Ein Jahr nach Kriegsbeginn in der Ukraine hat China ein Positionspapier diesbezüglich veröffentlicht. Es enthält wenige Überraschungen, die Ukraine schlägt einen China-Gipfel vor.
Am Freitag, den 24. Februar 2023 jährte sich der russische Angriff auf die Ukraine zum ersten Mal. Während NATO-Staaten und NATO-nahe Staaten zu diesem Stellvertreterkrieg offenkundig Position bezogen haben, hielt sich die Volksrepublik China bislang bedeckt. Bis jetzt wird in chinesischen Medien das Wort „Krieg“ vermieden und lieber von einer „Krise“ gesprochen. Nach außen betont China weiterhin die „grenzenlose Freundschaft“ zu Russland. Während seit Kriegsbeginn weiterhin Treffen zwischen beiden Staatsoberhäuptern stattfanden, gab es keine mit ukrainischen Politiker:innen.
Nach einer unerwarteten Ankündigung eines “Friedensplans” auf der Münchener Sicherheitskonferenz (MSC) vergangenes Wochenende wurde dieser nun auf der Seite des chinesischen Außenministeriums veröffentlicht. Der Titel „Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise“ verspricht zwar eine konkrete Lösung, nach typisch-chinesischer Politik fehlen aber genau solche konkreten Ansätze, es gibt nur allgemeine Ausführungen zu dem Krieg. Im Folgenden soll auf einige Punkte des Papiers näher eingegangen werden
Souveränität aller Länder
Aus Sicht der Ukraine dürfte insbesondere der 1. Punkt des Positionspapiers relevant sein: Nach diesem solle die „Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit aller Länder“ wirksam gewahrt werden. Dazu würde unzweifelhaft auch die Ukraine gehören. Der logische Schluss dieser Position wäre der Rückzug der russischen Truppen vom ukrainischen Staatsgebiet.
Allerdings wird diese Konsequenz nicht explizit formuliert. Widersprüchlich dazu erscheint auch das Abstimmungsverhalten Chinas auf der UN-Vollversammlung vor zwei Tagen: Das Gremium hatte mit 141 der 193 Mitgliedsstaaten Russland zum Rückzug aufgefordert, China hat sich in der Abstimmung jedoch enthalten.
Wiederaufnahme von Friedensgesprächen
In Punkt 4 werden der Dialog und Verhandlungen als einzige zielführende Lösung des Konflikts genannt. Dies fordert die Kriegsparteien indirekt auf, sich wieder an den Verhandlungstisch zu begeben. Aktuell finden Verhandlungen ausschließlich zum Getreide-Abkommen statt, das nun verlängert werden soll. Weitere Lösungen schlägt das Positionspapier nicht vor, was die Forderung letztendlich zu einer leeren Hülse werden lässt.
Strategische Risiken reduzieren
Als 8. Punkt fordert China in seinem Papier eine Reduktion strategischer Risiken. Damit ist ausdrücklich der Einsatz von Nuklearwaffen gemeint. Dies ist als erhobener Zeigefinger gegenüber den russischen Drohungen eines taktischen Nuklearschlags in der Ukraine zu verstehen. Putin kann sich also nicht sicher sein, dass die „grenzenlose Freundschaft“ auch noch nach dem Einsatz von nuklearen Waffen weiter besteht.
Zusammengefasst bleibt China mit dem “Friedensplan” ganz seiner Linie treu: Es wird keine eindeutige Position bezogen. Allerdings werden Putin zum ersten Mal deutliche Grenzen aufgezeigt. Mit einer öffentlichen Reaktion der russischen Staatsführung auf das Papier ist nicht zu rechnen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass China in seinen Medien zwar über die Abstimmung der UN-Vollversammlung berichtet hat, das eigene Abstimmungsverhalten aber nicht erwähnte. Damit gibt sich China auch gegenüber der eigenen Bevölkerung als neutraler Vermittler in dem Konflikt. Zuletzt war öffentlich geworden, dass China sich in Verhandlungen mit Russland über die Lieferung von sogenannten “Kamikaze-Drohnen” befindet.
Nahe liegt auch, dass China versucht selbst Lehren aus dem russischen Angriffskrieg zu ziehen, um sich auf weitere Eskalationen mit dem Inselstaat Taiwan vorzubereiten. Bundeswirtschaftsminister Habeck rechnete kürzlich mit einem Angriff bis 2027.
Positive Reaktion aus der Ukraine
Trotz einiger Unschärfen des Positionspapiers reagieren Verterter:innen der Ukraine sehr positiv: Der Außenminister Kuleba lobt, dass China ausführlich Position beziehe. „Wir müssen das Dokument von Anfang bis Ende durchgehen und unsere eigenen Schlussfolgerungen ziehen.“
Präsident Selenskyj nannte Punkte, in denen man einig sei, und solche, in denen es Konflikte gäbe. Ein Friedensplan sei das Papier nicht, dennoch veranlasste es Selenskyj, einen China-Gipfel zu erwägen.