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Donnerstag, September 19, 2024
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    Änderung des BKA-Gesetzes: Mehr Befugnisse, mehr Überwachung

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    Heimliche Durchsuchung von Wohnungen und Installation von Staatstrojanern, biometrische Überwachung im Internet und automatisierte Datenanalyse – all dies soll dem Bundeskriminalamt zukünftig erlaubt sein. Der Gesetzesentwurf zur Änderung des Bundeskriminalamtsgesetzes und weiterer Gesetze, den Innenministerin Nancy Faeser kürzlich vorgelegt hat, sieht eine deutliche Erweiterung der Befugnisse des Bundeskriminalamts und der Polizei vor – zu Lasten der Grundrechte und im Widerspruch zu dem, was im Koalitionsvertrag festgelegt wurde. – Eine Einordnung von Alexandra Baer.

    Innenministerin Nancy Faeser hat kürzlich einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Bundeskriminalamtsgesetzes (BKAG) und weiterer Polizeigesetze vorgelegt, der dem Bundeskriminalamt (BKA) weitreichendere Befugnisse zugestehen soll. Der Gesetzesentwurf widerspricht in vielen Teilen ganz offen dem, was im Koalitionsvertrag festgelegt wurde.

    So soll das BKA zukünftig in Wohnungen einbrechen und sie durchsuchen dürfen, ohne dass die Betroffenen etwas davon wissen. Bisher ist es für die Polizei nur möglich, Hausdurchsuchungen durchzuführen, wenn sie einen Durchsuchungsbeschluss haben, der dem/der Wohnungsinhaber:in vorzulegen ist. Betroffene haben grundsätzlich das Recht, bei der Durchsuchung der Wohnung anwesend zu sein. Ist der/die Wohnungsinhaber:in nicht da, können auch andere Personen Zeug:innen sein.

    Voraussetzung für eine heimliche Wohnungsdurchsuchung ist nach dem Gesetzesentwurf, dass mutmaßlich ein Anschlag des internationalen Terrorismus geplant ist, der „den Staat, das Leben oder die Freiheit von Bürgern“ oder Sachen von „allgemeinem Interesse“ bedroht. Zudem bedarf es weiterhin einer richterlichen Genehmigung der Durchsuchung.

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    Justizminister Marco Buschmann bestritt, dass es in Zukunft geheime Durchsuchungen von Wohnungen geben soll. Gegenüber der Bild-Zeitung sagte er auf X: „Es wird keine Befugnisse zum heimlichen Schnüffeln in Wohnungen geben. Im Staat des Grundgesetzes machen wir so etwas nicht. Das wäre ein absoluter Tabubruch. Als Verfassungsminister lehne ich solche Ideen ab. Sollte jemand das ernsthaft vorschlagen wollen, wird ein solcher Vorschlag weder das Kabinett passieren noch wird es eine Mehrheit im Parlament dafür geben.“

    Heimliche Installation von Staatstrojanern

    Bei der heimlichen Durchsuchung von Wohnungen soll es auch möglich sein, sogenannte Staatstrojaner auf Computern und Smartphones zu installieren. Damit können Inhalte der Festplatte an die Polizei verschickt oder verschlüsselte Gespräche und Nachrichten überwacht werden.

    Eine solche geheime Installation von Spähsoftware auf technischen Geräten ist für die Polizei die effizienteste Möglichkeit, Zugriff auf diese Geräte zu erlangen. Laut Nancy Faeser ist die „technisch sicherste und schnellste Möglichkeit“, einen Trojaner zu installieren, wenn die Polizei das Gerät in den Händen hat. Sollte der Gesetzesentwurf durchkommen, wird es also für die Polizei in Zukunft einfacher werden, Computer und Smartphones zu überwachen – auch wenn die Kommunikation auf diesen Geräten verschlüsselt ist. Das BKA darf zwar bereits seit 15 Jahren Staatstrojaner einsetzen, bisher ist es jedoch nicht erlaubt, heimlich Wohnungen betreten, um Überwachungssoftware zu installieren.

    Der Gesetzesentwurf zum BKAG steht auch im direkten Widerspruch zu dem, was im Koalitionsvertrag zu Staatstrojanern vereinbart steht. Dort heißt es: „Für den Einsatz von Überwachungssoftware, auch kommerzieller, setzen wir die Eingriffsschwellen hoch“. Sollte der Gesetzesentwurf von Faeser Realität werden, werden die Eingriffsschwellen für den Einsatz von Überwachungssoftware jedoch deutlich niedriger gesetzt werden.

    Trotz der weitreichenden Grundrechtseingriffe durch eine heimliche Installation von Staatstrojanern ist nicht davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Regelung kippen wird: Mecklenburg-Vorpommern hat der Polizei ein solches Vorgehen – hier aber häufig durch E-Mails der Polizei mit manipulierten Anhängen – bereits 2020 erlaubt, was vom Bundesverfassungsgericht überprüft und nicht beanstandet wurde.

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    Auch Edith Kindermann, Präsidentin des Deutschen Anwaltsvereins, kritisierte den Gesetzesentwurf vom Innenministerium zum BKAG: „Wenn Bürgerinnen und Bürger nicht mehr sicher sein können, ob der Staat vielleicht hinter ihrem Rücken in ihre Wohnung eingedrungen ist, um IT-Geräte zu infiltrieren, gerät der Rechtsstaat in seinen Grundfesten ins Wanken.“

    Biometrische Überwachung im Internet

    Der Gesetzesentwurf sieht außerdem vor, dass das BKA sowie die Bundespolizei und alle Polizeibehörden biometrische Daten von Personen mit Daten im Internet wie z.B. Bildern in sozialen Netzwerken abgleichen dürfen. Möglich wäre es dann, beispielsweise Videos der Polizei mit Bildern aus den sozialen Netzwerken zu vergleichen, wofür Gesichtserkennungstools wie Clearview AI und PimEyes verwendet werden könnten. Dabei soll die Polizei nicht nur nach Verdächtigen suchen dürfen, sondern auch nach „Opfern, Zeug:innen und Kontaktpersonen“. Und für die Suche sollen nicht nur „Lichtbilder und Fingerabdrücke“, sondern auch Identifizierungsmerkmale wie „Bewegungs-, Handlungs- oder Sprechmuster“ verwendet werden dürfen.

    Damit würden die Befugnisse der gesamten Polizei zur Überwachung des Internets immens ausgeweitet werden. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu jedoch noch: „Den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken lehnen wir ab. Das Recht auf Anonymität sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet ist zu gewährleisten.“

    Der Gesetzesentwurf soll es zudem möglich machen, verschiedene Datenbestände, die die Polizei verwendet, zusammenzuführen. Mit einer solchen „automatisierten Datenanalyse“ soll „neues Wissen erzeugt werden“.

    Hamburg und Hessen hatten bereits versucht, automatisierte Datenanalyse in ihren Polizeigesetzen einzuführen. Dieser Vorstoß wurde jedoch 2023 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft und die Regelungen in den jeweiligen Ländern wurden gekippt. Nun möchte das Innenministerium dies für alle Bundesländer und alle Polizeibehörden doch wieder einführen. Zwar nur bei „Straftaten von erheblicher Bedeutung“, die Datensätze sollen aber schon ohne einen konkreten Verdacht bereits zusammengeführt werden.

    • Autorin Seit 2023. Angehende Juristin, interessiert sich besonders für Migration und Arbeitskämpfe. Alexandra ist leidenschaftliche Fußballspielerin und vermisst die kalte norddeutsche Art in BaWü.

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