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Freitag, Juni 28, 2024
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    Zwei Jahre Abtreibungsverbot in den USA

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    Das Abtreibungsverbot in den USA, das Abtreibungen mehrheitlich sogar nach einer Vergewaltigung illegalisiert, jährt sich am 24. Juni zum zweiten Mal. Für amerikanische Frauen geht die grausame Realität weiter. – Ein Kommentar von Anna Müller.

    Am 24. Juni 2022 wurde das sogenannte „Roe v. Wade“-Gesetz in einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs abgeschafft. Für fast 50 Jahre hatte dieses das Recht auf Abtreibung in der Verfassung der USA verankert. Seitdem haben Frauen in 14 Bundesstaaten im Prinzip kein Recht mehr auf Selbstbestimmung über ihren Körper.

    In neun Staaten werden sogar Abtreibungen nach Vergewaltigungen oder bei Inzest kriminalisiert. Zudem gehen vor allem die Obergerichtshöfe der Bundesstaaten extrem repressiv gegen Frauen vor und nehmen ihnen durch absurde Urteile immer wieder jegliche Möglichkeit, eine Schwangerschaft abzubrechen.

    Texas: Generalstaatsanwalt verbietet gesundheitlich notwendige Abtreibung

    Frauen- und wissenschaftsfeindliche Anschuldigungen

    Weil sie selbst eine medikamentöse Abtreibung bei sich vornahm, wurde in Texas eine Frau des Mordes beschuldigt – sogar bevor „Roe v. Wade” gekippt wurde. Daraufhin musste sie zwei Nächte in Haft verbringen, bevor die unrechtmäßigen Anschuldigungen fallen gelassen wurden.

    Die Anklagepunkte decken sich in Fällen wie diesem mit der wissenschaftsfeindlichen Argumentation von christlichen Fundamentalist:innen: Abtreibungen werden zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft als Mord und jeder Fötus als Mensch, der Teil der Gesellschaft ist, gesehen. Frauen, die abtreiben, werden folglich als Mörderinnen betrachtet und verfolgt.

    Im Mai diesen Jahres wurde ein weiteres Gesetz in Florida verabschiedet, das Frauen noch stärker kriminalisiert. So sind Schwangerschaftsabbrüche in den wenigen erlaubten Fällen grundsätzlich nur noch bis zur sechsten anstelle der 15. Schwangerschaftswoche möglich. Den meisten Frauen ist jedoch bis zur sechsten Schwangerschaftswoche nicht einmal bewusst, dass sie schwanger sind. Mit der Änderung wird ihnen also von vornherein die Möglichkeit genommen, sich für eine Abtreibung zu entscheiden.

    65.000 Schwangerschaften nach Vergewaltigungen

    Vor allem das Verbot für Schwangerschaftsabbrüche nach Vergewaltigungen ist erschreckend – besonders, wenn man sich die Zahl an Vergewaltigungen in diesen Bundesstaaten anschaut: In 18 Monaten gab es in den 14 Bundesstaaten, die Abtreibungen kriminalisieren, über eine halbe Millionen Vergewaltigungen, so das Justizministerium und FBI. Dabei handelt es sich auch um nicht zur Anzeige gebrachte Fälle, da die angezeigten eine absolute Minderheit sind.

    65.000 dieser Vergewaltigungen im Zeitraum vom 01.07.2022 bis zum 01.01.2024 führten zu einer Schwangerschaft. 91 Prozent dieser Fälle fanden in eben jenen Bundesstaaten statt, die selbst nach einer Vergewaltigung, also einer grausamen Form der Gewalt gegen Frauen, verbieten. Die Kriminalisierung der Abtreibung in diesen Fällen raubt den Frauen die Selbstbestimmung über ihren Körper und setzt sich bewusst über ihren Willen hinweg.

    In den fünf Bundesstaaten, in denen Frauen im Falle einer Vergewaltigung eine Abtreibung noch erlaubt wird, ist der Zugang trotzdem sehr schwer und der Grund dafür, dass es zu weniger als zehn legalen Abtreibungen pro Monat kommt.

    Abtreibungen finden trotzdem statt

    Währenddessen steigen die Zahlen von Schwangerschaftsabbrüchen in den Teilen der USA, die noch eine verhältnismäßig liberale Gesetzgebung dazu haben, massiv an. Frauen überqueren teilweise mehrere Bundesstaatengrenzen, um Zugang zu Abtreibungskliniken zu erhalten. Das „Guttmacher Institute” berichtet von über 171.000 Personen, die 2023 durch die USA reisen mussten, um eine sichere Abtreibung durchführen zu können. Jede fünfte Abtreibung war nur durch das Reisen in einen anderen, oft weit entfernten Bundesstaat möglich.

    Zudem wird die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche seit 2020 auf eine Million geschätzt, die höchste Anzahl an Abtreibungen gab es demnach im Jahr 2023. Der erhoffte Effekt, Abtreibungen würden weniger bis gar nicht stattfinden, tritt also nicht ein. Die Gesetzesverschärfung führt im Gegenteil in vielen Bereichen zu massiven Problemen und Verstößen gegen die persönlichen Rechte.

    Es wird befürchtet, dass Abtreibungskliniken aufgrund der eingereisten Patient:innen in Zukunft Probleme damit haben werden, den Bedarf zu decken. Der Sturz des „Roe v. Wade“ betrifft also auch Frauen in Bundesstaaten, die Abtreibungen erlauben und erschwert diese auch dort zunehmend.

    Rückschrittliche Gesetzgebung im „fortschrittlichen“ Westen

    Die Situation in den USA zeigt, dass bereits erkämpfte Rechte von Frauen schnell rückgängig gemacht werden können. Damit sind Frauen nicht nur dauerhaft psychischer, physischer und sexualisierter Gewalt im Alltag durch Freunde, Familie oder Fremde ausgesetzt. Auch der Staat bringt Frauen keine Sicherheit. So ist es nicht nur ein Mann, häufig aus dem eigenen Umfeld, der einen vergewaltigt, sondern auch der Staat und seine Richter, die Frauen ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung nehmen. Frauen wird somit an unzähligen Stellen vermittelt, dass ihre Körper gar nicht ihnen gehören würde, sondern dass Männer darüber entscheiden können.

    Auch ein liberales Abtreibungsgesetz in westlichen Ländern bedeutet keine Freiheit und Sicherheit für Frauen. Dieser Fall zeigt eindrücklich, dass der Staat bestimmt und, wenn er möchte, die Rechte von Frauen bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.

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