Pressefreiheit ist ein hohes Gut in Deutschland. Könnte man zumindest meinen. Wie es tatsächlich um unsere Rechte steht, und warum wir Journalismus von unten brauchen. – Ein Kommentar von Alex Lehmann.
Jährlich wird am 3. Mai der „Tag der internationalen Pressefreiheit” begangen. Er gilt seit seiner Begründung durch die UNESCO als Aktionstag, um auf die Lage der Pressefreiheit weltweit aufmerksam zu machen und bestehende Missstände aufzudecken.
Jährlich gibt es zu diesem Zweck auch eine Rangliste der Pressefreiheit, die von der Nichtregierungs-Organisation Reporter ohne Grenzen herausgegeben wird. 180 Länder werden darin anhand ihrer Presse- und Informationsfreiheit bewertet und verglichen.
Auch die Lage der Pressefreiheit in Deutschland wird jährlich eingeordnet. Deutschland steht auf Platz 10. Das ist ein Aufstieg gegenüber 2023 (Platz 21). Betrachtet man die Gesamtpunktzahl, hat sich die Situation in Deutschland aber nur geringfügig verbessert und auch nur in der Kategorie Sicherheit. Der Sprung auf Ranglistenplatz 10 ist zudem auch der Tatsache geschuldet, dass sich andere Länder auf der Rangliste verschlechtert haben.
Zudem gibt es weiterhin relevante Probleme auch in Deutschland mit der Pressefreiheit. Ausdruck davon sind vor allem die vermehrten Angriffe auf freie Journalist:innen, die einen anderen politischen Standpunkt als die Regierung einnehmen. Wer sich nicht einfach mit der alltäglichen Ausbeutung und Unterdrückung des Kapitalismus zufriedengibt, und dann womöglich auch noch journalistisch tätig ist, muss mit Repression rechnen.
Angriffe auf die Pressefreiheit – und auf Linke
So traf es Anfang 2023 zum Beispiel Mitarbeiter:innen des freien Radios Radio Dreyeckland (RDL) aus Freiburg – wegen einer Meldung über den Stand des Ermittlungsverfahrens gegen die zuvor verbotene Internetseite Indymedia Linksunten.
Im August des letzten Jahres erwischte es Mitarbeiter:innen des RDL erneut – diesmal mit dem Vorwurf, das Archiv der Indymedia Linksunten-Website zu betreiben. Im Rechtsstreit um die Rechtsmäßigkeit der Maßnahmen sind die Betroffenen mit einer Verfassungsbeschwerde bis vor das Karlsruher Landgericht gezogen. Der Prozess läuft noch.
Bei einem anderen Fall zu Beginn diesen Jahres durchsuchte die sächsische Polizei im Zusammenhang mit den berüchtigten „Tag X”-Protesten die Wohnung eines Pressefotografen. Im Nachhinein hob das Landgericht Sachsen den Durchsuchungsbefehl zwar wieder auf und erklärte ihn für rechtswidrig – was den verwüsteten Zustand der Wohnung und den mentalen Zustand des Fotografen aber auch nicht verbessern wird.
Dass die Polizei auf der Suche nach Beweismitteln nicht einfach so die Grundrechte von Journalist:innen mit Füßen treten darf, sollte klar sein. Das spielt für die sächsische Justiz aber scheinbar keine Rolle: Wenn es um linke oder revolutionäre politische Kräfte geht – so wie es am „Tag X” um die Urteilsverkündung gegen die militanten Antifaschist:innen rund um Lina E. stattfand – zeigt die ach so freiheitlich-demokratische Bundesrepublik oft ihre hässliche Fratze als Polizeistaat.
Staat und Nazis Hand in Hand
Und wie so oft geht nicht nur der Staat gegen unsere Freiheiten vor. Kräftige Unterstützung erfährt er aus der faschistischen Bewegung: 103 physische Angriffe auf Journalist:innen dokumentierte Reporter ohne Grenzen mit Stand 2021 – 87 davon gingen vom verschwörungsideologischen und faschistischen Milieu aus.
Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sorgt sich um die zusehends schlechter werdende Lage der Pressefreiheit in Deutschland. Aus Anlass des Welttags der Pressefreiheit schickten sie einen Fragenkatalog an die meisten bürgerlichen Parteien, die auch im Bundestag vertreten sind.
Auf Fragen wie „Wie lässt sich die Pressefreiheit stärken?“ antworteten die Regierungsparteien mit Forderungen nach mehr Sicherheit oder mehr Polizei bei Demonstrationen. Also mehr Ressourcen für den Unterdrückungsapparat, der aktuell den größten Feind der Pressefreiheit darstellt: den deutsche Staat selbst.
Auch weltweit besorgniserregende Tendenzen
Doch zurück zum weltweiten Ranking der Länder nach Pressefreiheit: Den ersten Platz belegt seit Jahren weiterhin Norwegen. Die letzten Plätze belegen durchweg Regime in Asien, z.B. Vietnam (Platz 178), China (179) und Nordkorea (180).
Währenddessen kämpft im Vereinigten Königreich bis heute der Wikileaks-Gründer und Whistleblower Julian Assange gegen seine drohende Auslieferung in die USA. Ein Beispiel dafür, wie wenig die Pressefreiheit im angeblichen „Land der Freiheit“ wert ist, wenn sie dortiges Unrecht anprangert.
Ein anderer Faktor, welcher der Pressefreiheit nicht grade zugute kommt, sind die vermehrten Kriege auf der Welt. Es bewahrheitet sich der alte Spruch: „Im Krieg stirbt die Wahrheit immer zuerst.“ Sei es der Krieg in Gaza, in dem Journalist:innen, welche die zahlreichen Kriegsverbrechen und den Genozid der israelischen Armee aufdecken, systematisch ermordet werden oder der Krieg in der Ukraine, der als Grund für die Ruhigstellung kritischer Journalist:innen auf beiden Seiten benutzt wird.
Ebenfalls angegriffen wurden im letzten Monat TV-Sender der kurdischen Freiheitsbewegung. Mit heftiger Polizeigewalt wurden in Belgien die Räumlichkeiten der Sender Stêrk TV und Medya Haber durchsucht. Die Europäische Föderation für Journalist:innen (EFJ) kritisierte diesen Angriff auf die Pressefreiheit und v.a. die Polizeigewalt.
Die herrschende Meinung ist immer die Meinung der Herrschenden
Frei nach Karl Marx ist die herrschende oder vorherrschende Meinung in einem System immer die Meinung der Herrschenden. Sie kontrollieren die großen Medienhäuser, Zeitungen und Fernsehsender und können so täglich Millionen erreichen.
In unserem System, dem Kapitalismus, vertreten und verbreiten die etablierten Medien also die Meinung der Kapitalist:innen und nicht die der großen Mehrheit der Bevölkerung, der Arbeiter:innen.
So kommt es auch, dass die „Pressefreiheit“ in Wirklichkeit nicht mehr ist als ein Feigenblatt für die Unterdrücker:innen, mit dem sie sich liberal und fortschrittlich geben können. Sobald sich Journalismus aber nicht nur kritisch äußert, sondern klar revolutionär und parteiisch mit den Unterdrückten und Ausgebeuteten handelt, zögern die Herrschenden nicht damit, sie zum Schweigen zu bringen. Umso wichtiger ist es, dass es freien und unabhängigen Journalismus von unten gibt – Journalismus für die Millionen, nicht die Millionär:innen.