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Montag, September 16, 2024
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    Der IS lässt sich nicht abschieben!

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    Der islamistische Anschlag in Solingen hat die zuvor als erfolgreich bekämpft erklärte Terrormiliz Islamischer Staat erneut ins Licht der Öffentlichkeit gebracht. Innenministerin Faeser verspricht eine „notwendige Härte“ im Kampf gegen den Terror – aber verstümmelt stattdessen das Asylrecht. Egal welcher Art: Im Kampf gegen den Faschismus ist auf den Staat kein Verlass. – Ein Kommentar von Vinzent Kassel.

    Am Freitagabend, den 23.08.2024, griff ein 26-jähriger Täter mehrere Passant:innen auf dem Solinger Stadtfest an. Mit einem Messer bewaffnet ermordete er drei Menschen und verletzte weitere acht Personen teilweise schwer. In der Folge gelang es dem Angreifer zu flüchten – lediglich einen Tag später, am Samstagabend, stellte er sich einer Polizeistreife, durch die er aufgegriffen wurde.

    Indes bekannte sich der sogenannte Islamische Staat (IS) zu der Gräueltat und veröffentlichte ein Video, das sie angeblich von dem Attentäter selbst zugespielt bekommen haben will. Der Täter ist syrischer Staatsbürger und vor dem Krieg in seiner Heimat geflüchtet. Diese Tatsache sorgte wenig überraschend zu den üblichen populistischen Reaktionen der „bürgerlichen Mitte“ und auch der Faschist:innen, welche dieses Unglück für ihre Positionen missbrauchen wollen.

    Friedrich Merz (CDU) beispielsweise forderte umgehend einen Aufnahmestopp für alle syrischen und afghanischen Asylbewerber:innen. CSU-Ministerpräsident Söder geht ohne Umwege direkt in den tiefbraunen Modus über und fordert eine Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl – und stellt damit das Grundgesetz in Frage. Aber selbst Grüne Politiker wie Omid Nouripour springen auf den Abschiebezug auf und fordern die schnellere Abschiebung von strafffällig gewordenen Geflüchteten. Wird so der Islamische Staat bekämpft?

    Der IS galt bereits als besiegt

    Bereits 2019 hieß es in den Medien, dass der IS in Syrien besiegt worden sei. Durch den entschiedenen Kampf der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF), an denen auch die Kurdischen Volksbefreiungsorganisationen YPG/YPJ einen großen Anteil haben, konnte der IS vorerst vertrieben werden.

    Doch fünf Jahre später ist die islamistische Terrorgruppe immer noch aktiv. Nicht mehr als ganzheitliche Armee – stattdessen aber plant sie im Untergrund weiterhin Anschläge auf der ganzen Welt, ob in Russland, Frankreich oder eben auch in Deutschland.

    Türkei kollaboriert mit IS-Kämpfern

    Trotz oder gerade wegen seiner fundamentalistischen Einstellung findet der IS weltweit Verbündete. In ihrem Wahn, jegliche kurdische Identität auslöschen zu wollen, verbündeten sich z.B. vor allem türkische Kräfte in der Vergangenheit mehrfach mit den Kämpfer:innen des Islamischen Staats. An dieser Stelle bröckelt die Fassade des Anti-Terror-Kampfs der westlichen Imperialist:innen.

    10 Jahre Genozid an den Jesid:innen: Der Kampf gegen Patriarchat, Faschismus und Imperialismus hält an

    Nach dem Genozid an 10.000 Jesid:innen unterstützten die Vereinigten Staaten die syrische SDF (Syrian Democratic Forces) mit Waffen – gleichzeitig aber auch ihren NATO-Partner Türkei, von dem die Kriegsgeräte in die Hände des IS fielen. Nachdem der IS scheinbar zerschlagen war, wurde die Unterstützung umgehend beendet und die Kurd:innen waren wieder auf sich allein gestellt. Die westlichen Staaten schauen geflissentlich darüber hinweg, wie ein NATO-Mitglied gezielt versucht, den demokratischen Staat in Nordsyrien zu sabotieren: Dies beginnt bei der Drosselung der Strom- und Wasserversorgung und endet mit militärischen Offensiven – gemeinsam mit IS-Soldat:innen.

    Repressionen gegen kurdische Solidaritätsarbeit in Deutschland

    Der Westen schaut zu und bemüht sich, jegliche kurdische Unterstützung aus dem Ausland zu kappen. So gilt die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Deutschland schon längst als Terrororganisation. Unterstützung und Mitgliedschaft in ihr führen zu horrenden Strafen.

    ARTE-Doku über PKK: Hetze gegen die Befreier vom IS

    Noch im März 2023 saßen zwölf kurdische Aktivist:innen wegen dem unsäglichen §129b StGB (terroristische Vereinigungen im Ausland) hinter deutschen Gittern – dabei war und ist es der kurdische Widerstand, der den islamischen Fundamentalismus in Westasien schon immer am konsequentesten bekämpft hat. Dass der Islamische Staat überhaupt noch handlungsfähig ist, liegt also mitunter an imperialistischen Staaten wie der BRD oder den USA, die zwecks eigener Hegemonialinteressen mit IS-Kollaborateuren wie der Türkei zusammenarbeiten.

    Kein Vertrauen in den Verfassungsschutz

    Vor allem der Deutsche Verfassungsschutz (VS) ist in dem Kontext noch einmal zu erwähnen. Hingegen ist es nicht das erste Mal, dass der VS bei islamistisch motiviertem Terror scheinbar nicht ganz so genau hinschaut: Am 19. Dezember 2016 fährt der islamistische Terrorist Anis Amri am Berliner Breitscheidplatz mit einem LKW in eine Menschenmenge des Weihnachtsmarkts und tötet dabei zwölf Personen. Danach erst kommen Berichte auf, dass Amri bereits seit 2014 beim VS als „gefährlicher Islamist“ bekannt war.

    Dass in seinem Umfeld sogar ein Spitzel aktiv war, versuchten die Behörden dann zu vertuschen. Auch vier Jahre nach der Tat ist der Staat weiterhin bedacht, die Vorkommnisse totzuschweigen. Dafür scheut er auch nicht davor zurück, ehemalige Kontaktpersonen abzuschieben, so dass sie nicht aussagen können. Dass es acht Jahre später wieder zu solch einer fürchterlichen Tat kommt, ist sehr bezeichnend für eine Behörde, die sich anscheinend durch harmlose Umweltaktivist:innen bedrohter fühlt als durch die faschistischen Terrorzellen des IS.

    Islamistischen Fundamentalismus als Klasse bekämpfen

    Und die Regierung? Sie betreibt lieber Symbol-Politik, beschließt z.B. Messerverbote oder kürzt die eh schon geringen Leistungen für Geflüchtete. Im Endeffekt kann man sich im Kampf gegen islamistischen Fundamentalismus nicht auf den Staat verlassen. Es benötigt ein entschlossenes Vorgehen gegen ihn, und zwar von unten – ob es, wo benötigt, Selbstverteidigungsstrukturen oder der aktive Kampf gegen rückschrittliches Gedankengut sind.

    So spricht auch die Föderation Klassenkämpferischer Organisationen (FKO) davon, dem Islamismus eine „eigene sozialistisch-solidarische Perspektive“ entgegenzustellen – die „Perspektive einer neuen Gesellschaft und gemeinschaftlichen Kultur, in welcher Schluss ist mit imperialistischer Ausbeutung oder Unterdrückung aufgrund von Herkunft oder Geschlecht. Einer Gesellschaft, in der wir alle reaktionären Ideologien zurückdrängen können, die in unserer kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft entstehen“. Das müsse an unseren Schulen, in den Universitäten, Betrieben und Stadtteilen geschehen – und zwar bereits heute.

    • Perspektive Autor seit 2024. Schwäbischer Student mit einem Faible für Geographie und Sport. In der Freizeit hauptsächlich in der Kurve anzutreffen, aber auch immer wieder mal auf der Straße bei Demos aktiv.

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