`
Montag, September 9, 2024
More

    100 Jahre „Roter Frontkämpferbund”: Revolutionärer Kampf um die Straße

    Teilen

    Der „Rotfrontkämpferbund” war die wichtigste paramilitärische Organisation der Kommunist:innen in der Weimarer Republik. Gegründet 1924, kam ihm gerade im Kampf gegen faschistische Schlägertrupps wie die SA eine wichtige Rolle zu. Der RFB war dabei nicht die einzige militärische Struktur der KPD.

    Die offizielle Gründung des Roten Frontkämpferbundes (RFB) geschah im Juli 1924 im Bezirk Halle-Merseburg, der wohl stärksten Hochburg der Kommunistischen Partei im damaligen Deutschen Reich. Von hier aus ging in den folgenden Wochen und Monaten eine Welle von Gründungen neuer Ortsgruppen des Verbands aus. So entstanden RFB-Strukturen unter anderem in Braunschweig, Berlin, Cottbus und Dresden. Ende August wurde eine provisorische Bundesleitung gebildet, im Februar des Folgejahres fand der erste bundesweite Kongress statt.

    Paramilitärische Verbände der Weimarer Republik

    Wohl kaum eine Organisation hat das Straßenbild der kommunistischen Bewegung der 1920er Jahre so geprägt wie der RFB. In der Zeit der Weimarer Republik verfügten viele politische Parteien über paramilitärische Verbände: Die Faschist:innen der NSDAP hatten die SA, die Deutschnationalen den „Stahlhelm”, und SPD, Zentrumspartei sowie die liberale DDP (Deutsche Demokratische Partei) unterhielten zusammen das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold”. All diese Organisationen sammelten insbesondere ehemalige Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs in ihren Reihen.

    Der Rotfrontkämpferbund hatte dabei von Anfang an die Aufgabe, den Kampf um die Straße vor allem gegen den Aufstieg der Faschist:innen zu führen und die proletarischen Stadtviertel in Deutschland zu erobern, um dort den Weg für die sozialistische Revolution zu ebnen. Der Verband ging aus den „Proletarischen Hundertschaften“ hervor, die in den revolutionären Kämpfen zu Beginn der 1920er Jahre eine führende militärische Rolle gespielt hatten und 1923 den Aufstand in Deutschland vorbereiten sollten. Der „Deutsche Oktober“ – der Name spielt auf den Versuch an, die russische sozialistische Oktoberrevolution nach Deutschland zu tragen – scheiterte zwar am Ende. Beim Hamburger Aufstand im Oktober 1923 hatten die Kommunist:innen jedoch zumindest lokal ihre Kampfkraft klar unter Beweis gestellt und Teile der Arbeiter:innenklasse in der Hansestadt auf ihre Seite ziehen können.

    Rasantes Wachstum und tägliche Praxis

    In der Folgezeit, als die revolutionären Kämpfe in Deutschland abebbten und der Kapitalismus sich für einige Jahre stabilisierte, sollte der RFB die kämpferische Basis der kommunistischen Bewegung erweitern – was auch gelang: Angefangen mit etwa 40.000 Mitgliedern bei seiner Gründung, wuchs der Verband bis 1928 auf über 106.000 Angehörige an. Die Leitung übernahm das Politbüro der KPD unter ihrem Vorsitzenden Ernst Thälmann. Aus dem RFB heraus entstanden ab 1925 auch Frauengruppen, die sich zunächst „Rote Frauenliga“ nannten und im November 1925 schließlich den „Roten Frauen- und Mädchenbund” (RFMB) gründeten.

    Die Mitglieder des RFB wurden systematisch ausgebildet, um den faschistischen und anderen konterrevolutionären Verbänden auf der Straße wirksam entgegenzutreten. Im Frühjahr 1925 gab die Bundesführung des RFB ein Reglement heraus, das die Grundlage für ein einheitliches Kommandosystem bildete und zum Schutz von Demonstrationen und Kundgebungen angewandt wurde. Zur täglichen Praxis des RFB gehörten Agitations- und Propagandaaktionen in Stadtvierteln, mehrtägige Großveranstaltungen wie Fahnenweihen, Gegenveranstaltungen gegen SPD und Nazis – sowie eben auch Straßenkämpfe unter anderem mit der SA.

    Repression und Kontinuität

    Der deutsche Staat fürchtete die Organisiertheit, die Disziplin und den starken Ausdruck des RFB und sah in ihm eine immer größere Gefahr für die kapitalistische Ordnung. Als 1929 erneut eine schwere Wirtschaftskrise über den Weltkapitalismus hereinbrach und sich die ersten Streiks und Massenkämpfe gegen ihre Auswirkungen Bahn brachen, antworteten die bürgerlichen Parteien mit der Repressionskeule: Erst ließ der Berliner SPD-Polizeipräsident Karl Zörgiebel am 1. Mai 1929 ein Massaker an kommunistischen Arbeiter:innen verüben. Kurz darauf wurde der RFB verboten.

    Der Verband arbeitete jedoch illegal weiter und nutzte dafür eine Reihe von Tarnorganisationen wie Erwerbsloseninitiativen oder Musikkapellen. 1930 wurde schließlich der „Kampfbund gegen den Faschismus” als Nachfolgeorganisation gegründet, der in der Folgezeit ebenfalls über 100.000 Mitglieder in seinen Reihen versammelte. Die Kommunist:innen waren durch das RFB-Verbot zwar geschwächt. Jedoch schätzte die Reichswehr ihre Stärke Anfang der 1930er Jahre in einem internen Planspiel immer noch als so stark ein, dass sie sich nicht in der Lage sah, sie militärisch niederzuschlagen und gleichzeitig die Außengrenzen des Deutschen Reichs zu verteidigen.

    Nicht zuletzt auch deshalb entschieden sich alle Teile des deutschen Kapitals im Januar 1933, die NSDAP unter Hitler an die Macht zu bringen, um die revolutionäre Arbeiter:innenbewegung mit blutigem Terror zu zerschlagen. Hierfür setzte die Hitlerregierung umgehend die 400.000 Mitglieder starke SA ein, die unzählige Kommunist:innen, Sozialdemokrat:innen und andere Oppositionelle in ihre Folterkeller verschleppte, in Konzentrationslager sperrte und ermordete.

    Der RFB war Teil eines Militärapparats

    Der Rote Frontkämpferbund stand während seiner Aktivität nicht für sich allein, sondern war in eine größere militärische Struktur der Kommunistischen Partei eingebunden. Diese wurde vom sogenannten „Militärischen Apparat (”M-Apparat) angeführt, der wiederum direkt der Parteileitung unterstand und eng mit sowjetischen Expert:innen und den militärischen Abteilungen der Kommunistischen Internationale zusammenarbeitete.

    Den RFB und den späteren Kampfbund ergänzten verschiedene kommunistische Einheiten wie z.B. der „Ordnerdienst” (OD), der „Proletarische Selbstschutz” und rote Arbeitersportgruppen. Zur häufigen Praxis dieser Formationen gehörte es auch, kommunistische Funktionär:innen in faschistische Versammlungen zu begleiten, wo diese sich vor den versammelten Massen Rededuelle mit führenden Nazis lieferten. Üblicherweise mündeten diese Duelle in große Saalschlachten. Berühmt geworden ist zum Beispiel der Schlagabtausch zwischen dem KPD-Politbüromitglied Walter Ulbricht und Hitlers Chefpropagandist Joseph Goebbels am 22. Januar 1931 im Saalbau in Berlin-Friedrichshain. Ulbricht erinnerte sich später daran, wie „die großen schönen Spiegelscheiben an den Wänden zu Bruch gingen“.

    Der Rotfrontkämpferbund ist ein wichtiges historisches Beispiel für den kommunistischen Kampf um die Straße sowie für konsequenten revolutionären Antifaschismus. Nicht zuletzt die Praxis der regelmäßigen Agitprop-Aktionen und Rededuelle mit politischen Gegner:innen liefert auch ein gutes Beispiel für die Verbindung dieser Kämpfe mit dem ideologischen „Kampf um die Köpfe“ der Arbeiter:innen, einschließlich der vom Faschismus beeinflussten Massen. Die Geschichte des RFB bietet damit auch für die heutige revolutionäre Arbeiter:innenbewegung viel Lehrmaterial.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News