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Freitag, März 29, 2024
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    Frankreich: Fünftes Wochenende der Gelbwesten-Proteste

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    Mehrere zehntausend Menschen waren im ganzen Land auf den Straßen. Schwerpunkt waren diesmal Bordeaux und Toulouse. In Paris war ein massives Polizeiaufgebot zusammengezogen worden. Inzwischen demonstrieren „Gelbwesten“ auch in Italien und Israel.

    Am fünften Aktionswochenende der Gelbwesten-Bewegung hat sich die Berichterstattung in Deutschland deutlich ausgedünnt. Die 20-Uhr-Sendung der Tagesschau bringt keinen Bericht mehr über die Bewegung, das ZDF eine Stunde zuvor immerhin noch einen 90-Sekunden-Einspieler. Bilder einer brennenden Pariser Innenstadt, wie man sie noch in den letzten Wochen gesehen hatte, sind diesmal ausgeblieben. Zudem hat sich die Zahl der DemonstrantInnen verringert: Viele deutsche und französische Medien schreiben zunächst von etwa 33.000, Le Monde von 66.000 TeilnehmerInnen – und damit etwa der Hälfte am vergangenen Samstag. Letztere Zahl verbreitete sich später auch in den anderen Medien.

    Die politische Ausgangslage

    Dabei ist in der letzten Woche viel passiert: Frankreichs Präsident Macron sah sich am Montag gezwungen, in einer Fernsehansprache gegenüber der Gelbwesten-Bewegung politische Zugeständnisse anzukündigen. Die Regierung will Geld in die Hand nehmen, u.a. den sonderabgabenfreien Rentensatz erhöhen, sowie die Besteuerung von Überstunden abschaffen.

    Am Dienstag folgte der Terroranschlag auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt mit 4 Toten. Der Täter entkam, seine Flucht beherrschte 50 Stunden lang die öffentliche Aufmerksamkeit, bis er von Polizisten getötet wurde. Die meisten Politiker, auch der Opposition, riefen die Gelbwesten infolge des Anschlags auf, weitere Proteste am Wochenende zu unterlassen. Die öffentliche Stimmung wendete sich scheinbar gegen die Bewegung. Von deren Seite wiederum wurde in den sozialen Medien der Vorwurf erhoben, bei dem Straßburger Anschlag habe es sich um eine Verschwörung, ein Ablenkungsmanöver der Regierung gehandelt.

    Großaufgebot der Polizei in Paris

    In Paris herrschte am Samstag ein polizeiliches Großaufgebot: 8.000 Polizisten waren in der Hauptstadt mit 14 gepanzerten Fahrzeugen im Einsatz. Landesweit belief sich die Zahl der Einsatzkräfte auf 69.000. Die Zeitung L’Humanité schreibt von zahlreichen Polizeikontrollen, geschlossenen Bahnhöfen und U-Bahn-Linien in Paris. Das Ganze an einem kalten, regnerischen Tag. Außerdem waren am vergangenen Samstag im ganzen Land 1.385 Menschen festgenommen worden.

    Die Ausgangssituation für den Aktionstag war also ungünstiger als in den vorherigen Wochen. Dennoch demonstrierten in Paris nach Angaben des französischen Innenministeriums knapp 3.000 Menschen in gelben Westen – vor allem auf den Champs-Elysées und an der alten Oper Garnier. Laut Presseberichten dominierten diesmal politische Forderungen: Die DemonstrantInnen verlangten mehr direkte Demokratie, weniger Steuern auf Grundnahrungsmittel, Wohnungen und Energie sowie weniger Geld und weniger Privilegien für hohe Beamte und Abgeordnete. Auch der Rücktritt Macrons wird weiter gefordert. Gegen Abend räumte die Polizei plötzlich gewaltsam einen Abschnitt der Champs-Elysées und setzte dabei Tränengas und Gummigeschosse ein. Von Seiten der DemonstrantInnen flogen Steine. 150 Personen wurden am Samstag in Paris festgenommen. Der russische Auslandssender RT ist einer der wenigen, die Bilder von der neuerlichen Straßenschlacht brachten.

    Größte Aktionen in Toulouse und Bordeaux

    Der polizeiliche Ausnahmezustand in Paris dürfte dazu beigetragen haben, dass die größten Aktionen an diesem Samstag in anderen Städten des Landes stattfanden. In Toulouse und Bordeaux demonstrierten jeweils 4.500 Menschen. Auch von dort sowie aus Nantes und Lille wird von Tränengas und Straßenschlachten berichtet.

    Ein Toter bei Straßenblockade

    Die Straßenblockaden vor allem in Frankreichs ländlichen Regionen gehen derweil weiter. An der französisch-belgischen Grenze starb ein Autofahrer an einem Blockadepunkt, als er auf einen langsam fahrenden LKW auffuhr. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit der Gelbwesten-Bewegung erhöhte sich damit auf sieben. Die meisten davon geschahen im Zuge von Straßenblockaden. Am 1. Dezember war in Marseille außerdem eine 80-jährige Frau von einer Tränengasgranate der Polizei tödlich getroffen worden.

    Gelbwesten-Aktionen in anderen Ländern

    Während die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich am Wochenende also weitergegangen ist, fand sie in anderen Ländern NachahmerInnen. Im belgischen Brüssel kam es erneut zu Gelbwesten-Aktionen gegen die Regierung und Auseinandersetzungen mit der Polizei. In der italienischen Hauptstadt Rom demonstrierten am Samstag mehrere tausend Menschen in gelben Westen gegen ein neues Anti-Migrations-Gesetz der Regierung. Bereits am Freitag protestierten in den israelischen Städten Tel Aviv und Jerusalem hunderte Menschen in gelb gegen hohe Lebenshaltungskosten und in München wiederum hielt die „Aufstehen“-Bewegung eine Kundgebung mit etwa 200 TeilnehmerInnen in gelben Westen ab.

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