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Samstag, April 27, 2024
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    „Vulkangruppe”: „Tesla abschalten!“

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    Eine linke Gruppe, die auf dem Tesla-Werk Grünheide einen Strommasten in Brand setzte, sorgt aktuell für viel Aufmerksamkeit. Was steckt hinter der „Vulkangruppe“ und wie sind die Reaktionen von Aktivist:innen und Politiker:innen einzuordnen? – Ein Kommentar von Marlon Glaiß

    In der vergangenen Woche kam es in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch zu einem Brandanschlag auf das Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide. Durch den an einem der Strommasten gelegten Brand wurde die Energieversorgung des Werks empfindlich gestört. Seither liegt der Betrieb still. Tesla hat zwar angekündigt, dass noch vor Ende der Woche eine Wiederinbetriebnahme möglich sein soll, dürfte aber dennoch empfindliche Verluste hinnehmen müssen. Zur Aktion bekennt sich die sogenannte „Vulkangruppe Tesla abschalten!“, die seitdem heiß diskutiert wird. Was und wer steckt hinter der Gruppe und ihrer Aktion?

    Sabotage gegen den Kapitalismus

    „Jeder Tesla, der brennt, sabotiert die imperiale Lebensweise und zerstört faktisch das immer enger werdende Netz einer lückenlosen smarten Überwachung jeder menschlichen Lebensäußerung.“ So heißt es in dem Bekennerschreiben, das die Gruppe auf indymedia publiziert hat. Die Öffentlichkeit ist schnell auf die Sabotageaktion in Grünheide und auf das Bekennerschreiben aufmerksam geworden, für viele schien dabei die „Vulkangruppe“ wie aus dem Nichts aufgetaucht. Dabei existiert und agiert die Vereinigung schon bedeutend länger.

    Innerhalb der letzten Jahre kam es vermehrt zu Brandanschlägen auf Strom-Infrastruktur, z.B. Kabelschächte, Strom- oder Hochspannungskabel. Dabei konzentrierten sich die Aktionen nicht immer auf Tesla-Werke sondern auch auf das Unterbrechen von Waffenlieferungen oder den Export von Atommüll. So oder so war es stets das erklärte Ziel der Aktivist:innen, dem kapitalistischen System Schaden zuzufügen. Dadurch, dass die Gruppe bisher sehr professionell arbeitete, konnten die Repressionsbehörden bisher weder Verantwortliche für einzelne Aktionen identifizieren, noch der Gruppe konkrete Personen zuordnen.

    Tesla: Bei den Anwohner:innen ungeliebt, von der Politik hofiert

    Schon lange vor dem Zeichen, das die Vulkangruppe gegen Tesla in Grünheide setzte, war der Betriebsstandort des US-amerikanischen Autobauers umstritten: Schon vor dem Bau der sogenannten „Gigafactory“ machten sich zahlreiche Anwohner:innen dagegen stark. Hunderte demonstrierten während der Planungen gegen den Standort, vor allem weil man eine Grundwasserverunreinigung sowie steigende Wasserpreise befürchtete und um das naheliegende Naturschutzgebiet bangte.

    Salzsäure und Amputationen bei Tesla-Grünheide: fast täglich ein schwerer Arbeitsunfall

    Trotz der Proteste der Bürger:innen wurde die Fabrik errichtet – und die Befürchtungen wurden Realität: In der brandenburgischen Region haben sich die Probleme mit dem Grundwasser seither tatsächlich verschärft, die Nutzung des Umlands als Erholungsgebiet ist nicht mehr möglich, und der natürliche Mischwald vor Ort wird gerodet. Nicht zuletzt ereigneten sich während des Baus der Fabrik und auch nach seiner Fertigstellung mehrere Skandale.

    Während des Baus hatte Tesla beispielsweise ohne Genehmigung Abwasserrohre verlegen lassen, systematisch gegen Ruhezeiten verstoßen und Mindestlöhne nicht gezahlt. Erst vor wenigen Wochen stimmte die bedeutende Mehrheit der Einwohner:innen von Grünheide gegen einen geplanten Ausbau der Fabrik – das Ergebnis ist aber für die Entscheidung der Gemeindevertreter:innen nicht bindend. Auch entgegen dem Willen der Bevölkerung darf das Tesla-Werk also ausgebaut werden.

    Es ist zumindest zu vermuten, dass die Tat der Vulkangruppe in einem Zusammenhang mit der Bürger:innenbefragung und den Plänen von Tesla steht, ihren Standort in Grünheide zu vergrößern.

    Am Sonntag gingen deshab rund 1.000 Anwohner:innen und politische Aktivist:innen in Grünheide auf die Straße und trugen ihren Protest gegen den Konzern in die Öffentlichkeit. Von der Vulkangruppe distanzierte sich das veranstaltende Bündnis „Tesla den Hahn abdrehen“ allerdings. Der Brand hatte unter anderem auch einen Stromausfall bei tausenden Brandenburger:innen verursacht.

    Online reagierte die Vulkangruppe jedoch, indem sie sich für den Stromausfall in den Privathaushalten und Betrieben entschuldigte. „Wir haben keine Möglichkeit gesehen, die Aktion durchzuführen, ohne dass an die 5.000 Haushalte und Kleinbetriebe fünf Stunden ohne Strom waren.“, schreibt die Gruppe. Im Vorhinein habe man leider nicht überprüfen können, ob der Strommast nur für einen Ausfall bei Tesla oder auch in privaten Haushalten sorgen würde.

    Diverse Politiker:innen verurteilten die Aktion der Vulkangruppe scharf. Hiermit beweisen die bürgerlichen Parteien einmal mehr, dass sie nicht etwa auf der Seite der normalen Bevölkerung stehen, sondern stets zum Kapital halten. Ein „Verbrechen“, das „in jeder Hinsicht falsch und in keinster Hinsicht zu akzeptieren“ sei, nannte Robert Habeck (Die Grünen) die Aktion.

    Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Aktion als Tat mit „enormer krimineller Energie“, die „durch nichts zu rechtfertigen“ sei. Die Unwissenheit der Behörden bei der Suche nach den Aktivist:innen macht den Politiker:innen sichtlich zu schaffen. Nicht nur der Fakt, dass linke Kräfte verdeckt arbeiten und bisher nicht aufgespürt werden konnten, sondern auch, dass sie mächtigen Unternehmen tatsächliche Schläge versetzen, bringt Politiker:innen wie Habeck oder Faeser als Vertretung des deutschen Kapitals in Bedrängnis.

    Es ist daher nur logisch, dass sie die Gruppe als zentrales Feindbild ausgeben. Über die zahlreichen Verbrechen während und nach Bau des Werks oder über die Stimmen des Großteils der Bevölkerung gegen den Ausbau des Konzerns hingegen verloren weder die Vertreter:innen von SPD noch Grünen auch nur ein Wort.

    Egal, welche Kampfform wir wählen, wenn wir uns gegen Umweltzerstörung, Verschmutzung oder das Abzapfen von Grundwasser und miserable Arbeitsbedingungen wehren: die Politiker:innen der „Fortschrittsampel“ werden uns also sicher nicht zur Seite stehen, sondern im Gegenteil jeden Protest scharf bekämpfen, der gegen ein solches Giga-Unternehmen gerichtet ist.

    „Tesla stoppen!“ – Widerstand gegen Ausbeutung von Natur und Menschen

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