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Sonntag, April 28, 2024
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    Die Oscar-Verleihungen: Wie politisch kann das größte Filmevent des Jahres sein?

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    Die diesjährigen Oscars 2024 wurden als besonders politisch eingestuft. Aktuelle Kriege und gesellschaftsrelevante Themen fanden auf dem größten Filmevent des Jahres Erwähnung. Warum die Academy-Awards trotzdem nur so kritisch sein können, wie das kapitalistische System, in das sie eingebettet sind. – Ein Kommentar von Ahmad Al-Ballah und Rüdiger Münz.

    „Große Politik” titelte die bürgerliche Presse mit Blick auf die diesjährige Oscarverleihung in der Nacht von Sonntag auf Montag. In der Tat manifestierte sich das aktuelle Weltgeschehen an mehreren Stellen des Abends. So waren einige der Stars mit Ansteckern für eine Waffenruhe in Gaza zu sehen, und auch ein eingespieltes Statement des kürzlich in russischer Gefangenschaft verstorbenen Oppositionellen Alexey Nawalny oder die Auszeichnung des Dokumentarfilms „20 Days in Mariupol”, der russische Kriegsverbrechen dokumentiert, zeugten von einer über ihre Verhältnisse politischen Veranstaltung.

    Palästina auch Thema bei den Oscars

    Schließlich positionierte sich Filmemacher Jonathan Glazer, dessen prämierter deutschsprachiger Film „The Zone of Interest” die Familie des Ausschwitz-Kommandanten Rudolf Höß porträtiert, in seiner Laudatio zum Israel-Palästina-Konflikt. Dies erfolgte mittels einer Wortwahl, die beiden Seiten gerecht zu werden versuchte, und konnte somit eine bürgerlich-mediale und politische Repression, wie sie die Berlinale-Preisverleihung nach sich zog, verhindern.

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    Glazer sprach zwar berechtigt vom „Holocaust being hijacked by an occupation which has led to conflict for so many innocent people.” und erntete Applaus, wofür er in Deutschland wahrscheinlich den ein oder anderen Antisemitismus-Vorwurf erhalten hätte. Im Folgenden sprach er jedoch allgemein von den Opfern einer Entmenschlichung („dehumanisation”) und ging dabei einerseits auf die palästinensische Attacke des 7. Oktober gegen Israel ein, um dann andererseits ebenso den Fokus auf die fortlaufenden Angriffe gegen die Palästinenser:innen im Gazastreifen zu legen.

    Weitestgehend folgenlose Politisierung

    Diese folgenlose Politisierung der Oscar-Verleihung hat einen großen Vorteil: Im Gegensatz zur Berlinale und der Schlagzeilen über Filmemacher:innen, Institutionen und ihrer Statements, können nun die filmischen Werke selbst als Debatten- und Denkanstöße im Vordergrund stehen, ohne durch hyperpolitisierte Reaktionen auf Stellungnahmen zu sehr vereinnahmt zu werden.

    Dies erscheint umso wichtiger, als dass die diesjährigen Filme relevante Themen wie die Verstrickungen von Krieg und Wissenschaft anhand von Nuklearwaffen und Blockbildung („Oppenheimer“), bürgerlichen Feminismus („Poor Things“, „Barbie“) oder eben Holocaust-Aktualität („The Zone of Interest“) und Kriegsverbrechen („20 Days in Mariupol“) bearbeiten.

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    Die Oscars nun aber für eine solche massentaugliche Politisierung zu loben, ist falsch. Letztendlich bleiben die Academy Awards nur so politisch, wie das herrschende System es zulässt. Insbesondere die großen Abräumer bzw. groß diskutierten Filme des vergangenen Jahres (wie „Oppenheimer“, „Poor Things“ oder „Barbie“), können nur so kritisch sein, wie das Produktionsland es im Rahmen von Finanzierung und Vertrieb begünstigt.

    Nur solange Kritik und Debatte im Rahmen bleiben

    Ein Patriotismus, wie in „Oppenheimer”, oder ein Barbie-Film, der zwar durchaus ein bürgerlich-feministisches Bild erzeugt, aber keine Verknüpfung zu Patriarchat oder Kapitalismus herstellt, geben uns keine Antworten auf den herrschenden unmenschlichen deutschen oder US-Imperialismus. Vielmehr wirken sie systemerneuernd, systemerhaltend und anti-revolutionär.

    Eine konstruktive, kritische Diskussion der Filme wird durch die Einbettung und das zeremonielle Feiern dieser Filme im Rahmen der kommerziell-kapitalistischen Oscar-Verleihung zusätzlich verunmöglicht. Damit werden nicht nur die Filme selbst in letzter Konsequenz zur Farce, sondern auch die Oscar-Verleihungen selbst.

    Nur logisch erscheint es dann, einen verspäteten Beginn der Veranstaltung nicht zu erwähnen: Im Umfeld des Dolby-Theaters in Los Angeles war es zu Verkehrsbehinderungen bei handfesten pro-palästinensischen Protesten gekommen. Diesen möchte die „Academy” – und das System, in dem sie stattfindet – nur so viel Gehör verschaffen, wie sie es im Rahmen der Zeremonie für tolerierbar empfinden.

    • Ahmad Al-Balah ist Perspektive-Autor seit 2022. Er lebt und schreibt von Berlin aus. Dort arbeitet Ahmad bei einer NGO, hier schreibt er zu Antifaschismus, den Hintergründen von Imperialismus und dem Klassenkampf in Deutschland. Ahmad gilt in Berlin als Fußballtalent - über die Kreisliga ging’s jedoch nie hinaus.

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