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Sonntag, September 15, 2024
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    „Made in Germany – Made by Vielfalt“ – mit Diversität gegen die AfD?

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    Mit der Kampagne „Made in Germany – Made by Vielfalt“ sprechen sich Unternehmer:innen für mehr Weltoffenheit und gegen die AfD aus. Dabei wird die AfD schon seit längerer Zeit durch (Groß-)Spenden einiger deutscher Kapitalfraktionen finanziert. Und mehr könnten sich ihr zuwenden. – Ein Kommentar von Alexandra Baer.

    „Made in Germany – Made by Vielfalt” – mit diesem Slogan wollen 50 größere und kleinere Namen der deutschen Wirtschaft wie Hipp, Otto, Vorwerk und Würth in Zeiten des Erstarkens der AfD ein Zeichen für „mehr Weltoffenheit“ setzen. Thomas Voigt, Direktor für Wirtschaftspolitik und Kommunikation der Otto Gruppe, ergänzt: „Mit der Kampagne tragen wir eine Wahrheit in die Öffentlichkeit, die wir tagtäglich in unserem Unternehmen erleben: Dass Menschen unterschiedlichster Ethnien friedlich und diskriminierungsfrei zusammenarbeiten und leben können.“

    Hinter dem Faschismus stehen unter anderem Molkereiprodukte

    Im Hitler-Faschismus haben einige deutsche Unternehmen, ohne mit der Wimper zu zucken, Profite auf dem Rücken von „vielfältigen“ Zwangsarbeiter:innen gescheffelt. Dazu gehören unter anderem IG Farben (heute Bayer), Krupp, Daimler-Benz, Volkswagen, Siemens und Hugo Boss. Vor diesem Hintergrund hört sich „Made in Germany – Made by Vielfalt“ bereits äußerst zynisch an. Daneben ist auch gar nicht so klar, wie geeint die deutsche Wirtschaft tatsächlich der AfD und drohendem Faschismus gegenübersteht.

    Tatsächlich unterstützen viele Unternehmen schon seit Jahren den Aufstieg der faschistischen AfD. Darunter ist unter anderem Theo Müller, einer der reichsten Deutschen, der sein Geld mit harmlos erscheinenden Molkereiprodukten wie Müllermilch und Joghurt mit der Ecke angehäuft hat. Er hat sich – wie er gegenüber dem Handelsblatt zugegeben hat – mehrmals mit AfD-Chefin Alice Weidel getroffen, um eigenen Aussagen zufolge über das „Programm der AfD sowie ihrer persönlichen Ansicht zur aktuellen Politik“ zu sprechen.

    Mercedes-Benz oder Müllermilch: Die deutsche Wirtschaft und die AfD

    Auch der Automobilkonzern Mercedes-Benz pflegt Kontakte zu AfD-Politiker:innen, wie das ARD-Politikmagazin Kontraste vergangenes Jahr enthüllt hatte. Öffentlich distanziert sich Mercedes-Benz von der AfD und bekennt sich zu „Toleranz, Offenheit und Fairness“. Diversität sei schließlich ein Erfolgsfaktor, so Mercedes-Benz.

    Seit 2020 haben sich zudem zwei Großspender der AfD – also Spenden ab 50.000 Euro – hervorgetan: Rechter Aktivist und Bauingeneur Hartmut Issmer und Berliner Immobilienunternehmer Christian Krawinkel. Letzterer spendete bereits im Jahr 2020 100.000 Euro an den Thüringer Landesverband der AfD – als Beitrag für „mehr Demokratie im Land“. Später machte er jedoch einen Rückzieher und verlangte das Geld zurück. Offiziell begründete er dies mit „verfassungsfeindlichen und undemokratischen Tendenzen“, die ihm vorher nicht bekannt gewesen sein sollen. Oder hat er vielleicht einfach nur gemerkt, dass die Gesellschaft gerade noch Diversität und antifaschistische Wokeness feiert und Nähe zur AfD gerade noch nicht überall gut ankommt?

    Im Jahr 2022 erhielt die AfD zudem 104.240 Euro an Spenden von Unternehmen, Verbänden und anderen Organisationen und auch im ersten Halbjahr des Folgejahres hat die AfD mit 265.000 Euro von allen Parteien die meisten Großspenden erhalten.

    Faschistische AfD erhält die meisten Großspenden

    Noch nicht alle Kapitalfraktionen an AfD-Regierung interessiert

    Es scheint jedoch auch so zu sein, dass sich die führenden Unternehmen Deutschlands noch nicht ganz einig darüber sind, welche Strategie sie für ihre Profitmaximierung verfolgen. Momentan möchte das deutsche Großkapital überwiegend das deutsche „exportorientierte“ Wirtschaftsmodell beibehalten, was auf „freiem Handel“ und guten Beziehungen zu verschiedenen Weltmächten beruht. Sollte ein „freier Handel“ wegen internationaler Spannungen und Kriegen nicht mehr möglich sein – wie es beispielsweise bei einem Krieg zwischen den USA und China um Taiwan der Fall sein könnte – könnte sich die Linie des deutschen Kapitals jedoch rapide ändern.

    Gleichzeitig gibt es aber auch jetzt schon Unternehmen, die zukünftig stärker ein Bündnis mit Russland als ein transatlantisches Bündnis anstreben. Für diese bietet sich die AfD schon jetzt eindeutig besser als Interessenvertretung an.

    AfD-Parteitag: wie ist die Geostrategie der Faschist:innen zu verstehen?

    Unternehmen setzen für Profite auf Diversität

    Zudem setzen führende Teile des Monopolkapitals zurzeit noch darauf, Deutschland als attraktiven Standort für dringend benötigte internationale Arbeitskräfte nicht durch eine allzu reaktionäre Stimmung zu zerstören. So sagte der Chef des Wirtschaftsverbands Thüringen, Christian Kreft, gegenüber dem Handelsblatt: „Wenn die AfD in Thüringen an die Regierung kommt, dann haben wir ein Riesenproblem, weil das eine sehr abschreckende Wirkung auf die Zuwanderung nach Thüringen hätte, sowohl aus dem Ausland als auch aus anderen Bundesländern.“

    Tatsächlich ist es so, dass 5,7 Prozent der gesamten Bruttowertschätzung in Thüringen – dies entspricht 3,9 Milliarden Euro – durch ausländische Arbeitskräfte erarbeitet wird (Stand Ende 2023). In den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bringen ausländische Arbeitskräfte 24,6 Milliarden Euro in die Kassen der Unternehmen, was 5,8 Prozent der gesamten Bruttowertschätzung darstellt. Auch der Anteil von ausländischen Arbeitskräften hat sich in diesen Bundesländern seit 2018 auf rund 8,6 Prozent verdoppelt. Ein Großteil von ihnen kommt aus osteuropäischen Ländern wie Polen, Tschechien und Rumänien, aber auch geflüchtete Menschen aus der Ukraine oder den bedeutendsten außereuropäischen Asylherkunftsländern machen einen immer größeren Anteil der Arbeiter:innen aus.

    (Ost-)Deutsche Unternehmen sind zurzeit also noch auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen und befürchten eine Abwanderung dieser Arbeitskräfte, sollte eine rassistische und faschistische Partei in der Regierung sitzen. Für viele von ihnen ist die (öffentliche) Unterstützung der AfD gerade noch nicht vorteilhaft – jedoch positionieren sie sich mit ihrem Slogan „Made in Germany – Made by Vielfalt“ nicht aus „Toleranz und Weltoffenheit“ gegen die AfD, sondern um sich ihre Profite zu sichern. Man könnte also auch sagen „Made in Germany – Made by internationale Ausbeutung“.

    • Autorin Seit 2023. Angehende Juristin, interessiert sich besonders für Migration und Arbeitskämpfe. Alexandra ist leidenschaftliche Fußballspielerin und vermisst die kalte norddeutsche Art in BaWü.

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