Der Osterholz ist ein Wald zwischen Wuppertal und Haan. Dort will die Firma „Oetelshofen“ fünf Hektar Wald roden, um ihre Abfälle aus der Kalkerzeugung zu lagern. Um das zu verhindern, wurde das Waldstück vor einigen Wochen besetzt. – Ein Besuch bei den BesetzerInnen.
Ruckzuck waren wir aus der Stadt raus. Wir brauchten nur knapp vierzig Minuten, um vom Bahnhof Wuppertal-Vohwinkel in den Wald zu kommen. Durch die räumliche Nähe trifft man im Wald auch häufig AnwohnerInnen aus den umliegenden Städten Haan und Wuppertal und den kleineren Ortschaften an. Das ist mit ein Grund, warum die Solidarität der Bevölkerung mit der Waldbesetzung so groß ist.
Schon beim Eintritt in den Wald sieht man, dass der Wald nicht beforstet wird. Verschiedene Bäume, die hoch in den Himmel ragen, prägen das Landschaftsbild. Hier und da liegt auch mal ein Baum, der durch ein Unwetter entwurzelt wurde. Ein durchaus erfrischendes Bild, wenn man sonst eher schachbrettartig angelegten Forste zu Augen bekommt.
Schon nach wenigen Minuten im Wald begegnete uns eine Kreuzkröte. Sie steht unter strengstem Artenschutz. Etwas tiefer im Wald wurde auch schon der Bereich für die Rodung mit einem Krötenzaun umzäunt. Das war Teil der Auflagen für die Rodung, die aber mehr schlecht als recht umgesetzt wurden. So wurden von Waldschützern meterlange Lücken in diesem Krötenzaun gefunden.
Zwischen hohen Bäumen und Barrikaden
Bei dem angenehm kühlen Klima spazierten wir weiter in den Wald rein. Unser Ziel war klar, die Waldbesetzung. Allerdings kannten wir den genauen Weg nicht und folgten einfach unserer Nase. Unsere offenen Augen ersetzen das übliche GPS auf dem Handy und sehr bald wurden wir auch fündig.
Bevor wir die Besetzung oder die waldhausähnlichen Strukturen in den Bäumen sehen konnten, sind wir auf die Barrikaden gestoßen: Der Weg wird hierzu von vielen eng verzweigten Stöcken und Ästen versperrt. Zu Fuß kann man im Zickzack drum herum gehen, aber es ist klar, das hier kein Auto reinfahren wird. Wir bestaunten also die mehrere Meter langen Barrikaden und schlängelten uns langsam um sie herum.
Als wir die Hindernisse dann überwunden hatten, sahen wir das Lager der BesetzerInnen. Auf dem Boden war ein Bereich mit Sitzmöglichkeiten, Essensvorräten und auch ein sandgefüllter Eimer mit ausgedrückten Kippenstummeln. In den Bäumen waren aus Metallbettgesetellen zwei Lager errichtet worden. Vor Wind und Wetter schützte eine Plane, die am Baum befestigt war.
Als wir keine Menschen „am Boden“ antrafen, grüßten wir in Richtung der Baumhäuser in den besetzen Bäumen und ein Gruß kam auch zurück. Wir machten es uns im Lager gemütlich, während sich kurz danach eine BesetzerIn abseilte und uns in Empfang nahm.
„Man merkt einfach, dass den Menschen dieser Wald total wichtig ist.“
Nun saßen wir am Lager und die AktivistinIn bereitete sich ein Frühstück vor. Die Essensvorräte werden kontinuierlich aufgefüllt. Dafür sorgen die Anwohner, die sich mit der Besetzung solidarisieren. Selbst je ein Kasten Limo, Cola und Bier stehen unter der aufgespannten Plane des Lagers.
Neugierig fragten wir die BesetzerIn aus über das Leben im Wald, ihre Ausrüstung, spezielle Seilknoten, die die BaumklettererInnen benutzen, und sehr bereitwillig und freundlich wurde uns auch geantwortet.
Während unseres Gesprächs erschienen auch drei AnwohnerInnen. Einer hatte seine kleine Tochter dabei, die sich auf den Paletten, die als Sitzgelegenheit dienten, austobte. Sie äußerten ihre Unterstützung und brachten sogar Verpflegung für die BesetzerInnen mit.
Einer der beiden Anwohner verfolgt den Prozess um die Rodung des Walds schon länger. Er betont, dass es wichtig sei, dass die BesetzerInnen stets mit den AnwohnerInnen in Kontakt bleiben und ihre Meinung kommunizieren, damit die Besetzung auch ihren Rückhalt in der Bevölkerung behält. Mit einem herzlichen „auf Wiedersehen!“ verabschiedeten sich die Drei und führten ihren Waldspaziergang und wir unser Gespräch fort.
In unseren Diskussionen kommen wir immer wieder auf andere Themen zu sprechen. Antikapitalismus, Ökologie, soziale Kämpfe waren die Themen, über die wir gesprochen haben und die die BesetzerInnen eindeutig interessierten.
„Warum zur Hölle kann sich irgendeine Firma rausnehmen, den Wald hier zu roden, um ein bisschen günstiger Kalk abzubauen, damit sie mehr Profit scheffeln können und dabei die Lebensgrundlage von allen anderen Menschen kaputt machen!?“, so einer der Besetzer zu uns.
Kalkabbau – laut wie eine Autobahn
Nach mehreren Stunden wollten wir den AktivistInnen dann doch noch etwas Ruhe gönnen und selbst die Zerstörung durch die Kalkförderung erkunden. Wir machten uns also los in die Richtung, von wo aus schon die ganze Zeit ein nicht zuzuordnender Lärm kam.
Es hörte sich an, als befände man sich direkt neben einer Autobahn – es war allerdings der Kalkbetrieb der Firma in unmittelbarer Nähe. Erkennen konnten wir hinter dem Zaun und zwischen den aufgehäuften Bergen von Erde und Steinen nicht viel. Später erfuhr ich, dass diese Berge als „renaturierte Bereiche“ gelten, was ein weiterer Versuch des Greenwashings durch die Kapitalisten ist. Auf diesen Erdhaufen würden später Gräser angepflanzt.
Auf dem Rückweg trafen wir auch auf eine kleine eingezäunte Wiese inmitten des Walds. Diese Fläche wurde gerodet und neu beforstet, um zu beweisen, dass die Natur durch die Rodung keine Schäden erleide, sondern dass man alles wiedergutmachen würde.
Ein paar Gräser und Gebüsche standen da und zwischen ihnen drei, vielleicht vier Bäume, umgeben von einem Wald aus dreißig Meter hohen Bäumen und allerlei anderer Pflanzen. Ein erstaunlich komischer und lachhafter Anblick, wenn es nicht so traurig wäre.
Doch im Kopf bleiben uns die Worte der BesetzerInnen: „Solang die Rodung noch im Raum steht, ist das Ziel natürlich, so lang wie möglich hier im Wald zu bleiben.“
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