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Freitag, April 26, 2024
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    Verfassungsbeschwerde in Münster gegen das neue Versammlungsgesetz Nordrhein-Westfalens eingereicht

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    Nach Inkrafttreten im vergangenen Jahr landet die Novelle des umstrittenen Versammlungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) jetzt vor dem Landesverfassungsgericht in Münster. Der scharfe Eingriff in die Versammlungsfreiheit soll laut den Beschwerdeführern verfassungswidrig sein.

    Am Mittwoch, den 04.01.2023, haben die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) gemeinsam mit dem Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen“ eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.

    Die Novelle des Landesversammlungsgesetzes trat im 07.01.2022 in Kraft und wurde von der schwarz-gelben Mehrheit im Landestag am 15.12.2021 beschlossen. Das Versammlungsgesetz NRWs gilt seitdem als das restriktivste aller Bundesländer.

    Schon im Jahr 2021 hatte es große Proteste mit heftigen Ausschreitungen seitens der Polizei gegeben. Seite an Seite versuchten sich Fußballfans, Datenschützende, Politiker:innen, Klimaaktivst:innen, Antifaschist:innen, Antikapapitalitist:innen, Gewerkschafter:innen, Jurist:innen und weitere Gruppierungen den Verschärfungen des Versammlungsrecht und damit Beschneidung der grundrechtlich geschützten kollektiven Meinungsfreiheit zur Wehr zu setzen.

    Trotz dieser massiven Proteste wurde das Gesetz verabschiedet. Das Bündnis wählt neben den Protesten auf der Straße einen weiteren Weg, um gegen diese Einschränkungen vorzugehen: die sieben Verfassungsrichter:innen sollen das Gesetz prüfen.

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    Ausgangspunkt der damaligen Proteste und der jetzigen Beschwerde sind die Ausweitungen der polizeilichen Befugnisse in Zusammenhang mit Versammlungen in NRW.

    Nach der Novelle sind Versammlungen auf Autobahnen schlicht verboten. In Zusammenhang mit der Klimabewegung und der zentralen Bedeutung der Verringerung des Individualverkehrs wird mit dieser Reglung massiv in die Selbstbestimmung der Bewegung über die eigene Versammlung eingegriffen sowie deren Außenwirkung von vornherein geschmälert.

    Darüber hinaus steht diese Ausnahme im Gegensatz zur gefestigten Rechtsprechung, dass auch Demonstrationen auf Autobahnen von der Versammlungsfreiheit geschützt werden. Es wirkt schon fast kurios, dass Autobahnen durch die schwarz-gelbe Regierung mehr geschützt werden als NS-Gedenkstätten, an denen kein allgemeines Verbot gilt.

    Neu ist auch die Pflicht des Versammlungsleitenden, dass Name und Adresse der Ordner:innen an die Versammlungsbehörde weiterzugeben sind, wenn erwartet werden kann, dass von der Versammlung eine Gefahr ausgeht. Einerseits lädt die unbestimmte Formulierung gerade dazu ein, dass Polizeibeamt:innen versuchen, personenbezogene Daten bei systemkritischen Veranstaltungen zu sammeln. Andererseits fehlt darüber hinaus eine Reglung zur Verarbeitung der erlangten Daten. Wie lange diese gespeichert werden dürfen und wann eine Löschung erfolgen muss, bleibt offen und ist dem Ermessen der Beamt:innen überlassen.

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    Am umstrittensten ist das sog. „Gewalt- und Einschüchterungsverbot“, welches zu einem Verbot der entsprechenden Versammlung führt. Zwar handelt es sich hierbei schon um eine Bearbeitung des vorherigen „Militanzverbot“ des Gesetzesentwurfs, die Unbestimmtheit des Begriffs hat sich jedoch auch in der neuen formalen Einkleidung nicht geändert.

    Der Polizei stehen somit vor Ort alle Möglichkeiten offen, legitime und friedliche Proteste zu kriminalisieren. Nach der Gesetzesbegründung ist Zielrichtung der Änderung insbesondere die Klimabewegung und stellt sogar die typisch weißen Overalls von „Ende-Gelände“ mit uniformierten Aufmärschen von SA und SS gleich. Damit stellt die Regierung ganz unverhohlen klar, dass sie sogar Grundrechte ihrer Bürger:innen beschneidet, um die Interessen von RWE und Co. zu schützen.

    Die Kombination dieser Maßnahmen führt laut GFF dazu, dass sich Menschen der Ausübung ihrer grundrechtlichen geschützten Versammlungsfreiheit von vornherein gehindert sehen und erst gar nicht mehr an Demonstrationen teilnehmen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Verfassungsrichter:innen dieser Meinung zum Schutze der Versammlungsfreiheit anschließen werden.

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