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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Rammstein spielt in Dresden – begleitet von Protesten

Die Band Rammstein geht auf Europatour. Die zahlreichen Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegen Sänger Till Lindemann sorgen nach knapp einem Jahr für neue Proteste um Konsequenzen für die Band. Dabei geht es auch um Gerechtigkeit für die Betroffenen und ein Wandel des patriarchalen Show-Geschäfts.

Im Juni letzten Jahres gingen zahlreiche Frauen an die Öffentlichkeit und warfen Sänger Till Lindemann vor, sie gewaltvoll zu Sex gezwungen zu haben. Das löste eine Welle anti-patriarchaler Proteste gegen den Sänger und mediale Aufmerksamkeit für die Fälle sexualisierter Gewalt aus. Trotzdem wurde ein Gerichtsverfahren gegen Lindemann aufgrund „mangelnder Beweise“ eingestellt.

Rammstein: Bei patriarchaler Gewalt können wir uns auf den Staat nicht verlassen!

In Deutschland führen nur 8 % aller angezeigten Vergewaltigungen zu einer Verurteilung. Knapp ein Jahr später startete am Mittwoch die zum Großteil ausverkaufte Rammstein-Europatour mit dem ersten Open-Air-Konzert in Dresden. Große Teile der Stadt wurden für die ca. 200.000 erwarteten Fans abgesperrt. Drei weitere Konzerte in der Stadt folgen im Laufe der Woche.1

Protestauftakt: Konsequenzen für Rammstein!

Am Mittwoch fand eine Demonstration unter dem Motto „Konsequenzen für Rammstein – Vor Gericht statt auf der Bühne“ statt. Das Bündnis von antifaschistischen und feministischen Gruppen fordert ein Verbot der Konzerte und eine gesellschaftliche und rechtliche Aufarbeitung der Fälle, die tatsächliche Konsequenzen für Rammstein und Till Lindemann zur Folge haben. Außerdem sollen die Einnahmen der Stadt Dresden durch die Konzerte Projekten, die Betroffene von sexualisierter Gewalt unterstützen, zugutekommen. Auch eine Petition zu den Forderungen wurde bis Mittwochabend bereits tausendfach unterschrieben.

An der Demonstration nahmen über 250 Menschen teil. Kritisiert wird auch, dass die Stadt ein Konzert, das über weite Teile Dresdens zu hören ist, genehmigt und es in der Innenstadt keinen Ort gibt, an dem die sexistischen Texte der Band nicht zu hören seien. Der Dresdner Wirtschaftsbürgermeister Jan Pratzka (CDU) hatte sich positiv zu den drei dort stattfindenden Konzerten geäußert, da durch Konsum von Gästen Einnahmen generiert würden.

Auch am Donnerstag, Samstag und Sonntag finden Rammstein-Open-Air-Konzerte in gleicher Größenordnung statt, die nicht unbeantwortet bleiben sollen. Wer in Dresden darauf verzichten möchte von der Band beschallt zu werden, kann heute um 20 Uhr ein solidarisches Gegenkonzert besuchen.

Am Samstag veranstaltet das Bündnis eine Jam-Session und am Sonntag eine Filmvorführung mit Karaoke-Abend. Diese Möglichkeiten sollen Frauen und anderen unterdrückten Geschlechtern eine Alternative bieten und sie zusammenbringen, um weiter Konsequenzen für Rammstein zu fordern und sich gegen patriarchale Gewalt im Musikbusiness und der Gesellschaft zu wehren. Unter dem Slogan Keine Show für Täter wurden schon letztes Jahr Gegenproteste organisiert, nachdem Rammstein trotz der Vorwürfe weiter Konzerte abhielt.

“Ob heute oder später – keine Show für Täter!”

Patriarchale Gewalt hat System

Patriarcharchaler Machtmissbrauch hat System in der Unterhaltungsindustrie. Dabei sind die bekannten Fälle um Till Lindemann, Luke Mockridge oder Til Schweiger keine Einzelfälle. Die Dunkelziffer liegt außerdem um einiges höher.

Nach Vergewaltigungsvorwürfen: Luke Mockridge entschuldigt sich für „spätpubertäres“ und „uncooles“ Verhalten

Oftmals trauen sich betroffene Frauen nicht, sich öffentlich zu äußern oder Anzeige zu erstatten. Gründe dafür sind Scham und psychische Probleme verbunden mit dem Erlebten. Auch finanzielle Hürden für einen Gerichtsprozess und die Machtposition, die Stars haben, machen es unwahrscheinlich, dass es einen fairen Ausgang für sie gibt. Zudem waren im Fall von Till Lindemann die Betroffenen einer öffentlichen Hetzkampagne ausgesetzt.

Wenn es dazu kommt, dass Betroffene Gerechtigkeit einfordern, ist es nicht unüblich, dass die Täter ohne Konsequenzen davonkommen. Denn die Frauen müssen die Tat beweisen, nicht der Täter seine Unschuld. Viele Frauen haben deshalb in ihrem Kampf um Gerechtigkeit kein Vertrauen in das staatliche Justizsystem. Einige schließen sich stattdessen wie diese Woche in Dresden zusammen, um gegen ihre Unterdrückung zu kämpfen.

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