Der rassistische und nationalistische Kremlkritiker Alexei Nawalny ist laut russischen Behörden in Haft gestorben. Während der russische Staat weiter munter politische Feinde um die Ecke bringt, treibt der NATO-Block seine chauvinistische Aufrüstungspolitik voran. Erneut muss betont werden: Weder Putin, noch NATO! – Ein Kommentar von Konstantin Jung.
Es wirkt eigentlich viel zu skurril, als dass es wahr sein könnte: Bald jährt sich der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zum zweiten Mal, die Münchner Sicherheitskonferenz startet, der ukrainische Präsident Selenskyj wird dort sprechen, Russland selbst ist jedoch nicht vertreten – und der Oppositionelle Putin-Kritiker Alexei Nawalny wird laut russischer Gefängnisverwaltung in Haft tot aufgefunden.
Wie gewohnt überschlagen sich die Ereignisse in der globalen Geopolitik. Und zu allem Überfluss ist Nawalnys Ehefrau Julija Nawalnaja ebenso auf der Kriegskonferenz in München vor Ort. Kurz nach Eintreffen der plötzlichen Todesnachricht ihres Mannes ruft sie mit Blick auf Putin und sein Umfeld dazu auf, „dass wir uns vereinigen und dieses Böse besiegen“ sollen.
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Mutmaßungen und militärische Hetze
Es eröffnet sich nun also ein breiter Spielaum für Spekulationen und Mutmaßungen. Klar ist, dass Nawalnys Mutter Ljudmila erst Anfang der Woche noch Kontakt zu ihrem Sohn im arktischen Straflager in der Region Yamalo-Nenetsk hatte. Laut der kremlkritischen Zeitung Nowaja Gaseta beschrieb sie ihn da als „lebendig, gesund und lebenslustig“.
Klar ist auch, dass der russische Staat mit Putin als Präsident in Sachen Bekämpfung von politischen Feinden besonders skrupellos agiert und selbst für friedlichen Protest teils drakonische Strafen verhängt. Und klar ist ebenfalls, dass Nawalny im Jahr 2020 bereits eine Vergiftung mit einem militärischen Kampfstoff auf Reisen knapp überlebte und bei seiner Rückkehr nach Russland direkt festgenommen wurde.
Doch klar ist nicht zuletzt auch, dass dieser Fall für die westlichen Imperialist:innen ein willkommenes Geschenk sein wird, die verbale und militärische Aufrüstung gegen Russland und die anderen Feinde im Osten weiter voranzutreiben. Nicht zuletzt rücken Ausgaben für deutsches Militär und Krieg in Milliardenhöhe auch hierzulande durch derartige Fälle in positives Licht und erhalten vermeintliche Legitimität.
Nawalny: Kein unbefleckter „Demokrat“
Doch an diesem Punkt lässt es sich nicht vermeiden, auch über die generelle politische Einstellung des Vorzeige-Oppositionellen aus Russland zu sprechen. So spricht eine Annalena Baerbock zwar nach seinem Tod von Nawalny als einem Stellvertreter „für ein freies und demokratisches Russland“ – die Realität beweist aber eher das Gegenteil.
So nahm der russische Jurist bereits Ende der 2000er an faschistischen Demonstrationen wie dem „Russischen Marsch“ regelmäßig teil – was er zwar irgendwann sein ließ, aber nicht etwa, weil er sich von den erbrachten Inhalten distanzierte. Später wurde er auch selbst aktiv, rief rechtsradikale und stramm nationalistische Bewegungen ins Leben und veröffentlichte Videos mit Forderungen für „strenge Abschiebungen“. In ihnen werden ungewollte – meist muslimische und/oder zentralasiatische – Bürger:innen Russlands als Kakerlaken dargestellt und mit Waffen bedroht. Und homophob war er auch.
Auch Menschen, die Geflüchtete in Russland unterstützen, waren bereits mit dem radikalen Migrationskritiker aneinandergeraten. Nicht zuletzt aus diesen Gründen entzog die Menschenrechtsorganisation Amnesty International im Frühjahr 2021 Nawalnys Status als „gewaltloser politischer Gefangener“. Diese Entscheidung wurde wenige Monate später wieder revidiert, wenngleich die Distanzierung von seinen früheren Aussagen und Positionen blieb.
Einen eigenen Standpunkt herausarbeiten
Wenn diese seiner Positionen in Analysen der deutschen Medien nun mit keinem Wort erwähnt werden, dann ist das zumindest ein Grund dafür, genauer hinzuhorchen. Dadurch verlieren Nawalnys Berichte über etliche Fälle von erheblicher Korruption in der russischen Elite natürlich nicht völlig an Bedeutung. Zuletzt bleibt er für große Teile der Jugend ein großes Vorbild – die aber nicht nur regierungskritisch, sondern eben auch oft patriotisch oder gar national-chauvinistisch gesinnt ist.
An dieser Stelle ist für ernsthafte Kriegsgegner:innen also weder Platz für große Freude um seinen Tod, noch für tiefe Trauer. Ein ebenso rassistischer wie nationalistischer Patriot ist in seinem eigenen Land gestorben, womöglich umgebracht worden. Doch ist es ja ganz offensichtlich, wie bereits wenige Stunden nach der Todesnachricht die beiden Kriegsparteien ihre Geschosse auffahren und sich in militärischem Sprech üben.
Natürlich gehört es auch dazu, den imperialistischen russischen Staat mitsamt Putin als das zu entlarven, was er eben ist: Ein System zur Unterdrückung der russischen Arbeiter:innenklasse und ihrer Proteste, welches nebenbei in seinem Kampf um neue Absatzmärkte und mehr Einfluss in der Weltpolitik einen Krieg führt.
Andererseits ist da aber auch die zweite Seite, die in ihrem ganz eigenen chauvinistischen Selbstbild von einem vermeintlich „zivilisierten Westen spricht“ und währenddessen ebenso die weltweiten Kriege und Konflikte vorantreibt. Mit der Perspektive auf eine befreite Gesellschaft ohne Krieg und Unterdrückung wäre es fatal, sich überhaupt auf die Seite von einer der beiden imperialistischen Systeme zu schlagen. Viel eher ist die Zeit überreif, um erneut herauszustellen: Weder Putin, noch NATO!