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Samstag, April 20, 2024
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    Bankenbeben & Inflation: Lage der Weltwirtschaft „riskant“

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    Diese Woche veröffentlichten zwei führende Wirtschaftsinstitutionen, das IFO und der IWF, neue Einschätzungen zur aktuellen Krise des Wirtschaftssystems. Diese Strategie, sich „Zeit zu kaufen“ habe nun sein Ende gefunden. In mehreren großkapitalistischen Ländern versuchen die Zentralbanken währenddessen, ihre nationale Wirtschaft zu stabilisieren. Zuletzt traf sich die staatliche Notenbank der USA, die Fed, um per Zinserhöhung die Inflation zu stoppen. Der deutschen Wirtschaft winkt 2023 die Rezession.

    Am Montag veröffentlichte der Internationale Währungsfonds (IWF bzw. IMF) seinen aktuellen „Weltwirtschaftsausblick“ vom April unter der Überschrift „Ein steiniger Weg der Erholung“.

    Bereits im Vorwort des Berichts schreibt IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas unmissverständlich, die Welt trete in eine „riskante Phase“ ein, da das Wirtschaftswachstum im historischen Vergleich niedrig bleibe und die finanziellen Risiken zugenommen hätten, ohne eine Inflation abgewendet zu haben.

    Das größte Risiko sieht der IWF-Chef aktuell in den jüngsten Turbulenzen im Bankensektor.
    Wir leben in einem kapitalistischen System und da werde laut Gourinchas oft nur „nach dem nächstschwächeren Glied” gesucht, statt langfristig zu planen.

    Harte Landung

    Der Bericht selbst revidiert die „zaghaften Anzeichen“, die noch Anfang 2023 darauf hindeuteten, dass die Weltwirtschaft „eine weiche Landung“ erreichen könnte. Angesichts der bleibend hohen Inflation und der jüngsten Turbulenzen im Finanzsektor habe sich diese Hoffnung „verflüchtigt“.

    Das globale Wachstum, gemessen anhand der durchschnittlichen Bruttoinlandsprodukte (BIPs) aller Volkswirtschaften weltweit, betrug 2022 noch 3,4%, sinke dieses Jahr aber auf mindestens 2,8%, bevor es 2024 nur eventuell wieder auf 3,0% steigen könnte, so die Prognose des IWF.

    In einem „plausiblen Alternativszenario“ angesichts der Belastung des Finanzsektors könnte das globale Wachstum im Jahr 2023 sogar auf 2,5% sinken – das Wachstum in den großen kapitalistischen Ländern wie Deutschland sogar auf unter 1%. Dies würde laut IWF dem „schwächsten Wachstum seit dem globalen Abschwung von 2001“ (mit Ausnahme der ersten COVID19-Krise im Jahr 2020 und während der globalen Finanzkrise im Jahr 2009) entsprechen.

    Inflation bleibt hoch

    Die schlechten Aussichten resultierten aus der enorm hohen Inflation, den versuchten Gegenmaßnahmen der Notenbanken, dem anhaltenden Krieg in der Ukraine und „der zunehmenden geoökonomischen Fragmentierung“. Die globale Gesamtinflation dürfte aufgrund der niedrigeren Rohstoffpreise von 8,7% im Jahr 2022 auf 7,0% im Jahr 2023 sinken, die zugrunde liegende (Kern-)Inflation dürfte jedoch noch langsamer zurückgehen.

    Aus dem “Economic Experts Survey” des ifo Instituts und des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik, der am Donnerstag veröffentlicht wurde, geht ebenfalls hervor, dass die Inflationsrate in diesem Jahr weltweit 7% erreichen werde, im kommenden Jahr dann 5,9% und auch 2026 noch 5%. „Für das kommende Jahr und 2026 sind die Inflationserwartungen sogar etwas gestiegen“, sagt ifo-Forscher Niklas Potrafke. „Die Inflation bleibt auf einem sehr hohen Niveau.“

    In Westeuropa (5,3%), Nordamerika (5%) und Südostasien (5,1%) liegen die Inflationserwartungen für 2023 deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt. Besonders hoch sind die Inflationserwartungen dagegen in Südasien (22,5%), Südamerika (46,1%), Nordafrika (32,7%) und Ostafrika (29,9%). „Zum Rückgang der Inflationserwartungen in Europa hätten die Zinserhöhungen der EZB beigetragen“, begründet Potrafke.  

    Bankenbeben hält an, US-Notenbank FED reagiert

    Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) gab nach ihrer Sitzung am Mittwoch bekannt, dass sie die den US-Leitzins zwar weniger stark anheben würde als erwartet, jedoch trotzdem um weitere 0,25 Prozent. Die Entscheidung der US-Notenbank hat aufgrund der noch dominierenden Leitfunktion des US-Dollars weltweite Strahlkraft.

    Damit schiebt sie den bislang herrschenden billigen Geldanleihen einen weiteren kleinen Riegel vor. Aus der Sitzung wurde bekannt, dass die Fed damit sogar eine milde Rezession in diesem Jahr für wahrscheinlich hält. Zuvor hatten sich im Anschluss an das Bankenbeben rund um die Silcon Valley Bank verschiedene US-Banken bei der FED im Umfang von 164,8 Milliarden Dollar mit Liquidität versorgt. Zum Vergleich: das vorherige Allzeithoch aus der Finanzkrise 2008 lag bei 111 Milliarden.

    Bankenpleiten in den USA: Kann ein Finanzcrash abgewendet werden?

    Notenbanker befanden die Krisenmaßnahmen der Fed nach dem Zusammenbruch zweier US-Regionalbanken zunächst als ausreichend, um die Lage im Finanzsektor zu beruhigen. Doch während die Teuerungsrate im März von 6,0 auf 5,0%sank, stieg die viel wichtigere Kerninflationsrate von 5,5 auf 5,6%. Der nächster Zinsentscheid des Fed dazu steht am 3. Mai an. Eine Anhebung der Zinsen um weitere 0,25% gilt derzeit als wahrscheinlich.

    Der Kapitalmarkt reagierte verunsichert: Sowohl der Leitindex Dow Jones sowie der breit gefasste S&P 500 gingen nach der Veröffentlichung der Daten ins Minus. Viele sogenannte Trader hatten darauf spekuliert, dass es die Fed nicht so weit kommen lassen würde.

    Die Strategie der Notenbanker sei „riskant“, warnte Diane Swonk, Chefökonomin vom Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KMPG am Donnerstag: „Die Schlüsselfrage ist, inwieweit die Fed das Ausmaß einer Rezession kalibrieren kann“, so Swonk. Nach der Pleite der Silicon Valley Bank zeichnet sich eine deutliche Verknappung der Kredite an. Dieses als “Keditklemme” bezeichnete Phänomen ist üblich für den Beginn einer Wirtschaftskrise und führt oftmals dazu, dass weniger Investiert wird, da im monopolisierten Kapitalismus enorme Geldmengen für weiteres Wachstum notwendig sind.

    Wenn diese Wirtschaft einmal in einen Abwärtsstrudel gerate, sei es „schwierig“, diesen genau zur richtigen Zeit wieder „zu stoppen“. Das gelte auch für den Arbeitsmarkt, der sich zuletzt deutlich abgekühlt hat: Wenn Entlassungswellen einmal beginnen, warnen Ökonomen, ließen sich diese nicht so schnell wieder umkehren.

    Wie die aktuelle Bankenkrise vier Lebenslügen des Kapitalismus widerlegt

    Deutsche Wirtschaft in der Rezession

    Für Deutschland hat der IWF seine Vorhersage ebenfalls nach unten korrigiert: für 2023 im März um 0,2 Prozentpunkte im Vergleich zu Januar (+ 0,1%). Er rechnet nun mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,1% – also einer Rezession. Für 2024 sagt der Bericht dann wieder ein Wachstum um 1,1% voraus. Etwas zuversichtlicher hatten sich Anfang April führende deutsche Wirtschaftsinstitute mit Blick auf 2023 gezeigt.

    Im Interview mit der ARD meinte Stefan Kooths, Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, deutsche Unternehmen hätten bereits die „meiste Preiserhöhung an die Verbraucher weitergegeben“. Mit dem Geld aus der Arbeiter:innenklasse sichern sich Unternehmer:innen also derzeit ihre kapitalistischen Praktiken und Profite.

    Das könne die Kerninflation (heimische Inflationsrate) aber nicht beheben. Die Weltwirtschaft sei aber immer noch auf 2% Kerninflation angewiesen. Diese müsste zügig sinken, ein Erreichen dieses Werts sei aber laut IWF „erst 2040“ wieder der Fall. Auch in Deutschland sehe man die Schuldenkrise „öffentlich wie privat“, weil lange Zeit keine Zinsen auf Anleihen erhoben wurden, d.h. Kapitalist:innen viel Geld geliehen und in die Wirtschaft gepumpt hatten.

    Viele der Probleme in den letzten Jahren seien „immer wieder übertüncht“ und Unternehmen durch staatliche Hilfsprogramme gerettet worden. Diese Strategie, sich „Zeit zu kaufen“ habe nun sein Ende gefunden.

    Die Entwicklung der aktuellen Lage

    Schon seit langem wird vor einer neuen Finanz- und Wirtschaftskrise gewarnt. Ein wichtiger Grund dafür ist das massive Aufblähen der Geldmenge, mit der international versucht wurde, die Auswirkungen der letzten Weltwirtschaftskrise von 2007/2008 zu überwinden, ohne dabei eine Reihe an großen Konzernen wirklich bankrott gehen zu lassen.

    Diese Politik des „billigen Geldes“ sah so aus, dass die Notenbanken der westlichen Großmächte Geld zu kleinsten Zinsen an die einzelnen Banken verliehen, welches diese wiederum in den Wirtschaftskreislauf einspeisten. Unternehmen konnten sich damit quasi unbegrenzt verschulden.

    Doch Ende 2021 zog die Inflation kräftig an, mit dem imperialistischen Stellvertreterkrieg in der Ukraine wurde sie weiter verschärft. Die Notenbanken sahen sich daraufhin gezwungen, ihre Zinsen anzuheben, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Mit Beginn der Anhebung ihrer „Leitzinsen“ war klar, dass es irgendwann zu solch einer Situation wie der jetzigen Bankenkrise kommen würde.

    Nachdem die nationalen Notenbanken einige Bankenkrisen tilgen konnten, beginnt nun die Phase des aktiven „Lauerns“. Es wird fleißig geschaut, welches Geldhaus, welches Unternehmen als nächstes in Folge der steigenden Zinsen zusammenbrechen könnte, und auf dessen Absturz zocken die verbliebenen Kapitalist:innen.

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