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Samstag, April 27, 2024
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    Der Staat zeigt seine Zähne: Repression und Einschränkung demokratischer Rechte am laufenden Band

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    Bereits während der Corona-Pandemie und mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs hat der deutsche Staat unsere Versammlungs- und Meinungsfreiheiten immer weiter eingeschränkt. Heute richten sich Repression und Schikane vor allem gegen die palästina-solidarische Bewegung und bereiten schrittweise weitere massive Beschneidungen der Rechte unserer ganzen Klasse vor.

    Der deutsche Staat macht gegenwärtig mehr als deutlich, dass die Unterstützung Israels für ihn kein Lippenbekenntnis ist. Nicht nur wurden die Waffenlieferungen aus Deutschland nach Israel in den letzten Wochen im Vergleich zum Vorjahr auf das Zehnfache gesteigert. Auch im Innern setzen die deutschen Behörden alles dran, jegliche Infragestellung des Kriegs gegen die palästinensische Bevölkerung und jedweden Protest gegen den Krieg zu kontrollieren und mit einer Welle von Repression und Einschüchterung zu unterdrücken.

    Massive Einschränkungen von Versammlungs- und Meinungsfreiheit

    In Berlin, Frankfurt, Hamburg und anderen deutschen Großstädten wurden unmittelbar nach Kriegsausbruch in Palästina und Israel der Großteil der Demonstration und angemeldeten Versammlungen verboten. Fanden dennoch Proteste statt, wurden diese – unter teils massivem Einsatz von Polizeigewalt und Androhung von Strafen – aufgelöst. Vielerorts wurde über mehrere Wochen de facto ein generelles Demonstrationsverbot für die Menschen in Palästina verhängt. Während in einigen Städten wie Berlin teilweise die Aufhebung der Verbote zurück erkämpft werden konnte, wird in Hamburg seit Oktober ununterbrochen – und sogar durch kurzfristige Verlängerungen einer Allgemeinverfügung – das Verbot für fast alle Palästina-Versammlungen aufrechterhalten.

    Auch auf zugelassenen Demonstrationen schränken die Behörden die Freiheiten der Demonstrierenden stark ein. Mittels vorher festgelegter Auflagen oder spontan während der laufenden Proteste untersagt die Polizei mittlerweile regelmäßig das Ausrufen bestimmter Parolen.

    In einigen Städten wurden etwa die Parolen „Deutschland finanziert, Israel bombardiert“ oder „Stoppt den Krieg“ von der Polizei untersagt – und zwar unter der Androhung der sofortigen Auflösung der Demonstration. Damit wird schon das bloße Eintreten gegen Kriege und Rüstungslieferungen eingeschränkt und faktisch kriminalisiert.

    Besonders in den Fokus ist der Demonstrationsruf „From the river to the sea – Palestine will be free!“ (deutsch: Palästina wird frei sein, vom Fluss bis zum Meer) gerückt. Diese Parole wird mittlerweile in mehreren Bundesländern gar als “Volksverhetzung” gewertet. Dabei unterstellen die Staatsanwaltschaften dem Slogan pauschal einen antisemitischen Inhalt: Wer die Parole rufe, stelle automatisch auch den israelischen Staat und das Recht der israelischen Bevölkerung auf ein Leben in der Region infrage und müsse daher auch die Massaker der Hamas an israelischen Zivilist:innen gutheißen – so die Logik der Repressionsbehörden.

    Der Punkt dabei ist: Solche reaktionären Inhalte werden erst vom Staat aktiv und missverständlich in die Parole hineininterpretiert! An sich fordert diese nämlich nichts weiter als Freiheit für die Menschen in einer bestimmten Weltregion, und sie tätigt keinerlei Aussage darüber, ob diese Freiheit in zwei Staaten, einem gemeinsamen Staat für Israelis und Palästinenser:innen, einer kapitalistischen oder einer sozialistischen Gesellschaft realisiert werden soll. Genau deshalb wird die Parole von Palästina-Unterstützer:innen aus unterschiedlichen – und zwar überwiegend fortschrittlichen – politischen Lagern seit Jahrzehnten verwendet.

    Man kann diese Parole in ihrer Unbestimmtheit für gelungen halten oder nicht. Der gefährliche Präzedenzfall, den der Staat hier schafft, ist aber derjenige, eine verbreitete traditionelle Parole zu kriminalisieren, indem er dort aktiv reaktionäre, antisemitische Inhalte hineininterpretiert und diese den Demonstrant:innen unterstellt. Mit einer ähnlichen Logik, die alles in einen Topf wirft, hat die Polizei in Köln bei einer Demo die „Billigung alternativer Staatsformen“ per Auflage untersagt, wobei sie die Forderung nach einem islamistischen Kalifat ebenso darunter fasste wie die Perspektive einer sozialistischen Gesellschaft.

    Den Behörden geht es offenbar darum, jegliche Kritik an der deutschen Politik und am deutschen Bündnispartner Israel zu unterbinden. Das ist an sich nicht neu: Bereits während der Corona-Pandemie und mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs agierte der Staat in einer Art und Weise, die Widerspruch zur herrschenden Meinung unmöglich machen sollte.

    Migrant:innen und Geflüchtete stehen im Visier

    In Nordrhein-Westfalen entflammte zuletzt eine öffentliche Debatte darüber, ob Ausländer:innen aus Nicht-EU-Ländern womöglich vom Recht auf Versammlungsfreiheit ausgeschlossen werden sollten. Die Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) schlug in diesem Zusammenhang vor, dass nur noch Inhaber eines deutschen Passes Versammlungen anmelden können sollten. Vorerst wurde dieser Vorstoß aus anderen bürgerlichen Lagern zurückgewiesen. Doch sind es bereits jetzt besonders Migrant:innen und Geflüchtete, die von der Repression betroffen sind.

    In den letzten Monaten hat sich das staatliche Vorgehen gegen migrantische Revolutionär:innen deutlich verschärft. So wurde unter anderem die palästinensische Organisation Samidoun verboten, einzelnen Aktivist:innen dieser Gruppe wurde eine Abschiebung angedroht. Von mehreren Politiker:innen wurde zuletzt im Zuge des laufenden Umbaus des Migrations- und Asylrechts auch die seit längerem immer wieder auftauchende allgemeine Forderung hervorgebracht, unliebsame politische Aktivität als Abschiebegrund gesetzlich zu verankern. Migrant:innen ohne deutschen Pass sehen sich vor dieser Drohkulisse bei Demonstrationen oder dem Kundtun ihrer Meinung ständig der Gefahr ausgesetzt, ihren Aufenthaltsstatus aufs Spiel zu setzen. Damit soll der Protest von Migrant:innen durch den deutschen Staat effektiv eingedämmt werden.

    Warum aktuell besonders die Palästina-Demonstrationen von Repression betroffen sind…

    Der Ausbruch des Kriegs in Palästina und Israel seit dem Vorstoß des palästinensischen Widerstands unter Führung der islamisch-fundamentalistischen Hamas hat auch hier in Deutschland unmittelbaren Widerhall gefunden: Bereits am Abend des 7. Oktober fand in Berlin-Neukölln eine spontane Kundgebung statt, die von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurde. Die Begründung war, es seien gewaltverherrlichende Sprechchöre zu hören gewesen. Das Echo in den Medien war groß: Die Demonstrierenden wurden als Antisemit:innen und Terrorbefürworter:innen angeprangert.

    Mit der Darstellung der palästina-solidarischen Kundgebungen und Demonstrationen als antisemitisch, demokratiefeindlich, kriminell, gewaltvoll und terroristisch bedienen staatliche Behörden – flankiert von der Medienberichterstattung – den in Deutschland vorherrschenden Rassismus gegen muslimische und arabische Migrant:innen. Tatsächlich gibt es einige islamistische Gruppen, die sich die aufflammende Solidarität mit Palästina zunutze machen wollen – doch die pauschale Verallgemeinerung, dass alle Versammlungen Horte des Islamismus seien, ist falsch. Allerdings fallen derartige Behauptungen und Begründungen auf fruchtbaren Boden, schließlich propagieren faschistische und rechte Akteure seit Jahren immer wieder die Notwendigkeit, das Deutsch-Sein gegen die Muslim:innen verteidigen zu müssen.

    Es existiert zudem ein breiter bürgerlicher Konsens darüber, dass die bedingungslose Solidarität mit Israel zur deutschen Staatsräson gehöre. Jegliche Infragestellung des zionistischen kapitalistischen Staates Israel wird dementsprechend als Antisemitismus definiert. Unter dem Vorwand, durch die gegenwärtigen Grundrechteeinschränkungen den Antisemitismus der Demonstrierenden bekämpfen zu wollen, werden mit dieser Scheinargumentation viele weitere Menschen in Deutschland angesprochen. Viele folgen bereitwillig der paradoxen Erklärung, dass der deutsche Staat lediglich die Rechte einer kleineren Gruppe von Migrant:innen einschränke, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung insgesamt zu erhalten.

    Das macht die palästina-solidarische Bewegung zu einem idealen Testfeld, auf dem Politiker:innen und Behörden sich sicher sein können, dass es auch für rabiate Maßnahmen und massiven Gewalteinsatz einen Rückhalt geben wird. Selbst Teile des linken Spektrums, die unter anderen Umständen Grundrechtsverletzungen vermutlich scharf kritisieren würden, tragen die bürgerliche Argumentation mit und billigen damit die herrschende Politik.

    …und warum die Repression trotzdem unsere ganze Klasse betrifft

    Doch lassen wir uns nicht täuschen: Auch wenn der Krieg in Palästina enden und die spontane Bewegung in Solidarität mit dem Krieg in Palästina wieder abflauen wird, werden die Einschränkungen unserer Grundrechte insgesamt bleiben. Das heißt nicht, dass die Repression nun weiter linear ansteigen wird und zum Beispiel dauerhaft sozialistische und klassenkämpferische Demonstrationen verboten werden. Der deutsche Staat wird geschickt immer wieder die Zügel locker lassen und Zugeständnisse machen, aber weiter versuchen, die verschiedenen Teile unserer Klasse gegeneinander auszuspielen. Doch die Verbote von Demonstrationen und Parolen sowie der massive Einsatz von Polizeigewalt werden ein jederzeit abrufbares Mittel in der Niederhaltung unserer Klasse und unseres Klassenkampfes bleiben.

    Schon heute ist klar, dass sich dieser Klassenkampf in Zukunft weiter zuspitzen wird. Der Krieg in Palästina und die Spannungen in Westasien sind nur einzelne Beispiele, die uns gegenwärtig aufzeigen, wie die Widersprüche im imperialistischen Weltsystem immer größer werden. Der Krieg in der Ukraine, die Unterdrückung des kurdischen Befreiungskampfes, das Ringen von China und USA um Taiwan – weltweit spitzt sich der Konkurrenzkampf der imperialistischen Mächte zu, weltweit kämpfen die kapitalistischen Staaten um Einflussbereiche. Auch der deutsche Staat muss sich derzeit strecken, um in diesem Wettstreit nicht ins Hintertreffen zu geraten. Die gewaltige Aufrüstung der Bundeswehr und der Umbau der deutschen Industrie kosten viel Geld. Und genau diese finanziellen Mittel holt sich der Staat durch die Kürzungen in den Bereichen Soziales, Bildung und Gesundheit. Die Kosten für die Hochrüstung des deutschen Imperialismus trägt also unsere Klasse.

    Parallel zur Verschärfung der internationalen Widersprüche sehen wir, wie sich der deutsche Staat die freundliche „freiheitlich-demokratische“ Maske vom Gesicht zieht und mit immer neuen Grundrechtseinschränkungen und Gewalt gegen unerwünschte Proteste vorgeht. Je organisierter unsere Klasse insgesamt gegen die Angriffe auf unsere Lebensbedingungen vorgehen wird, und je stärker die klassenkämpferische Bewegung in Deutschland werden wird, umso mehr wird der Staat auch unserer ganzen Klasse gegenüber sein wahres Gesicht zeigen. Machen wir uns also darauf gefasst!

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