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Montag, April 29, 2024
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    “Man muss kein Maduro-Fan sein, um den Putsch in Venezuela zu verurteilen”

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    Die Show-Regierung Guiadó dient zur demokratischen Legitimierung eines brutalen und koordinierten Raubzuges der mächtigsten Länder und Konzerne der Welt auf ein 30-Millionen-Einwohner-Land. – Ein Kommentar von Simon Stern

    Wenn es nach dem deutschen Außenminister Heiko Maas geht, dann wird Venezuelas Staatsoberhaupt immer noch in Washington festgelegt, ohne jede Wahl, zum Trost aber wenigstens im Namen der Demokratie. So drohte der SPD-Politiker am heutigen Sonntag gemeinsam mit anderen europäischen Regierungen, diesen Schritt kolonialer Interventionspolitik mitzugehen, sollte Venezuelas Regierung sich weigern, binnen einer Woche Neuwahlen abzuhalten. Bereits seit Jahren drehen die USA und die EU an der Sanktionsspirale gegen das in einer schweren Wirtschaftskrise befindliche Land, mit katastrophalen Folgen für die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen Importwaren.

    Die Anerkennung der sogenannten „demokratischen Legitimität“ der Staatsoberhäupter in Erdogans Türkei, in Prinz Salmans Saudi-Arabien und in Trumps‘ USA ist für die deutsche Bundesregierung kein Problem. Betrügereien, Wahlfälschungen, Monarchie und Faschismus spielen keine Rolle für die deutschen Demokratieverbreiter, solange am Ende die Profite stimmen. Im Falle des fernen Karibik-Anrainers aber klingen aus Berlin auf einmal laute Rufe nach „Freiheit und Democracy“, denn:

    Der erst am 23. Januar selbsternannte „Gegenpräsident“ des südamerikanischen Erdöllandes, der zuvor weitgehend unbekannte Politiker Juan Guaidó, repräsentiert klar und unmissverständlich die Interessen der Wall Street und der ultrareaktionären US-Regierung von Donald-Trump an einem lang ersehnten Regime Change. Das Mitglied der US-finanzierten Partei „Volkswille“, der auch der bekannte ehemalige Erdölmanager und venezolanische Oppositionsführer Leopoldo López angehört, wurde zuletzt zum Parlamentssprecher gewählt und steht in Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF).

    Putschversuch in Venezuela

    Erst linke Reformen, dann wachsender Einfluss des imperialistischen Kapitals aus China und Russland waren in den letzten 20 Jahren Symptome eines rasenden Kontrollverlustes der USA in ihrem einstigen „Hinterhof“ gewesen – in Lateinamerika und der Karibik. Venezuelas fortschrittliche Massenbewegung und die Regierungen von Präsident Hugo Chávez, und, ab 2014, von seinem Nachfolger Nicolas Maduro, waren dabei ein wichtiger Motor, weit über die Landesgrenzen hinaus.

    Nach den US-gestützten Putschen und Regime Changes gegen die gewählten Regierungen von Paraguay, Honduras und zuletzt von Brasilien, die die Ausbreitung des Einflusses der imperialistischen Rivalen aus dem Osten politisch eingedämmt haben und mit einer Welle von faschistischen Morden, sozialem Kahlschlag und Grundrechteabbau einhergingen, ist nun nach dem Willen des Weißen Hauses ein „Rollback“ in Venezuela an der Reihe: Der Druck auf die obersten Militärs, die derzeit ganze Wirtschaftszweige und Ministerien kontrollieren, soll so lange erhöht werden, bis sie sich auf die Seite von Guaidó schlagen und die lukrative Symbiose mit der Maduro-Regierung aufgeben.

    Das ist allerdings nicht der erste Versuch: Die Regierung von US-Präsident George Bush war bereits 2002/2003 mit einem Putschversuch gegen Chávez‘ Regierung gescheitert, eine breite Volksbewegung hatte die neokoloniale Diktaturregierung binnen 48 Stunden wieder aus dem Amt gejagt: Ein bis dahin einmaliges historisches Ereignis in einem Erdteil, in dem US-gestützte Staatsstreiche zuvor jahrzehntelang dutzende willfährige Diktatoren und „Demokraten“ an die Macht gebracht hatten.

    Dieser antiimperialistischen Rebellion, der Chávez 15 Jahre lang seine Wahlerfolge und seine Macht zu verdanken hatte, gilt auch die Sympathie der Millionen, die in den letzten Tagen auf den Straßen Venezuelas die ausländische Einmischung verurteilt und die Präsidentschaft Maduros verteidigt haben. Große Teile der Volksbewegung gehen dabei jedoch auch auf Abstand zu Maduro und entwickeln eine zunehmend scharfe Kritik an seinem kapitalistischen Krisenmanagement, das den Reallohn der Lohnabhängigen in den letzten Jahren um mehr als zwei Drittel gesenkt und chinesischen und russischen Großkonzernen immer mehr wirtschaftliche und politische Kontrolle übertragen hat.

    US-Regierung plante Putsch gegen Venezuelas Präsident – schon wieder

    Wer aber glaubt, durch den Regime Change könne hier etwa eine Besserung eintreten, sitzt der Propaganda von Think Tanks wie z.B. der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung auf. Die jüngste Eskalation hat, im Gegenteil, die antiimperialistischen Sympathien mit Maduros Regierung erneuert.

    Ein ganz praktischer Aspekt der Anerkennungskampagne des venezolanischen Gegenpräsidenten durch das Weiße Haus, der alsbald auch rechtsregierte Länder wie Brasilien und Israel folgten, ist zudem ein echter Raubzug gegen Venezuelas gesamte Volkswirtschaft: Das rechte venezolanische Oppositionsbündnis, dessen Gründungsparteien durch Chávez einst von der Macht verdrängt wurden, soll durch den jüngsten Schachzug nun Zugriff auf Venezuelas „Kronjuwelen“ im Ausland erhalten, unter anderem auf die Goldreserven. Der erfundenen „Gegenregierung“ sollen mithilfe der westlichen Justiz- und Repressionsapparate venezolanische Raffinerien, Tanker, Tankstellenketten und andere Teile der Export-Infrastruktur in den USA und in der Karibik überschrieben werden. Dieselben milliardenschweren Industrieanlagen waren schon in den letzten Monaten zum Ziel von Beschlagnahmungen und Erpressungen durch internationale Öl- und Goldkonzerne und Schiedsgerichte geworden. Zur demokratischen Legitimierung dieses brutalen koordinierten Raubzuges der mächtigsten Länder der Welt gegen das 30-Millionen-Einwohner-Land soll die Schaffung einer parallelen Show-Regierung dienen.

    In der US-amerikanischen Finanzoligarchie breitet sich bereits eine gewisse Hoffnung auf die Rückgewinnung Venezuelas als Absatz- und Anlagegebiet aus, wie u.a. Finanzanalysten der Wall Street in den letzten Tagen mehrfach zum Ausdruck brachten:

    Mark Mobius, Mitgründer und Partner bei Mobius Capital Partners und ehemaliger Chef des Kapitalfonds Franklin Templeton, beschreibt die Interessenlage der US-Kapitalisten am 25. Januar im Börsensender Bloomberg TV mit guter Laune, fast in Feierstimmung:
    „Als Chávez rankam, waren wir raus. Gott sei Dank… wir wurden verschont… Jetzt sind wir wieder interessiert, wenn es eine Veränderung, eine echte Veränderung an der Regierung gibt, dann wäre Venezuela wieder sehr, sehr interessant [zur Kapitalanlage]. Aber Sie müssen daran denken, dass das alles hier um Öl geht. Die USA wollen dieses Öl in den Griff kriegen, am Ende des Tages, weil Venezuela lange eine wichtige Zufuhr war, und Trump will etwa gerade [im US-Inland] die Benzinpreise drücken. Wenn wir es vom Standpunkt des Erdöls aus betrachten, können wir verstehen, was da mit Venezuela passiert gerade…“ (Link)

    Marco Rubio, einflussreicher republikanischer US-Senator für den Bundesstaat Florida, äußerte sich im selben Sender zur Wirtschafts- und Sicherheitspolitik seiner venezolanischen Wunschregierung: „…es gibt eine neue Regierung in Venezuela, die die Technologie von [dem chinesischen Technologie-Monopol] ZTE nicht mehr so nutzen wird wie bisher…“ (Link)

    Man muss also wirklich kein Fan der Bürokraten-Clique um den venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro und seiner neuen kolonialen Schirmherren in Moskau, Peking und Istanbul sein, um diesen Angriff auf Venezuelas Selbstbestimmung zu verurteilen.
    Reichen wir den antifaschistischen und antiimperialistischen Kämpfen in Venezuela gegen den laufenden „internationalen Putsch“ solidarisch die Hand!

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