Innerhalb der letzten drei Wochen wurden sechs Spion:innen in Deutschland festgenommen und Korruptionsvorwürfe gegen zwei faschistische Abgeordnete lauter. Einer von ihnen ist EU-Abgeordneter der AfD und TikTok-Star Maximilian Krah. Warum verraten Faschisten ihr „Vaterland“? – Ein Kommentar von Fridolin Tschernig
Allerspätestens seit zwei Monaten ist der Name Maximilian Krah in aller Munde. Jan Böhmermann stellte vor großem Publikum den EU-Spitzenkandidat der AfD öffentlich zur Schau und sprach über seinen TikTok-Berater aus dem Umfeld der Identitären Bewegung sowie sein patriarchales Weltbild – und über seine Verbindungen zu den Interessen des chinesischen Staats.
Jetzt ging alles ganz schnell: Letzte Woche Montag wurde Jian G., ein Mitarbeiter von Krah, festgenommen. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, im Europäischen Parlament Informationen über Verhandlungen gesammelt und weitergeleitet zu haben. Seit 2019 war er Mitarbeiter vom EU-Abgeordneten Krah und war auch breit in der exilchinesischen Oppositionsbewegung in Deutschland unterwegs. Und er hatte sich zeitweilig auch beim Verfassungsschutz beworben.
Praktisch gleichzeitig wurden drei weitere Personen festgenommen, die auch für den chinesischen Geheimdienst Daten gesammelt haben sollen: Sie hätten Maschinenteile für Schiffsmotoren untersuchen lassen, die auch für Kriegsschiffe hätten verwendet werden können. Und nur vier Tage davor wurden in Bayreuth zwei weitere Spione festgenommen, die für den russischen Staat deutsche und US-amerikanische Militärstützpunkte ausspähten.
Kampf gegen Spionage
Spionage, Verkauf von Informationen an andere Staaten, Sabotage oder Attentate gehören heute zum Alltag der hybriden Kriegsführung. In Zeiten der Aufrüstung wird genau diese Art der Auseinandersetzung stärker zunehmen. Das ist aber nicht nur etwas, was beispielsweise China in Deutschland macht.
Auch andere imperialistische Staaten wie Russland nutzen ihr breites geheimdienstliches Netzwerk im Ausland, um Desinformationskampagnen zu führen, Wahlen zu beeinflussen und allesamt politische Handlanger auch im Ausland zu haben. Der russische Staat geht dabei auch ganz offen damit um, dass er in Europa „Querfront“-Bündnisse fördert, um dann selbst widersprüchliche Interessenslagen für seinen Vorteil zu nutzen.
Maximilian Krah im Visier
Jetzt wurden gegen den EU-Spitzenkandidaten Krah Vorermittlungsverfahren eingeleitet. Zwei davon gleich: Eines zur Untersuchung wegen Zahlungen aus Russland und eines wegen Zahlungen aus China – beide vor allem wegen öffentlichen Drucks: Vorermittlungsverfahren sind dafür da, um überhaupt erst einen Anfangsverdacht zu ermitteln.
Der Inlandsgeheimdienst der USA, das FBI, hatte Krah im Dezember 2023 bei seinem Besuch in den USA noch befragt, weil dieser mit Oleg Woloschyn kommuniziert hatte. Dieser hält vor allem die politischen Verbindungen des russischen Staats zu Faschist:innen aus Europa aufrecht. Besonders die AfD sticht dabei immer wieder hervor.
AfD, China und Russland
Seit ihrer Gründung hat die AfD dabei eine „Russland-nahe“ politische Position: Sie tritt gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine auf, war für die Weiterführung der Gaslieferungen durch die Nordstream-Pipelines und unterstützt Russlands LGBTI+-feindliche Politik im Innern. Aber ist das nur auf Bestechungen, Spionage und Korruption zurückzuführen?
So besonders ist die AfD mit ihrer Nähe zum russischen Staat und Wirtschaft gar nicht: Die BRD hat jahrzehntelang eine wirtschaftliche Anbindung an Russland gesucht. Die Nordstream-Pipelines sind das eindrücklichste Beispiel dafür. Immer wieder hat Deutschland Handelsabkommen abgeschlossen und gerade die Rohstoffe importiert. Politiker:innen wie Gerhard Schröder, ehemaliger SPD-Bundeskanzler, haben dahingehend ganz ähnliche Positionen vertreten wie die AfD heute.
Die „deutsche“ Strategie
Aber warum – warum hat sich Deutschland Jahrzehnte lang an Russland angelehnt? Sehen können wir das eindrücklich mit dem Einbruch dieses engen Kontakts: Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wurde der deutsche Imperialismus wieder einmal zu einem kleinen Partner der USA. Wirtschaftliche Beziehungen mussten schlagartig abgebrochen werden, und die gesamte Taktik des deutschen Staates änderte sich innerhalb von Stunden: Während in der Zeit vor Februar 2022 vor allem die wirtschaftliche Unterordnung anderer Staaten gesucht wurde, wird jetzt mehr auf blanke militärische Macht gesetzt – gezwungenermaßen.
Die AfD ist der parlamentarische Arm der faschistischen Bewegung, die den deutschen Imperialismus am offensivsten vertritt. Die Partei will eine faktische Abschaffung der EU und eine Entkopplung von den USA, um mehr freie Hand in der direkten Unterwerfung anderer Staaten zu haben. Gerade die süd-osteuropäischen Gebiete sind für die deutsche Wirtschaft besonders interessant: Hier gibt es zahlreiche Staaten, die keine mächtigen imperialistischen Staaten und dadurch einfache Ziele von Ausbeutung und Unterdrückung sind.
Der deutsche Imperialismus hat sich in der Vergangenheit in diesen Gebieten auch ordentlich die Hände schmutzig gemacht: Von den angefeuerten Jugoslawien-Kriegen über die Unterwerfung Griechenlands bis hin zur Öffnung der Märkte durch die Europäische Union. Arbeitslosigkeit, Ausbeutung und Unterdrückung hat der deutsche Staat dadurch schon in viele Gebiete Süd-Ost-Europas gebracht.
Verbindungen zu Russland und China, die ebenfalls um diese Gebiete konkurrieren, werden dann auch deshalb gesucht, um Absprachen bei der Aufteilung zu treffen. Die Positionen der AfD gegen Waffenlieferungen und dergleichen sind also keine Parolen für den Frieden, sondern stehen sinnbildlich für einen außenpolitischen Kurswechsel des deutschen Imperialismus.
Wer darf Einfluss nehmen?
Die Spionage für China und offene Korruption von Faschist:innen in Deutschland sind dann die Konsequenz aus einer bestimmten politischen Haltung. Während die AfD sich also von deutschen und russischen Monopolen und dem russischen und chinesischen Staat bestechen lässt, sind auch andere bürgerliche Politiker:innen in Deutschland offen für Korruption: führen wir uns nur vor Augen, dass der Vorsitzende der stärksten Partei in Deutschland bei einem US-amerikanischen Finanzmonopol angestellt ist – Friedrich Merz von der CDU sitzt im Aufsichtsrat der Vermögensverwaltung BlackRock.
Welche imperialistische Einflussnahme also öffentlich skandalisiert wird, ist also auch von der aktuellen geopolitischen Situation abhängig. Ob nun Maximilian Krah wirklich Gelder angenommen hat oder nicht, ändert nichts am Interesse des deutschen Imperialismus, eigentlich mit Russland paktieren zu wollen und mit den USA „auf Augenhöhe“ zu agieren.
Kreuzung der Zufälle
Bemerkenswert ist bei dem gesamten Vorfall das zeitliche Zusammenfallen mit dem Verfahren gegen den faschistischen Bundestagsabgeordneten Petr Bryston (auch wegen Bestechung), den Festnahmen der sechs Spion:innen, den kommenden Wahlen (sowohl EU, als auch deutschen Landtagen) und der von der Regierung inszenierte Kampf gegen Rechts, speziell gegen Maximilian Krah.
Die deutsche Regierung könnte mit dieser womöglichen Aufdeckung noch weiter nach rechts rücken, indem sie der AfD einen geheuchelten Patriotismus vorwirft. Passend dazu wirbt auch die grüne Partei mittlerweile noch offensiver mit einem „starken Europa“ und einem „sicheren Deutschland“. Eine echte „Zeitenwende” würde außerdem legitimieren, im Innern aufzurüsten, wie es beispielsweise Bundesjustizminister Marco Buschmann formulierte.
Die Kampagne großer deutscher Medienkonzerne und die ganze Folge, die Jan Böhmermann Maximilian Krah widmete, zeigen, dass die Machtkämpfe auch zwischen den bürgerlichen Parteien ausgetragen werden – und sie zeigen, dass sich die Unternehmen und Konzerne in Deutschland nicht einig sind, welchen konkreten Kurs sie einschlagen wollen in der näheren Zukunft: Eine starke AfD würde größere Schritte Richtung Faschismus und Krieg bedeuten und eine verstärkte Entkopplung von den USA nach sich ziehen, während die Ampel-Regierung etwas langsamer in Richtung Krieg schreitet und die USA klar als Bündnispartner behalten möchte. Allerdings bedeutet „nationale Interessen vertreten“ für sie beide, dem deutschen Imperialismus jederzeit den Rücken zu stärken.