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Freitag, September 20, 2024
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    Wahlbetrugsvorwurf: Die politische Basis der venezuelanischen Regierung bröckelt

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    Am 28. Juli fanden in Venezuela Präsidentschaftswahlen statt, offiziell konnte sich Präsident Maduro im Amt behaupten. Doch Unstimmigkeiten bei der Stimmenauszählung bringen hunderttausende Venezolaner:innen auf die Straßen – dabei nehmen auch die Proteste aus der linken Opposition zu.

    Lange galt Venezuela sozialistischen und kommunistischen Menschen überall auf der Welt als Hoffnungsschimmer oder wenigstens als fortschrittliches, demokratisches Land, das unsere Solidarität gegen die diplomatischen und wirtschaftlichen Angriffe der USA verdient hatte.

    Am 28. Juli wurde in dem südamerikanischen Land nach sechs Jahren wieder eine Präsidentschaftswahl abgehalten. Nach den offiziellen vom Nationalen Wahlrat (CNE) bekanntgegeben Ergebnissen setzte sich hierbei der amtierende Präsident Nicolás Maduro (Partido Socialista Unido de Venezuela) erneut mit 51,95 Prozent gegen seinen stärksten Konkurrenten des rechtsgerichteten Oppositionsbündnisses Plataforma Unitaria Democrática (PUD) durch. Dieser hieß in diesem Jahr Edmundo González und erzielte den offiziellen Ergebnissen zufolge 43,18 Prozent.

    González wird von einem ähnlichen politischen Parteienbündnis unterstützt wie jenes, das schon 2018 den Kandidaten Juan Guaidó aufstellte. Dieser war damals nach einer deutlich klareren Wahlniederlage von verschiedenen Staaten als offizieller Präsident anerkannt worden, unter anderem von Deutschland und den USA. Schon damals waren Vorwürfe des Wahlbetrugs laut geworden.

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    Dass sich die USA diesmal nicht zu einem solchen Schritt hinreißen ließen, spricht dafür, dass sie ihre Chancen, von außen einen sogenannten „regime change” in Venezuela zu erzwingen, als eher geringer einschätzen als vor sechs Jahren. Offiziell verkündete ein US-amerikanischer Regierungsvertreter nach der Wahl deshalb nur, dass man González für den legitimen Wahlsieger halte.

    Dessen Parteienbündnis wirft der Regierung unverblümt Wahlbetrug vor. Sie stützt dies unter anderem auf die Vorwürfe, dass zum einen das politische Klima in Venezuela extrem repressiv gegenüber oppositionellen Kandidat:innen sei, und zum anderen darauf, dass der Nationale Wahlrat nicht – wie in den letzten Jahren üblich – die offiziellen Auszählungsergebnisse pro Wahllokal bekanntgegeben habe. Die Partei rechnet vor, selbst einen Teil der ihnen bekannten Auszählungsergebnisse zusammengetragen und ausgewertet zu haben und dabei auf einen Wahlsieg mit etwa 67 Prozent für González zu kommen.

    Der Vorwurf des Wahlbetrugs wurde von vielen der zum Teil noch viel deutlicher unterlegenen Oppositionskandidat:innen aufgegriffen: Nach Verkündung der Wahlergebnisse durch den Nationalen Wahlrat kam es zu massenhaften Protesten in Venezuela. Maduro sprach von einem erneuten Putschversuch und ließ Polizei und Nationalgarde gewaltsam eingreifen. Medienberichte sprechen hier von mehr als 20 Toten in den ersten Tagen nach der Wahl.

    Bemerkenswert ist, dass Maduro offenbar nicht nur im Widerspruch zu Kräften steht, die politisch deutlich mehr rechts stehen. Auch die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) und einige andere linke Gruppierungen sind schon lange keine Unterstützer der Regierung mehr, wie sie es 1999 noch waren, als Hugo Chavez an die Macht kam.

    So wurde unter Federführung der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV) ein weiteres oppositionelles Bündnis unter dem Namen Demokratische Volksfront (Frente Democrático Popular) gegründet. In der Frage des Wahlbetrugs äußert es sich zwar zurückhaltender als die Partei des erfolgreichsten Oppositionskandidaten González. Sie fordert aber ebenfalls die Veröffentlichung aller Ergebnisse und wirft den Wahlbehörden Intransparenz vor.

    Vor allem aber wirft sie der Regierung vor, auf die Proteste mit „systematischen Menschenrechtsverletzungen in Verbindung mit gezielter Repression“ zu reagieren. Maduro zufolge sind 2.229 Personen wegen der Proteste in Haft. Laut der Demokratischen Volksfront befinden sich darunter diverse Personen, die wahllosen Verhaftungen zum Opfer fielen, nur weil sie sich in der Nähe der Proteste aufhielten.

    Auch die Strafverfahren gegen die Gefangenen werden kritisiert, da die Staatsanwaltschaft bisher in der Regel keine konkreten Tatvorwürfe erhoben habe, sondern die Gefangenen kollektiv unter Verdacht gestellt würden. Die häufigsten Vorwürfe lauten Terrorismus, Anstacheln von Hass, Widerstand gegen Behörden und Eingriffe in den Straßenverkehr.

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    Daneben seien durch Bildabgleich Hunderte von Beschäftigten staatlicher Betriebe entlassen worden, nachdem sie an den Protesten teilgenommen hatten. Auch dies stellt in dem seit Jahren von einer heftigen wirtschaftlichen Krise gebeutelten Land ein effektives Repressionsmittel dar.

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