`
Samstag, Mai 11, 2024
More

    Nazi-Mord an Walther Lübcke: Geheimdienst versuchte, mutmaßlichem Mordhelfer Markus H. als Spitzel anzuwerben

    Teilen

    Anfang Juni wurde der CDU-Politiker Walther Lübcke in seinem Wohnhaus mit einem Kopfschuss ermordet. Neben dem hauptverdächtigen Neonazi Stephan E. soll auch sein rechts gesinnter Freund Markus H. Beihilfe zum Mord geleistet haben. Bisher hatte der deutsche Inlandsgeheimdienst jegliche Verbindung zwischen den beiden Nazi-Terroristen verneint. Das war offenbar gelogen. So gab es im März 1998 mindestens zwei Anwerbe-Versuche von Markus H. als Geheimdienstspitzel.

    Der hessische Geheimdienst hat sich im März 1998 zwei Mal mit Markus H. getroffen, um ihn als sogenannte „V-Person“ anzuwerben.  Das geht aus Dokumenten des Landesamts für Verfassungsschutz Hessen hervor, die der NDR einsehen konnte. Eine V-Person ist ein bezahlter Spitzel eines Geheimdienstes, über den der sowohl Informationen erhält als auch die Entwicklung einer Szene oder Organisation steuern kann.

    Die Anwerbe-Operation begann bereits im Jahr 1997. Ein zweites Treffen fand im März 1998 statt. Hier soll ein Geheimdienstmitarbeiter Markus H. von Zuhause abgeholt haben und sich mit ihm in einem Café unterhalten haben – etwa drei Stunden lang. Anschließend wurde er wieder nach Hause gefahren.

    V-Mann oder etwas anderes?

    Nach NDR-Informationen lehnte H. eine Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst ab. Der Anwalt von H. ließ eine Anfrage zu der Anwerbe-Aktion unbeantwortet. Auch das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) wollte sich auf NDR-Anfrage zu dem Anwerbeversuch nicht äußern.

    Der Geheimdienst betont jedoch, dass die beiden Beschuldigten in dem Verfahren wegen des Mordes an Lübcke “zu keinem Zeitpunkt als V-Personen für das LfV Hessen tätig” gewesen seien. Es habe “keinerlei Zusammenarbeit” gegeben.

    Rechter Geheimagent Andreas Temme war „dienstlich“ mit mutmaßlichem Lübcke-Mörder befasst

    Doch es gibt weitere Verdachtsmomente, dass es in Wirklichkeit eine direkte Zusammenarbeit mit Markus H. gab. So fand am 15. Januar 2020 eine Sitzung des „Ausschusses für Inneres und Heimat“ statt. Auf die Frage, ob H. Mitarbeiter einer Behörde gewesen sei, wollte die Generalbundesanwaltschaft (GBA) nicht direkt antworten. Es sei zwar bekannt, man dürfe jedoch keine Auskunft geben. Zuvor war dies jedoch bei Stephan Ernst direkt verneint worden. Damit liegt es nahe, dass es eine solche Zusammenarbeit gegeben hat. Vielleicht sogar mehr als nur einen Anwerbeversuch(?).

    Der rechte Verfassungschützer Andreas Temme, sein Vorgesetzter und eine Kollegin im Kasseler Büro des hessischen Verfassungsschutzes hatten um das Jahr 2006 mindestens fünf V-Personen in der Kasseler Neonaziszene. Von diesen ist bislang nur Benjamin G. namentlich bekannt geworden. Er hatte enge Kontakte zum mutmaßlichen Lübcke-Mörder Stephan E.. Offen bleibt: Welche Rolle spielte Markus H.?

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News