`
Montag, September 16, 2024
More

    Koalitionsdiskussionen in Thüringen und Sachsen

    Teilen

    Die Landtagswahlen sind vorbei. Als Nächstes folgen nun die Verhandlungen rund um die neue Regierungsbildung in Thüringen und Sachsen – welche sich als äußerst schwierig entpuppen könnten.

    Die Landtagswahlen sind zwar vorbei, doch nun beginnen die Diskussionen zwischen den verschiedenen Parteien über die potenziellen Regierungskoalitionen in Thüringen und Sachsen. Laut der Landesverfassung muss sich der neue Landtag nämlich innerhalb eines Monats, also bis zum 1. Oktober, konstituieren. Vier Monate später wird dann der Ministerpräsident/die Ministerpräsidentin gewählt. Die Einigung auf eine Koalition wird dieses Mal jedoch aus verschiedenen Gründen eine besonders schwierige Aufgabe sein.

    Zwar ist die AfD in beiden Wahlen entweder als stärkste oder zweitstärkste Kraft aus den diesjährigen Landtagswahlen hervorgegangen und konnte damit auch die besten Wahlergebnisse ihrer Parteigeschichte einfahren. Jedoch wird sie voraussichtlich erst einmal in der Opposition bleiben müssen.

    Wandel in den ostdeutschen Landtagen

    Die bisherige rot-rot-grüne Regierung in Thüringen (SPD, Linke, Grüne) wird weichen müssen. CDU (23 Sitze), BSW (15 Sitze) und SPD (6 Sitze) erreichen jedoch keine Mehrheit und könnten damit keine regierungsberechtigte Koalition bilden.

    Eine Mehrheit – für die 45 Landtagsmandate benötigt werden – käme also nur mit der Beteiligung der Linken (12 Sitze) in Frage. Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, der eine Zusammenarbeit mit der Linken sowie der AfD verbietet, schließt eine solche Koalition aber bereits von Vornherein aus.

    CDU-Landtagsabgeordnete Martina Schweinsburg forderte deshalb jetzt, dass der Landesverband der CDU aus „Respekt vor dem Wähler“ auch mit der AfD in erste Gespräche gehen sollte. Der Thüringer AfD-Parteivize Torben Braga kündigte währenddessen an, dass der Landesvorstand beschlossen habe, sowohl CDU als auch BSW zu Gesprächen einzuladen, um zu „sondieren, ob eine gemeinsame Basis für eine Zusammenarbeit vorhanden ist“.

    In einer recht ähnlichen Situation befindet man sich in Sachsen: Hier konnten die AfD insgesamt 40, die CDU 41, das BSW 15, die SPD 10, die Grünen 7, die Linke 6 Sitze und die Freien Wähler über ein Direktmandat 1 Sitz erhalten. Hier werden insgesamt 61 Landtagsmandate benötigt, um die Mehrheit im Landtag stellen zu können. Diese könnte bisher nur mit einem Bündnis aus CDU, SPD und BSW zustande kommen.

    BSW als neuer Player

    Das neue BSW konnte innerhalb eines Jahres nach seiner Gründung im September 2023 schnell zu einer relevanten Kraft aufsteigen, die „alte“ Parteienlandschaft aufmischen und Wähler:innen verschiedener Milieus durch ihre rechten Positionen in der Asylpolitik, ihrer „diplomatischen Friedenshaltung“ gegenüber Russland und dem Ukraine-Krieg bei gleichzeitigen Forderungen nach besseren Sozialhilfen gewinnen.

    Mit ihren 15,8 Prozent in Thüringen und 11,8 Prozent in Sachsen spielt das BSW eine entscheidende Rolle, damit Koalitionskonstellationen ohne die AfD die Mehrheit in den jeweiligen Landtagen erreichen können.

    Landtagswahlen in Ostdeutschland: Ende des alten Parteiensystems?

    Damit besitzt das BSW ein gewisses Druckmittel, um seine potenziellen Bündnispartner zu Kompromissen zu zwingen und ihre Bedingungen für eine Koalition zu akzeptieren. Dessen ist sich die sächsische Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann anscheinend auch bewusst: „Wenn sich CDU und SPD nicht verändern, werden wir nicht Teil einer Koalition sein.“

    BSW auf allmählichem Kuschelkurs mit AfD

    Andererseits hat sich das BSW – wenn auch in seinen Positionen schwankend – eine Zusammenarbeit mit der AfD offen gehalten. So verkündete Thüringens BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf noch vor den Landtagswahlen im MDR, dass sie Zustimmungen für AfD-Anträge im Parlament nicht ausschließen wolle. Auch die Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht hielt sich eine Zusammenarbeit offen: „Wenn die AfD sagt, der Himmel ist blau, wird das BSW nicht behaupten, er sei grün. Daraus Koalitionsabsichten abzuleiten, ist kindisch.“

    Es bräuchte einen „anderen Umgang“ mit der AfD, als „reflexartig alles abzulehnen, was von der AfD kommt“. Auch das könnte die Partei nutzen, um Forderungen in Koalitionsgesprächen durchzubringen. So zum Beispiel die Ablehnung gegenüber der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.

    Zwar deutet alles darauf hin, dass insbesondere die CDU alles daran setzen wird, eine „AfD-lose“ Koalition zu schaffen. Die Frage ist nur, wie sehr die CDU bereit sein wird, auf die Forderungen des BSW einzugehen und welche Prinzipien sie gewillt ist, dafür aufzugeben – z.B. ihren Unvereinbarkeitsbeschluss mit den Linken in Sachsen. Ebenso bleibt spannend, welche Position das BSW mit seiner schwankenden Haltung zur AfD in den kommenden Gesprächen letztlich einnehmen wird.

    Die Frage nach der Sperrminorität

    Eine große Debatte zu den Wahlergebnissen der AfD war zudem die Diskussion rund um die „Sperrminorität” in den Landtagen. Eine Partei hat die Sperrminorität dann erreicht, wenn sie über mehr als ein Drittel der Sitze in einem Landtag verfügt. In Sachsen entspräche das 41 von 120 und in Thüringen 30 von 88 Sitzen.

    Eine Sperrminorität ist deshalb von Bedeutung, da für bestimmte Entscheidungen und Wahlen im Landtag eine Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten notwendig ist. Dazu zählen zum Beispiel Änderungen an der Landesverfassung oder die Besetzung von Richter:innenposten am Verfassungsgerichtshof des Landes.

    Keine Mücke, kein Elefant: Drei Lehren aus den Landtagswahlen

    In Sachsen hat die AfD ihre Sperrminorität verloren, nachdem ein Berechnungsfehler durch die Anwendung einer falschen Software bei der Sitzverteilung berichtigt wurde. Was in der Diskussion aber komplett außen vorgelassen wird: Die Sperrminorität hat nun die CDU inne. Ob das nun wirklich als ein viel größerer Erfolg zu verbuchen ist, bleibt angesichts der immer rechter werdenden Politik der CDU fraglich.

    In Thüringen hingegen hat die AfD mit 32,8 Prozent genügend Sitze bekommen, um eine Sperrminorität zu erlangen und bekommt damit die Möglichkeit, erheblichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung des zukünftigen Landtags zu nehmen.

    Wahlmanipulation Dresden

    In Dresden ist derweil ans Licht gekommen, dass rund 130 Wahlzettel in Radeberg und Dresden manipuliert wurden. Mittlerweile wurden die Ermittlungen wegen des Verdachts der Wahlfälschung von der Polizei an das sächsische Landeskriminalamt (LKA) übergeben.

    Auf mehr als 100 Wahlzetteln soll das ursprünglich von den Wähler:innen gesetzte Kreuz überklebt und stattdessen das Feld der faschistischen Freien Sachsen angekreuzt worden sein. Betroffen von der Wahlfälschung sind anscheinend mehrere Parteien – jedoch nicht in dem Maße, dass die Stimmen die Wahlergebnisse grundlegend verändern würden.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News