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Samstag, April 27, 2024
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    “Make Amazon Pay!” – Zum Beispiel durch höhere Löhne und dann Planwirtschaft

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    Am Freitag ist “Black Friday” – ein globaler “Amazon”-Shopping-Tag. Dagegen wollen Gewerkschaften weltweit unter dem Motto “Make Amazon Pay” protestieren. Einige Gruppen fordern zudem die Zerschlagung des Konzerns. Doch warum nicht verstärkt die Frage der Planwirtschaft für eine wirkliche Zukunftsperspektive aufwerfen? – Ein Kommentar von Enver Liria.

    Vor knapp 30 Jahren war Amazon noch ein Online-Buchversand. Schon damals hatte der Gründer Jeff Bezos vor, das Unternehmen zu einem Monopolisten auszubauen, der immer weitere Marktbereiche schlucken sollte. Mit einer knallharten kapitalistischen Strategie und vor allem starken Unterstützern aus dem Finanzkapital konnte sich der Konzern zu einem der Giganten auf dem Weltmarkt entwickeln. Dabei wurden unzählige kleinere Unternehmen aufgekauft oder verdrängt. Mittlerweile wird der Wert von Amazon auf knapp 1,5 Billionen US-Dollar geschätzt – eine kaum vorstellbare Zahl. Sie entspricht in etwa der jährlichen Wirtschaftskraft von Bayern und Nordrhein-Westfalen zusammen.

    Gerade die Wirtschaftskrisen, die viele Arbeiter:innen ihre Existenz kosteten und zahlreiche Unternehmen in den Abgrund führten, konnten Amazon nur noch größer machen. Im Jahr 2021 sackte das Unternehmen als Gewinn die beachtliche Summe von 33 Milliarden US-Dollar ein. Diese massive Anhäufung von Profiten ist nur durch die systematische, millionenfache Auspressung der Arbeiter:innen und die marktbeherrschende Stellung möglich. Lohndumping und Arbeitshetze sind an der Tagesordnung.

    Wir erinnern uns an einen Arbeiter bei Amazon in Leipzig, der während seiner Schicht zusammenbrach und starb. Trotzdem durfte der Betrieb nicht eingestellt werden, die Kolleg:innen mussten weiterarbeiten. Oder an die „Arbeitsmorde“ an 6 Arbeiter:innen, die im US-Bundesstaat Illinois beschäftigt waren und trotz Tornado-Warnung ihren Arbeitsplatz nicht verlassen durften. Sie starben im Dezember 2021 einen vermeidbaren Tod – genau in dem Jahr, in dem Amazon seinen bisher höchsten Jahresgewinn einfahren konnte.

    Trotz dieser menschenunwürdigen Bedingungen hat sich im Konzern nichts Wesentliches geändert. Das versuchen nun Beschäftigte von Amazon und Aktivist:innen aus vielen Ländern zu ändern.

    Leipzig: Amazon-Arbeiter stirbt – Betrieb läuft weiter

    “Make Amazon Pay”

    Seit einigen Jahren haben sich unter dem Motto “Make Amazon Pay” (lass’ Amazon bezahlen) Organisationen aus mehr als 30 Ländern zusammengeschlossen, um sich gegen den Konzernriesen zu verbünden. Ziel der Kampagne ist es derzeit, durch koordinierte Streiks und Aktionen rund um das Shopping-Event „Black Friday“ Druck auf Amazon auszuüben und auch die Logistik zu stören. Die Forderungen reichen von einer höheren Besteuerung über bessere Arbeitsbedingungen bis hin zu höheren Löhnen.

    Im englischen Coventry rechnet die Gewerkschaft GMB mit einer besonders hohen Beteiligung am Black-Friday-Streik. 1.000 Beschäftigte wollen dort die Arbeit niederlegen. Das Lager ist eines der wichtigsten im Logistiksystem von Amazon, so dass der Streik einen empfindlichen Punkt treffen könnte. Eine Organizerin der Gewerkschaft erklärte selbstbewusst in einem Schreiben: „Coventry ist das pulsierende Herz des Amazon-Vertriebsnetzes; Streiks am Schwarzen Freitag werden sich auf die gesamte Logistik des Unternehmens in Großbritannien auswirken.“

    Auch in Deutschland beteiligen sich Gruppen am Protest gegen Amazon. In Berlin soll am 24. November eine Kundgebung gegen den Konzern stattfinden. Gleichzeitig veröffentlichte die NGO “Lobbycontrol” ein Gutachten zur Zerschlagung – oder weniger dramatisch „Entflechtung“ – des Amazon-Konzerns. Ziel sei die Aufspaltung in fünf Einzelunternehmen: Online-Einzelhandel (1), Dienstleistungen gegenüber Drittverkäufern (Marketplace) (2), Cloud (Amazon Web Services) (3), Smart Home Devices (Echo & Alexa) (4) und Logistik (5). Damit soll der Konzern seine Monopolstellung verlieren, und ein Wettbewerb auf dem Markt soll wieder möglich werden.

    Bei näherer Betrachtung zeigt sich also, dass Amazon von verschiedenen Seiten kritisiert wird. Doch was heißt eigentlich “Make Amazon Pay” in der Realität? Während sich ein Teil des Protestes stark auf die Rechte der Arbeiter:innen und ihre Löhne bezieht, wird an anderer Stelle eine “Zerschlagung” gefordert. Es soll wieder ein harmonischer Zustand hergestellt werden, in dem nicht nur ein großer Player die Profite einstreicht. Aber ist die Rückkehr in die Zeit vor dem Aufstieg von Amazon ein sinnvolles Ziel um den Konzern zur Rechenschaft zu ziehen?

    Make Amazon Pay: 3-tägiger Streik zum Prime-Day

    “Entflechtung” als Lösung?

    Im Wesentlichen lässt sich die Frage der Zentralisierung der Wirtschaft nicht von der Klassenfrage trennen – also der Frage, welche Klasse in dieser Gesellschaft eigentlich die Macht hat. Im herrschenden Imperialismus nutzt das Kapital seine Stellung, um sich die gesamte Gesellschaft zu unterwerfen. So gelingt es Amazon nicht nur, seine direkten Arbeiter:innen auszubeuten. Es zieht den Mehrwert der Arbeiter:innen anderer, von ihm abhängiger Unternehmen, mit zu sich an die Spitze.

    So nutzen viele Unternehmen – darunter durchaus auch andere Giganten mit Milliardenumsätzen – z.B. den “Amazon Marketplace” oder die “Amazon Web Services”. Um diese zu bezahlen, müssen sie einen Teil ihres Mehrwerts, den sie zuvor aus ihren Arbeiter:innen herausgepresst haben, an Amazon abgeben. Dabei ist es nicht entscheidend, ob es sich formal um verschiedene Unternehmen handelt. Eine Entflechtung würde den Arbeiter:innen als Ganzes also vermutlich keine Verbesserung ihrer Lage bringen.

    Neben der intensiven Ausbeutung perfektioniert Amazon sein System durch strategisches Vorgehen und langfristige Planung in Verbindung mit neuester Technologie. In hoher Geschwindigkeit werden Preise kalkuliert, Bedarfe ermittelt, Waren nachbestellt und entsprechend produziert. Doch ist eine produktive Arbeitsweise nur dem Kapitalismus eigen? All das sind Methoden, die auch eine sozialistische Planwirtschaft im Interesse der Mehrheit der Gesellschaft anwenden könnte.

    Kampf für eine Zukunftsperspektive

    In einer Planwirtschaft wird ebenfalls strategisch geplant und dort zentralisiert, wo Zentralisierung notwendig ist, um die Bedürfnisse der Menschen maximal zu befriedigen. Eine gut funktionierende Logistik oder stabile Serverstrukturen gehören genauso selbstverständlich dazu.

    Aus Sicht der Arbeiter:innen sind nicht die gewachsenen technologischen Fähigkeiten und zentralisierten Strukturen das Problem, sondern eben die Frage, wer über sie verfügt. Die Zentralisierung der Wirtschaft und ein Netz von Computern, die den Bedarf ermitteln und die Produktion und Verteilung der Güter steuern, sind mächtige Instrumente einer sozialistischen Planwirtschaft. Sie eröffnen ungeahnte Möglichkeiten, die Armut auf der Erde zu beseitigen und die materielle Versorgung der werktätigen Menschen zu sichern.

    Doch das Amazon eines Jeff Bezos hat nicht diese Ziele im Sinn, sondern will in aller erster Liniedurch gigantischen Gewinn die eigene Macht und den eigenen Reichtum steigern.

    Der Kampf gegen Amazon und andere Konzerne muss also vom Klassenstandpunkt der Arbeiter:innen aus geführt werden. Das heißt erstens: Wir müssen zum einen die konkreten Kämpfe gegen die Überausbeutung bei Amazon führen – und damit Amazon “bezahlen lassen”.

    Zugleich muss die kommende sozialistische Gesellschaft das Ziel dieser Kämpfe sein, damit die Mehrheit wirklich etwas zu gewinnen hat. Denn wenn wir wirklich wollen, dass Amazon “bezahlt”, also zur Rechenschaft gezogen wird, dann bedarf es seiner Enteignung und Überführung in Arbeiter:innenhände im Rahmen einer sozialistischen Gesellschaft.

    Unterstützen wir deshalb den Kampf gegen Amazon und entlarven wir die Illusionen von gerechtem Kleineigentum und freien Märkten als realitätsferne Utopien. Eine wirkliche Perspektive bietet nur die sozialistische Planwirtschaft.

    • Hier berichtet die Perspektive-Redaktion aktuell und unabhängig

    • Schreibt seit 2019 für Perspektive-Online. Lebt im Bergischen Land und arbeitet als Informatiker. Seine Kommentare handeln oft von korrupten Eliten und dem deutschen Imperialismus. Lieblingszitat: „Wenn der Mensch von den Umständen gebildet wird, so muss man die Umstände menschlich bilden. “ (F. Engels)

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