Der Verfassungsschutz stuft sein ehemaliges Oberhaupt Hans-Georg Maaßen seit kurzem als „rechtsextrem“ ein. Was es damit auf sich hat, warum der Staat und die Nazis nicht nur ausnahmsweise Hand in Hand gehen und was wir dagegen tun können. – Ein Kommentar von Alex Lehmann
Sechs Jahre lang leitete Hans Georg Maaßen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), den deutschen Inlandsgeheimdienst. Seine offizielle Aufgabe war es, „die Demokratie zu schützen“. Jetzt wird er von seiner ehemaligen Behörde selbst als rechtsextremer Verdachtsfall gelistet.
Sich selbst sieht Maaßen als „Kämpfer für die freiheitlich demokratische Grundordnung, für Meinungsfreiheit, gegen Sozialismus und Faschismus, egal in welcher Farbe“. Darüber hinaus war er 46 Jahre lang CDU-Mitglied und ist seit kurzem Vorsitzender der Werteunion.
Nicht erst seit letzter Woche stramm rechts
Was für manche „eine Tragödie“ ist, war vielen Antifaschist:innen schon seit Jahren klar: So redete und spricht Maaßen beispielsweise von einer „grün-roten Rassenlehre“ und einem „Voranschreiten des Sozialismus“, die Deutschland zugrunde richten würden.
Nicht zuletzt sorgten auch seine Aussagen zur Hetzjagd in Chemnitz 2018 für große Kontroversen in vielen bürgerlichen Medien und führten letztlich zu seiner Entlassung aus dem Amt als Präsidentt des Bundesamts für Verfassungsschutz.
Damals gingen Videos durch alle Online-Plattformen und sozialen Medien. Zu sehen ist, wie Migrant:innen von deutschen Faschist:innen am Rande einer Demonstration von „Wutbürgern“ durch die Straßen getrieben, bedroht und angegriffen werden. Maaßen leugnet die Vorgänge bis heute als „Hetzjagd-Lüge“.
Einige Jahre vorher landete Maaßen in den Schlagzeilen des Landes, weil seine Behörde massenhaft sensible Daten über Einzelpersonen an den US-amerikanischen Geheimdienst NSA weitergeleitet hatte.
Nazi-Strukturen im Staat – Staat in Nazi-Strukturen
Dass Maaßen als Politiker mit Vorliebe für rechtsradikales Gedankengut jahrelang den deutschen Inlandsgeheimdienst leiten konnte, mag den einen oder anderen schockieren. Wenn man aber die Funktion und Geschichte der deutschen Geheimdienste betrachtet, lässt sich eine gewisse Kontinuität erkennen.
Ihre Hauptaufgabe ist es, die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ zu schützen. Mit anderen Worten: ihre Funktion ist die Aufrechterhaltung des Status Quo – damit auch des Kapitalismus – mit allen Mitteln.
Und welche Kräfte könnten dem Kapitalismus gefährlich werden? Ja – auch die Arbeiter:innenbewegung! Immerhin ist es die Arbeiter:innenklasse, die in diesem System schonungslos ausgebeutet wird und deshalb ein Interesse an dessen Ende haben muss.
Das im Hinterkopf behaltend, ergibt sich auch schnell, warum der Verfassungsschutz über Jahre hinweg Nazistrukturen wie die Terrorgruppe NSU mit aufgebaut, finanziell unterstützt und gedeckt hat. So kann der Staat im Fall einer immer stärkeren und organisierten Arbeiter:innenbewegung und damit bei einer ernsthaften Bedrohung des imperialistischen Staats durchaus auf faschistischen Terror zurückgreifen, um sie anzugreifen.
Veröffentlichte NSU-Akten: Der Verfassungsschutz hat nicht “versagt”, er hat seine Arbeit gemacht
So kommt es auch, dass regelmäßig neue faschistische Verschwörungen im Sicherheitsapparat entstehen, die sich eben auf genau dieses Szenario vorbereiten oder sich schon darin wähnen. Zu nennen sind hier nur als wenige Beispiele das Kreuz-Netzwerk oder die noch weniger bekannte Neigungsgruppe G.
Faschistische Kontinuität im Geheimdienst
Auch, dass dieses neue faschistische Netzwerk in der Bundeswehr mit der AfD einen starken parlamentarischen Arm hat, darf nicht vergessen werden. Eine Rolle, die vielleicht auch Maaßen mit seiner geplanten neuen Partei gerne übernehmen würde.
Auch eine andere Funktion des Faschismus scheint Maaßen bereitwillig zu übernehmen: Er hetzt die verschiedenen Teile der Arbeiter:innenklasse gegeneinander auf. Nichts anderes ist es, wenn er über „1,8 Millionen Araber“ oder „arabische und afrikanische Männer“ redet, die vorgeblich die deutsche Bevölkerung ersetzen sollen.
Zur Geschichte der deutschen Geheimdienste: Der Bundesnachrichtendienst (BND) ging aus der Organisation Gehlen hervor. Diese war benannt nach ihrem Gründer und Leiter Reinhard Gehlen, der Wehrmachtsgeneral und Leiter des anti-sowjetischen Nachrichtendienstes im Hitlerfaschismus war.
Der Verfassungsschutz wurde zwischen 1955 und 1972 vom Ex-SA-Mann Hubert Schrübbers aufgebaut und geleitet. Im 3. Reich war er jahrelang als Oberstaatsanwalt tätig und stellte beim Aufbau des neuen Inlandsgeheimdienstes der Bundesrepublik gezielt ehemalige SA-Männer ein. Ähnliche Geschichten haben auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) und das Bundeskriminalamt (BKA).
Maaßen ist kein Einzelfall!
Maaßen ist also ein sogenannter „Rechtsextremist“, der jahrelang einen deutschen Geheimdienst geleitet hat. Was erst einmal schockierend sein könnte, wirkt nach einem Blick auf die Geschichte und die Funktion eben dieses Geheimdienstes nicht mehr allzu überraschend.
Aber was nun? Den Verfassungsschutz auflösen? Oder sollte er seine Arbeit einfach ernster nehmen und mit voller Härte gegen die faschistische Bewegung vorgehen?
Das kann keine Lösung sein! Wenn der Staat so eng mit dem Faschismus verbunden ist und ihn für seine Zwecke nutzt, dann können wir doch nicht genau diesen Staat damit beauftragen gegen den Faschismus vorzugehen.
Nebenbei bemerkt: die Forderungen der Faschist:innen nach „Remigration“ und einer starken deutschen Nation werden aktuell von einer angeblich „liberalen“ Regierung, die aus „antifaschistischen“ Parteien besteht, umgesetzt. Letztendlich können wir uns nur selbst helfen, wenn es darum geht, gegen die rassistische Hetze und die faschistische Gefahr in Deutschland vorzugehen.