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Donnerstag, September 12, 2024
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    „Urlaub“ im Heimatland? – Migrationsbeauftragter will Schutzstatus aberkennen

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    Die Bundesregierung möchte den Schutzstatus von Geflüchteten bei Reisen in ihr Heimatland schneller widerrufen. Solche Reisen sind bereits jetzt stark eingeschränkt – und „Urlaub“ ist dies meist ohnehin nicht. – Ein Kommentar von Alexandra Baer.

    Der FDP-Politiker und Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Stamp, warnt Geflüchtete vor Reisen in ihre Heimatländer. In einem Interview mit der Bild-Zeitung sagte er: „Deutschland muss weltoffen bleiben, aber nicht blöd. Die Behörden müssen sicherstellen, dass Menschen, die bei uns Schutz beantragt haben, aber im Heimatland Urlaub machen, unmittelbar ihren Schutzstatus verlieren und nicht mehr in Deutschland bleiben können. Punkt.“

    Auch die anderen Parteien der Ampel-Koalition erwägen eine Verschärfung der Rechtslage für Personen mit Schutzstatus, die in ihr Heimatland reisen. So sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Sebastian Hartmann, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, dass wohl keine ernsthafte Gefahr für Leib und Leben geflüchteter Menschen drohe, wenn diese vorhätten, für Urlaub vorübergehend in ihre Heimatländer zurück zu kehren. Der FDP-Politiker Stephan Thomae forderte gar, in solchen Fällen den Schutzstatus umgehend zu widerrufen, sowie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu verhängen.

    Reise ins Heimatland ist kein „Urlaub“

    Damit greifen die Ampel-Parteien das grundlegende Recht geflüchteter Menschen an, ihre Familie und ihr Heimatland besuchen zu können. Für den Großteil der Geflüchteten stellen Reisen ins Heimatland auch keineswegs „Urlaub“ dar, sondern sind häufig die erste und einzige Möglichkeit, ihre Familienangehörigen nach langer Zeit wiederzusehen oder bestimmten familiären Anlässen wie Hochzeiten, häufiger Beerdigungen beizuwohnen. Oft müssen bürokratische Angelegenheiten auch persönlich vor Ort geregelt werden.

    Eine Reise in das Heimatland bedeutet auch nicht automatisch, dass Geflüchtete nicht mehr von staatlicher Verfolgung und Krieg betroffen sind. Im Gegenteil: Die Realität zeigt, dass sich eine Reise ins Heimatland für Geflüchtete in vielen Fällen als sehr gefährlich darstellt, da viele Länder wie Syrien oder Eritrea negativ auf das Asylgesuch in einem anderen Land reagieren.

    Reisen in Heimatländer sind bereits stark eingeschränkt

    Auch jetzt schon sind die Reisemöglichkeiten von geflüchteten Menschen per Gesetz stark eingeschränkt: Anerkannte Flüchtlinge können mit ihrem „blauen Pass“, dem Passdokument nach der Genfer Flüchtlingskonvention, nur in diejenigen Staaten reisen, die diesen Pass als Ausweisdokument anerkannt haben. Das sind weltweit bloß 100 Staaten. Und selbst dann raten Beratungsorganisationen wie der Flüchtlingsrat Niedersachsen von einer Reise ins Heimatland ab, weil bereits jetzt die Möglichkeit bestehe, dass deutsche Behörden den Schutzstatus der Person zwischenzeitlich aberkennen.

    Für Personen mit einem anderen Status, etwa „subsidiär Schutzberechtigte”, gestaltet sich das Ganze noch schwieriger: Subsidiär Schutzberechtigte – der Großteil syrischer und eritreischer Geflüchteter – können keinen „blauen Pass“ wie Geflüchtete erhalten, sondern müssen ihren Reisepass aus dem Heimatland erneuern. Für Personen aus Eritrea bedeutete das lange Zeit, dass sie bei der Botschaft Eritreas in Deutschland eine sogenannte Verpflichtungserklärung unterschreiben mussten, mit der sie sich schriftlich einer Straftat bezichtigten. Im Falle einer Einreise nach Eritrea hätte dies in den überwiegenden Fällen eine dortige Festnahme bedeutet.

    Zudem erforderte ein Reisepass, dass sie eine „Aufbau-Steuer“ in Höhe von zwei Prozent ihres Einkommens an den Herkunftsstaat bezahlen mussten – eine Maßnahme, die Geflüchteten, die aus eben diesem Staat ja fliehen mussten, kaum zuzumuten ist. Dies hat auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Jahr 2022 endlich anerkannt – zuvor mussten subsidiär Schutzberechtigte aus Eritrea jahrelang entscheiden, entweder nie begangene Straftaten „zuzugeben“ und Steuern zu bezahlen, oder eben keinen Reisepass zu erhalten.

    Abschieben oder Ausbeuten

    Die Forderung der Regierungsparteien, Reisen Geflüchteter ins Heimatland stärker zu sanktionieren, reiht sich ein in den repressiven Kurs der Ampel und die Bestrebungen der EU, das Asylrecht weiter zu verschärfen: Bundeskanzler Scholz träumt von einem gut geölten Beamtenapparat, der rund um die Uhr Menschen aus ihren Wohnungen zerrt und in ihr Heimatland abschiebt. Auch die Liste der „sicheren Herkunftsländer“, die ein geregeltes Asylverfahren für viele Betroffene nahezu ausschließt, soll erweitert werden.

    Bleiben sollen nur diejenigen, die der Bundesrepublik auch etwas nützen: Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts sollen gezielt hochqualifizierte Fachkräfte aus anderen Ländern abgeworben und nach Deutschland geholt werden. Die Arbeitskräfte sollen vor allem im Bereich der Pflege  – speziell der 24-Stunden-Pflege – und weiteren medizinischen Berufen, sowie im Bereich der Erntehelfer:innen eingesetzt werden.

    Entweder Abschieben oder Ausbeuten: Bundeskanzler Olaf Scholz stellt seine Asylpolitik vor

    Außerdem sollen Asylverfahren nach der Großreform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) für Menschen, bei denen nur 20 Prozent oder weniger der Asylanträge angenommen werden, verpflichtend schon an den EU-Außengrenzen durchgeführt werden. Dies bedeutet praktisch, dass Menschen, die vor Krieg, Vertreibung und wirtschaftlicher Not und Perspektivlosigkeit fliehen, erst in Aufnahmelager gesperrt bzw. interniert werden, bis ihr „Asylgrund“ geprüft ist – das gilt auch für Kinder mit ihren Eltern. Eine medizinische Versorgung, geschweige denn rechtliche Beratung oder anwaltliche Vertretung kann dort bislang nicht in einem ausreichenden Maße sichergestellt werden.

    Zudem soll es künftig in einem größeren Stil möglich sein, Geflüchtete in „sichere Drittstaaten“ wie die Türkei, fast alle Balkan-Staaten sowie die Maghreb-Staaten in Nordafrika abzuschieben. In solchen „Drittstaaten“ herrschen oft extrem schlechte Lebensbedingungen, es kommt zu Verfolgung durch den Staat oder andere Bevölkerungsgruppen und zu weiteren rechtswidrigen Abschiebungen in Länder wie Afghanistan oder Syrien.

    • Autorin Seit 2023. Angehende Juristin, interessiert sich besonders für Migration und Arbeitskämpfe. Alexandra ist leidenschaftliche Fußballspielerin und vermisst die kalte norddeutsche Art in BaWü.

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