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Freitag, April 26, 2024
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    Wirtschaftskrise: Droht eine Welle von Bankenpleiten?

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    Unter Wirtschaftsexperten geht die Angst vor einer neuen Bankenkrise um. Ein kritischer Moment ist der Jahreswechsel, wenn zahlreiche deutsche Unternehmen wieder verpflichtet werden, Insolvenz zu beantragen. Die Europäische Zentralbank drängt die Großbanken des Kontinents in einem Brandbrief zur Risikovorsorge.

    Führt der zweite Corona-Lockdown direkt in die nächste Bankenkrise? Schaut man in diesen Tagen in die Wirtschaftsteile von Zeitungen und Online-Medien, wird man immer wieder auf diese Frage stoßen. Am Freitag berichtete das Handelsblatt über einen Brandbrief, den die Europäische Zentralbank (EZB) an die Großbanken der Eurozone verschickt hat.

    Darin äußert sich Andrea Enria, oberster Bankenaufseher der EZB, unzufrieden mit der Risikovorsorge zahlreicher Geldhäuser. Es gebe eine ganze Gruppe europäischer Banken, die in der Krise einfach abwarte, was passiert. Dabei geht die EZB schon seit längerem davon aus, dass es in dieser Krise zu mehr Kreditausfällen kommen könnte als während des großen Bankencrashs von 2008. Im Extremfall könnten sich die faulen Kredite demnach auf bis zu 1,4 Billionen Euro summieren. Laut der Ratingagentur Moody’s sind besonders Banken in Italien und Indien gefährdet.

    Bankenkrise in Deutschland?

    Doch eine Bankenkrise könnte auch in Deutschland drohen: Im Sommer hat das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) verschiedene Szenarien hierfür vorgestellt. In einer der optimistischeren Varianten würden Wirtschaftskrise und Corona-Lockdowns zu Dutzenden Bankenpleiten in Deutschland führen.

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    Kommt es richtig schlimm, könnten 28 Prozent aller deutschen Geldinstitute vor dem Aus stehen. Das entspräche einigen hundert Banken bzw. Sparkassen.

    Ein großes Risiko sehen Beobachter:innen in einem rasanten Anstieg der Firmenpleiten nach dem Jahreswechsel. Dann nämlich greift für überschuldete Unternehmen wieder die Pflicht, Insolvenzanträge zu stellen. Diese Pflicht hatte die Bundesregierung angesichts des heftigen Kriseneinbruchs im März vorläufig ausgesetzt.

    Zahlreiche Stellen wie das Institut für Wirtschaft (IW) und der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) warnen deshalb vor einer wachsenden Zahl von „Zombieunternehmen“, also Firmen, die eigentlich nicht überlebensfähig sind, sich aber momentan noch durch billige Kredite über Wasser halten. Auch die staatlichen Hilfen für Umsatzausfälle von kleinen Firmen sollen im neuen Jahr zurückgefahren werden.

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    In der Folge ist zum jetzigen Zeitpunkt relativ unklar, wie viele Kredite in Deutschland genau ausfallgefährdet sind. Bezüglich der Zahl der Insolvenzen rechnet die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) mit einer Steigerung um 40 Prozent im nächsten Jahr. Auch die Deutsche Bundesbank warnt, dass im ersten Quartal 2021 deutlich mehr Firmen pleitegehen werden und damit die Zahl der Kreditausfälle steigt.

    Ihre Schätzung für ausfallende Kredite beläuft sich auf 0,8 Prozent des gesamten Kreditbestands, was zunächst wenig klingt, sich aber in absoluten Zahlen auf 13 Milliarden Euro beläuft. Besonders gefährdet sind kleinere Firmen wie in der Gastronomie, im Einzelhandel oder dem kleinen Handwerk, die von den Corona-Lockdowns hart getroffen worden sind. Fallen Kredite bei diesen Firmen aus, würde das vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken bedrohen.

    Vertreter:innen der Bankbranche wiegeln zum jetzigen Zeitpunkt zwar ab und verweisen darauf, dass sie viel bessere Kapitalpuffer haben als 2008. Sparkassen und Genossenschaftsbanken würden zudem füreinander haften und könnten Insolvenzen durch Zusammenschlüsse verhindern. Doch erstens dürften einige der schwächsten Banken eine Krise trotzdem nicht überstehen, wie auch Felix Hufeld, Chef der Finanzaufsicht Bafin, feststellt.

    Zweitens dürften auch Zusammenschlüsse im Bereich der Sparkassen und Genossenschaftsbanken am Ende Filialschließungen und Stellenabbau nach sich ziehen. Bereits 2019 ist die Zahl der Beschäftigten bei Banken und Sparkassen um gut 10.000 gesunken und liegt aktuell bei ca. 560.000.

    Euro-Bankenaufseher Enria jedenfalls will sich nicht auf den Optimismus der Branche verlassen. Bis zum 31. Januar 2021 müssen die Führungsgremien der Banken auf sein Schreiben antworten und erklären, wie sie mit den Kreditrisiken konkret umgehen wollen. Darüber hinaus will die EZB „eine breite Palette von Aufsichtsinstrumenten“ einsetzen. Eine Neuauflage von 2008 will man offenbar unbedingt verhindern. Damals stand der internationale Zahlungsverkehr kurz vor dem Zusammenbruch.

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