`
Sonntag, September 8, 2024
More

    Grenzkontrollen nach Frankreich verlängert: Schleichende Abschaffung eines Grundrechts?!

    Teilen

    Nach Polen, Tschechien und der Schweiz verlängert Nancy Faeser jetzt auch die Grenzkontrollen zu Frankreich. Die Bewegungsfreiheit innerhalb der EU wird damit schleichend ausgehöhlt.

    Noch im Herbst letzten Jahres wurden Forderungen nach strengeren Grenzkontrollen an deutschen Landesgrenzen zu Tschechien, der Schweiz und Polen von der Bundesinnenministerien Nancy Faeser (SPD) kritisch betrachtet. Dennoch entschied sie sich Mitte Oktober 2023 dann, auf Druck verschiedener Landesminister, direkte Grenzkontrollen einführen zu lassen.

    Vor zwei Monaten wurde eine erneute Verlängerung der Maßnahme um ein halbes Jahr bis zum 15. Dezember bei der EU-Kommission angezeigt. Begründet wurde dies mit dem Kampf gegen die Schleuserkriminalität und der Begrenzung „irregulärer“ Migration. Es findet dabei eine enge Zusammenarbeit zwischen den jeweils angrenzenden Ländern und der deutschen Exekutive statt. „Die Bundespolizei hat seit Mitte Oktober 2023 im Rahmen der aktuellen Binnengrenzkontrollen einschließlich der Grenze zu Österreich etwa 920 Schleuser festgenommen“, erklärte Faeser dazu. An der deutsch-österreichischen Grenze wird es deshalb noch mindestens bis zum 11. November Kontrollen geben.

    Nun wurden auch die Grenzkontrollen zu Frankreich verlängert. Diese hatten – neben den Kontrollen an allen anderen Grenzen Deutschlands – während der Fußball-Europameisterschaft unter dem Vorwand der Terrorismus- und Gewaltprävention bestanden. An der deutsch-französischen Grenze sollen sie wegen der bis zum 11. August stattfindenden Olympischen Sommerspiele in Paris verlängert werden – allerdings bis zum 30. September.

    Weitere Verschärfungen gefordert

    Die Bundespolizei berichtet, von Mitte Oktober bis Ende Mai 2023 an den Grenzen zu Polen, Tschechien, der Schweiz und Österreich rund 37.600 unerlaubte Einreisen festgestellt zu haben. Bei circa 23.000 wurden „einreiseverhindernde oder aufenthaltsbeendende Maßnahmen vollzogen”, weiterhin soll die Anzahl an dokumentierten Einreisen von 21.000 auf 7.500 gesunken sein.

    Demgegenüber jedoch sinkt die Anzahl der Asylanträge nicht: Im Gegenteil, die Kontrollen zeigten keine Wirkung auf die Antragsteller:innen. Die Zahl der Anträge stieg von 31.887 Anträgen im Oktober auf 35.316 im November 2023. Der Migrationsforscher Gerald Knaus vertrat im Dezember gegenüber der Tagesschau die Auffassung, dass bereits in der EU angelangte Geflüchtete nicht mehr umkehren würden. Das würde wiederum dazu führen, dass sie vermehrt Schmugglern vertrauen und dadurch höhere Risiken eingehen würden.

    EU-Parlament winkt GEAS-Reform durch: Stärkster Eingriff ins Asylrecht seit Gründung der EU 

    Daraus wird jedoch nicht etwa abgeleitet, dass die EU menschlicher mit Geflüchteten umgehen oder Fluchtursachen bekämpfen müsste. Knaus etwa fordert stattdessen eine weitere Abschottung der EU-Außengrenze. Dabei sind allein im Mittelmeer seit 2014 fast 30.000 Flüchtlinge ertrunken.

    Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Anreas Roßkopf forderte zum gleichen Zeitpunkt auch eine bessere Ausrüstung der Polizei mit modernen Kastenwägen, mobilen Büros, Notstromaggregaten und Drohnentechnik.

    Thorsten Grimm, der stellvertretende Vorsitzende der konkurrierenden Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG) verlangte damals darüber hinaus auch weitreichende Schleierfahndungen. Diese sollen nun trotz Ende der Fußball-Europameisterschaft bestehen bleiben. Dabei handelt es sich um Kontrollen in Grenznähe, die ohne konkreten Verdacht durchgeführt werden. Sie stehen deshalb oft in der Kritik, weil sie vor allem als rassistische Schikanen wirkten. Deshalb gilt sie unter Jurist:innen mitunter als verfassungswidrig, da sie den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz verletze.

    Europa der Freiheit oder Europa der Überwachung und Abschottung?

    Eine wichtige Lebenslüge der Europäischen Union ist es, eine Bastion der Freiheit zu sein. Besondere Bedeutung hat dabei die „Freizügigkeit“ der EU-Bürger:innen, also ihr Recht, sich weitestgehend frei durch die EU zu bewegen. Grenzkontrollen gehören für die meisten Europäer:innen immer noch der Vergangenheit an.

    Polizeibehörde “Europol” will ungefilterten Zugang zu Chatkontrolle-Daten

    Mit den immer wieder verlängerten Grenzkontrollen wird diese relativ unbeschränkte Bewegungsfreiheit innerhalb der EU jedoch faktisch unterlaufen. Dabei handelt es sich jedoch um eine für die letzten Jahre relativ typische Entwicklung hin zu einem Europa, das sich nach außen zur „Stacheldraht-Festung” aufbaut und nach innen lückenlos überwacht. So lässt die EU die Maske eines „freien Europas“ immer weiter fallen. Mit dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) wurde erst im April ein historischer Eingriff in das Recht auf Asyl beschlossen, der unter anderem eine Inhaftierung flüchtender Familien an den EU-Außengrenzen bedeuten wird.

    Daneben versuchen hohe Vertreter:innen der Europäischen Union schon lange, sich mithilfe von „Chatkontrollen” Zugang zu den Nachrichten aller Menschen in der EU zu verschaffen, um diese filtern zu können. Diese vorerst gescheiterten Pläne sind dabei noch lange nicht vom Tisch. Zeitgleich arbeitet eine informelles Gremium in Brüssel hinter verschlossenen Türen an einer EU-weiten Einführung der Vorratsdatenspeicherung.

    Mit den immer wieder verlängerten Grenzkontrollen werden dabei durch die Hintertür und unter verschiedenen Vorwänden Freiheiten dauerhaft ausgehöhlt, die für Millionen Menschen eigentlich alltäglich waren und der Inbegriff von „Freizügigkeit” waren. Widerstand dagegen gibt es bisher jedoch kaum.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News