Bereits seit November letzten Jahres verhandeln die „Deutsche Bahn” (DB) und die „Gewerkschaft deutscher Lokomotivführern (GDL) über einen neuen Tarifvertrag. Nach einer großen Streikwelle ist nun eine Einigung erzielt worden. Die GDL erkauft den Durchbruch jedoch mit einer Reallohnsenkung. Zudem stellt sie einen rechten Polizeigewerkschafter an die Spitze ihrer Leiharbeitsfirma. Der Überblick.
Der Tarifkonflikt zwischen DB und GDL war wohl einer der intensivsten Arbeitskämpfe in Deutschland, zumindest in der jüngeren Vergangenheit: Über 5 Monate Verhandlungen, 6 Streiks und zahlreiche Klagen und Gerichtsprozesse kennzeichneten die Auseinandersetzung. Doch nun konnten sich die beiden Parteien auf einen neuen Tarifvertrag einigen. Die Kerninhalte der Einigung sind die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie von 2.850 Euro, die Erhöhung des Monatslohns um insgesamt 420 Euro bis zum Jahr 2025, sowie die schrittweise Absenkung der Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche. Auch auf die GDL-Leiharbeitsgenossenschaft „Fair-Train” hat die Einigung deutliche Auswirkungen.
Knackpunkt Arbeitszeit
Bis zuletzt war der Hauptstreitpunkt zwischen DB und GDL die Regelung der Arbeitszeit. Die GDL forderte ihre Senkung auf 35 Stunden pro Woche ohne Lohnverlust. Diese Forderung hatte die GDL bereits bei den Verhandlungen mit knapp 30 anderen Eisenbahnunternehmen durchgesetzt, allerdings unter dem Vorbehalt, dass man auch mit der DB eine solche Einigung erzielen würde. Die Bahn stellte sich hierbei quer und lehnte eine 35-Stunden Woche vehement ab. Nun handelten GDL und DB einen Kompromiss aus:
Bis 2029 soll die Regelarbeitszeit schrittweise abgesenkt werden – 2026 und 2027 jeweils um eine Stunde, in den darauffolgenden beiden Jahren um eine halbe Stunde. Das Entscheidende hierbei ist aber, dass diese Zeitreduzierung optional für die DB-Angestellten bleiben soll. Es soll ihnen ermöglicht werden, freiwillig bis zu 40 Stunden pro Woche zu arbeiten. Für jede Wochenstunde über der Regelarbeitszeit erhalten sie dann 2,7% mehr Lohn. Allerdings müssen die Arbeiter:innen sich selbst bei der DB melden, wenn sie dies wahrnehmen möchten – nur die Reduzierung auf 37 Stunden erfolgt automatisch.
(K)ein Erfolg auf ganzer Linie
In einer Pressekonferenz betitelte der GDL-Chef Claus Weselsky das Ergebnis als „Erfolg, fast auf der ganzen Linie“. Alle Ziele habe die GDL aber nicht erreichen können: Man hat es nicht geschafft, den Tarifvertrag auch auf die Arbeiter:innen in der Infrastruktur auszuweiten. Zudem wurde das Urlaubswahlmodell wurde von 12 auf 6 Tage halbiert. Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt 26 Monate, er endet also erst zum Januar 2026, die Bedingungen für die Arbeitszeitregelung llaufen sogar bis Ende 2028. Außerdem vereinbarten die Tarifparteien eine Friedenspflicht von zwei Monaten nach Ende des Tarifvertrags.
Die Inflationsausgleichszahlungen von insgesamt 2.850 Euro sind ebenfalls gestaffelt: 1.500 Euro soll es jetzt sofort und 1.350 Euro dann im Mai geben. Auch auf eine Lohnerhöhung können die Arbeiter:innen zwar blicken, diese fällt aber eher mager aus: Ab August diesen Jahres gibt es 210 Euro mehr Lohn, am 1. April 2025 soll das Gehalt nochmal um 210 Euro erhöht werden. Laut Weselsky entspricht das einer Lohnerhöhung von 8-14% für die Arbeiter:innen. Die letzte Lohnerhöhung hatte es nach dem Tarifabschluss im September 2021 gegeben, wo ein Plus von 3,3 Prozent vereinbart wurde. Seitdem fand jedoch eine Teuerung von rund 15 Prozent statt. Diese wird also gerade einmal rückwirkend ausgeglichen. Bei der langen Tariflaufzeit bedeutet dies faktisch, dass die Lokführer:innen in den nächsten Jahren mit jedem Teuerungsschub eine Reallohnsenkung zu erwarten haben. Damit wurde die stückweise Absenkung auf die 35 Stunden erkauft.
Tarifvertrag gilt nur für einen Bruchteil aller Beschäftigten
Weselsky kritisierte gleich zu Beginn der Konferenz, dass die Bahn das Ergebnis nur in 18 der rund 300 DB-Betriebe umsetzen will: „Das bedeutet für zehntausende Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, dass sie die mit uns gemeinsam erkämpften Tarifverbesserungen nicht erhalten sollen“. Möglich ist das aufgrund des Tarifeinheitsgesetzes (TEG) – dieses sieht vor, dass in einem Betrieb nur der Tarifvertrag der größten Gewerkschaft, also der mit den meisten Mitgliedern im Betrieb, gilt. Da in der überwiegenden Mehrheit der DB-Betriebe allerdings die „Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft” (EVG) mit der Bahn verhandelt, gilt dort der im letzten Sommer ausgehandelte Tarifvertrag.
Einigung im Tarifstreit – EVG lässt sich auf Reallohnverlust ein
Theoretisch könnte auf die Tarifeinheit verzichtet werden, wenn die Tarifparteien dies vereinbaren. Die Bahn hat also grundsätzlich die Möglichkeit, auch für die Beschäftigten der EVG-Betriebe die neuen Tarifbedingungen gelten zu lassen. DB-Personalvorstand Martin Seiler hat aber bereits bekannt gegeben, dass man den EVG-Tarifvertrag nicht nachverhandeln wolle.
Rechter Polizei-„gewerkschaftler“ nun bei Fair-Train
Ein weiterer Streitpunkt der Verhandlungen war die GDL-Genossenschaft „Fair-Train”. Diese hatte die GDL im Sommer letzten Jahres mit dem Ziel gegründet, GDL-Lokführer:innen an Bahnunternehmen verleihen zu wollen. Die GDL erklärte, damit das Tarifeinheitsgesetz unterlaufen zu wollen. Wenn der Konzern den GDL-Mitgliedern ihre Tarifabschlüsse verweigere, dann werde man „der DB eben die Lokführer entziehen“, so Weselsky damals anlässlich der Gründung der „Genossenschaft“. Zugleich zersetzt die GDL jedoch damit ihre eigene Kampfkraft, da die Beschäftigten dann nicht mehr bei der DB angestellt sind. Zudem muss das Unternehmen auf dem Leiharbeitsmarkt mit den anderen Unternehmen konkurrieren. Damit unterwerfen sich die Beschäftigten dem kapitalistischen Markt, und in Zukunft verhandelt dann GDL-Unternehmen mit GDL-Gewerkschaft.
Die Deutsche Bahn warf der GDL vor, wegen der Gründung des Leiharbeitsunternehmens nicht mehr „tariffähig” zu sein und reichte eine Klage beim Hessischen Landesarbeitsgericht ein. Auch hier erreichten die Verhandlungen einen Kompromiss: Um einen Interessenskonflikt zu vermeiden, dürfen GDL-Vorstände nicht mehr Teil des Fair-Train-Aufsichtsrats sein.
Claus Weselsky verkündete deshalb ebenfalls, dass vier neue Aufsichtsräte benannt würden und sein „Freund“ Rainer Wendt nun die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden übernehmen werde. Der Bundesvorsitzende der „Deutschen Polizeigewerkschaft” (DpolG) ist als ultrareaktionärer Hardliner bekannt, der in der Vergangenheit immer wieder durch seine extremen Positionen und rechten Aussagen aufgefallen ist.
Zuletzt bleibt noch abzuwarten, welche Auswirkungen die Einigung und der Tarifkonflikt auf das deutsche Streikrecht haben werden. Einige Politiker:innen, allen voran die FDP, fordern bereits seit einiger Zeit, man müsse dieses einschränken.