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Montag, September 9, 2024
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    Olympia 2024 und Transfeindlichkeit – Es gibt keinen gerechten Leistungssport

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    Die algerische Boxerin Imane Khelif gewann bei Olympia in Paris nach 46 Sekunden gegen die Italienerin Angela Carini. Danach kam es zu medialen Debatten über die Geschlechtszugehörigkeit der Sportlerin. Zuvor hatten bereits mehrere Sportverbände trans Frauen aus dem Profisport ausgeschlossen – obwohl tatsächliche Vorteile nicht belegbar sind. Aber gibt es überhaupt Chancengleichheit im Profisport? – Ein Kommentar von Alexandra Baer.

    Bei den diesjährigen Olympischen Spielen in Paris gibt es eine erneute Debatte über die Teilnahme von trans Frauen in sportlichen Wettbewerben als Frauen. Die Diskussion entfachte sich rund um zwei Boxerinnen, Imane Khelif (Algerien) und Lin Yu-ting (Taiwan), die bei den vergangenen Weltmeisterschaften nicht teilnehmen durften, in Paris jedoch wieder im Ring sind.

    Die International Boxing Association (IBA), Dachverband der Weltmeisterschaften im Boxen, begründete den Ausschluss der Boxerinnen bei der Weltmeisterschaft 2023 damit, dass diese „Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen weiblichen Wettbewerbern” hätten. Eine Testosteronuntersuchung hatten sich Khelif und Lin laut einer späteren Erklärung der IBA nicht unterzogen. Ihr Ausschluss erfolgte anhand eines „separaten und anerkannten Test (…), wobei die Einzelheiten vertraulich bleiben”.

    Sportverbände beschließen weitgehenden Ausschluss für trans Frauen von Wettbewerben

    Das Olympische Komitee bezeichnete die Entscheidung der IBA als Fehler und erklärte im Zuge der diesjährigen Olympischen Spiele, dass es keinen Zweifel daran gebe, dass die Athletinnen, die auch bei den Spielen in Tokio antraten, Frauen seien und zum Wettbewerb zugelassen werden sollten. Doch nachdem Khelif ihren ersten Kampf gegen die Italienerin Angela Carini vergangene Woche nach 46 Sekunden gewonnen hatte, wurde im Internet und unter Sportkommentatoren viel über die Geschlechtszugehörigkeit der Boxerin spekuliert, obwohl olympische Funktionäre auf nationaler und internationaler Ebene wiederholt erklärt hatten, dass Khelif und Lin als Frauen bei Olympia zugelassen sind.

    Die algerische Boxerin Imane Khelif hatte bereits 2020 in Tokio an Olympia teilgenommen, ist aber im Viertelfinale gegen die Irin Kellie Harrington rausgeflogen. Damals wurde sie jedoch nicht mit falschen Behauptungen über ihr Geschlecht konfrontiert – tatsächlich ist sie nämlich nicht transgeschlechtlich.

    Im Vorfeld der Diskussion um Khelif und Lin hatten zahlreiche Sportverbände den Ausschluss von trans Frauen aus dem Profisport festgelegt. Im Jahr 2023 teilte der Weltradsportverband UCI mit, dass trans Frauen, die erst nach der Pubertät eine Transition vollzogen haben, zukünftig von Sportwettbewerben ausgeschlossen sind. Zuvor hatte dies auch der Leichtathletikverband beschlossen. In Deutschland ist eine geschlechtsangleichende Hormontherapie mit Einverständnis der Erziehungsberechtigten – abgesehen von Ausnahmefällen – jedoch erst ab einem Alter von etwa 16 Jahren möglich. So werden trans Frauen systematisch aus dem Leistungssport verdrängt.

    Sportliche Vorteile nicht belegbar

    Das Olympische Komitee hatte 2021 festgelegt, dass die Weltsportverbände die Regelungen zu der Teilnahme von trans Frauen und Höhe der Testosteron-Grenzwerte selbst festlegen dürfen. Bei Olympia selbst gibt es allerdings keine Testosteron-Grenzwerte.

    Ob höhere Testosteron-Grenzwerte tatsächlich einen „unfairen“ Vorteil darstellen, ist wissenschaftlich nicht bewiesen. Eine Studie im British Journal of Sports Medicine konnte keinen kausalen Zusammenhang zwischen höheren Testosteronwerten und besserer sportlicher Leistung feststellen.

    Auch Erkrankungen wie das Polyzystische Ovar-Syndrom, eine der häufigsten bei Frauen auftretenden Stoffwechselstörungen, können überdurchschnittlich hohe Testosteronwerte hervorrufen. Intergeschlechtliche Frauen, wie die Läuferin Caster Semenya, werden gezwungen, Medikamente einzunehmen, um weiter in ihrer Disziplin antreten zu können.

    Ausschluss von trans Frauen aus dem Profisport

    Chancengleichheit im Sport – ein Mythos

    Für viele Länder stellt der Leistungssport ein wichtiges Aushängeschild dar. Dabei greifen viele Länder zu unfairen Methoden wie verschiedenste Arten des Dopings, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Auch verschiedene soziale Bedingungen in unserer Gesellschaft schaffen ungleiche Möglichkeiten dafür, welche:r Jugendliche:r überhaupt die Möglichkeit bekommt, eine Leistungssportkarriere zu beginnen. Wenn man sich einmal überlegt, wie viel eine Triathlon-Ausrüstung kostet – man bedenke nur das Rennrad und die kostspieligen Triathlon-Anzüge, ganz zu schweigen von den Fahrten zu verschiedenen Wettkämpfen und der Finanzierung verschiedener Trainingscamps –, kann man sich vorstellen, dass nur bestimmte Familien ihren Kindern eine solche Karriere ermöglichen können. Für die meisten Sportarten der Olympischen Spiele dürfte dies nicht anders sein.

    Auch die 2,20m große chinesische Basketballspielerin Zhang Ziyu ist ein Beispiel dafür, dass es keine „natürliche“ Chancengleichheit im Sport gibt: Die 17-jährige stellte bei ihrem Debüt beim FIBA U18 Women’s Asia Cup alle ihre Konkurrentinnen und Mitspielerinnen in den Schatten und erzielte in ihrem ersten Spiel mit ihrer Nationalmannschaft überragende 19 Punkte, 7 Rebounds, 2 Assists, 2 Steals und 3 Blocks in nur 13 Minuten. So verhalf sie China zu einem Sieg von 109:50 gegen Indonesien. Mit ihrer beeindruckenden Körpergröße von 2,20m ist sie größer als die meisten der Top Ten größten Basketballspieler der NBA und kommt fast an den serbischen Basketballspieler Boban Marjanovic dran, der mit 2,24m zurzeit der größte aktive Basketballspieler in der NBA ist.

    Zhang Ziyu wird zurzeit – zurecht – als nächster Superstar des Basketball gehandelt und bekommt bereits Aufmerksamkeit von der NBA, die in ihr eine Parallele zum früheren 2,29m großen NBA-Star Houston Rockets sehen. Bereits Ziyu’s Eltern waren professionelle Basketballspieler:innen: ihr Vater war 2,13m groß, die Mutter, ehemalige chinesische Nationalspielerin, 1,98m. Bei Ziyu kommt jedoch niemand auf die Idee, sie wegen ihrer Körpergröße aus dem Profisport auszuschließen. Dabei ist jedem, der ein Spiel von ihr gesehen hat, klar, dass ihre Körpergröße einen Vorteil darstellt, der nicht zu leugnen ist. Dass gerade bei trans Frauen eine Debatte über den „Schutz der weiblichen Kategorie“ – was auch immer das beinhalten mag – geführt wird, ist kein Zufall, sondern Ausdruck von Trans- und Interfeindlichkeit.

    Kampf gegen Transfeindlichkeit muss Kampf dem Kapitalismus bedeuten

    • Autorin Seit 2023. Angehende Juristin, interessiert sich besonders für Migration und Arbeitskämpfe. Alexandra ist leidenschaftliche Fußballspielerin und vermisst die kalte norddeutsche Art in BaWü.

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