mieterhöhung bereits in den Briefkästen haben. Selbst wenn es nicht zu einer Mietreform kommt, so machen LEG, Vonovia und SAGA doch klar: sie wollen und werden die Mieten weiter erhöhen. Das allein sollte Grund genug für uns sein, „stop!“ zu sagen und uns damit auseinander zu setzen, welche Forderungen wir heute aufstellen und gegen sie erkämpfen müssen. Und allem voran: Wir lassen uns nicht spalten – Immobilienkonzerne sollen für ihre Krise selber blechen.

Tabea Karlo
Tabea Karlo
Perspektive-Autorin seit 2017. Berichtet schwerpunktmäßig über den Frauenkampf und soziale Fragen. Politisiert über antifaschistische Proteste, heute vor allem in der klassenkämperischen Stadtteilarbeit aktiv. Studiert im Ruhrpott.

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