Erst vor kurzem machte Philipp Amthor durch den Betrugsskandal rund um das nicht mehr aktive US-amerikanische IT-Unternehmen “Augustus Intelligence” Schlagzeilen. Jetzt wurde auf seine Initiative hin von der CDU im Bundestag ein Antrag eingereicht, der den 23. Mai zum offiziellen “Gedenktag für das Grundgesetz” machen will. Natürlich nur echt mit Nationalhymne und feierlichen Bundeswehraufmärschen. Selten wurde so klar demonstriert, was Nationalismus letztendlich ist: Ein Ablenkungsversuch der Herrschenden. – Ein Kommentar von Rudolf Routhier.
Was zählt, wenn wir wieder Stärke zeigen müssen? Dieser Werbespruch der neuen Bundeswehrkampagne ist seit einigen Wochen an vielen Werbetafeln, Bushaltestellen, Bahnhöfen und natürlich Schulen zu lesen. Der deutsche Imperialismus will sein Kanonenfutter schließlich möglichst jung. Auf welche historische Epoche sich das “wieder Stärke zeigen” jedoch bezieht, bleibt so unheilvoll wie unbeantwortet im Raum stehen. Unweigerlich fragt man sich: wann hat Deutschland zuvor “Stärke gezeigt” und wie ging das aus?
Für alle diejenigen, denen die Großmachtsambitionen der Bundeswehrkampagne jedoch noch zu subtil sind, hat CDU Politiker Philipp Amthor jetzt die Lösung: Deutschland muss wieder patriotischer werden. Der erste Schritt dahin? Künftig soll der 23. Mai zum Gedenktag des Grundgesetzes werden.
Diesen Antrag möchte die CDU auf seine Initiative hin im Bundestag stellen. Warum eigentlich nur ein Gedenk- und kein Feiertag? Klar, damit den Bossen kein Arbeitstag verloren geht. Im Gegensatz zu Feiertagen ist an Gedenktagen nämlich weder schul- noch arbeitsfrei. Was wir anstelle eines freien Tages bekommen? Feinsten Hurra-Patriotismus. Ein Meer aus Deutschlandfahnen, die Nationalhymne, öffentliche Aufmärsche der Bundeswehr und eine Rede des Kanzlers zur Lage der Nation. Aber das bitte nicht nur am 23. Mai. Wenn es nach Amthor ginge, müsste die Nationalhymne generell öfter gesungen werden, und auch die deutsche Flagge und die Bundeswehr müssten wesentlich präsenter werden. Und vermehrt möge die Bundeswehr öffentliche Appelle und Gelöbnisse abhalten.
Im Gleichschritt, Marsch!
In der Geschichte war es selten ein gutes Zeichen, wenn die Armee anfing, regelmäßig durch die Straßen zu exerzieren , wenn deutsche Fahnen an jedem Laternenpfahl hingen und selbst bei jedem noch so kleinen Anlass stolz die Nationalhymne gesungen wurde – aber Philipp Amthor scheint das anders zu sehen: Seiner Meinung nach haben „unsere nationalen Symbole … ein starkes Potenzial für einen verbindenden Patriotismus“. Wobei sie selbstverständlich nicht für „Diskriminerung“ stehen. Da sind die beiden Faschisten, mit denen sich Amthor 2021 bei einem Pferdefestival ablichten ließ und von denen einer ein T-Shirt trug, das zu Solidarität mit der Holocaust- Leugnerin Ursula Baverbeck aufrief, aber sicher enttäuscht. Was sie wieder aufmuntern sollte, ist Amthors Leidenschaft für Theodor Maunz, dessen Kommentar zum Grundgesetz er auf einem Instagram-Post im gleichen Jahr stolz in die Kamera hielt.
Maunz war nicht nur einer der führenden Juristen im Nationalsozialismus, sondern prägte – so sein Schüler und CDU-Politiker Roman Herzog – das Verfassungsrecht des Nachkriegsdeutschland „maßgeblich“ mit. 1948 arbeitete er beim Verfassungskonvent am Herrenchiemsee an den Grundlagen der Verfassung der BRD mit. Seinen faschistischen Wurzeln blieb Maunz dabei immer treu. Unter anderem schrieb er Kommentare für die faschistische National Zeitung und kämpfte erbittert für ein Ende der Entnazifizierung.
Wir sehen also: Amthors scheinbare Leidenschaft für das Grundgesetze und deutsche „Patrioten” ist nichts Neues. Doch ist das alles? Einfach nur ein weiterer rechter Vorstoß der CDU, der im Bundestag höchstwahrscheinlich scheitert und dann öffentlichkeitswirksam ausgeschlachtet werden wird? – Ja und Nein. Zweifellos ist es ein Versuch der CDU, sich als “volksnahe und patriotische” Opposition aufzuspielen, aber der Antrag steht auch im Kontext der Aufrüstungsoffensive des deutschen Imperialismus und bei der ist die CDU nicht allein. Schließlich spricht mittlerweile selbst die SPD davon, dass man wieder „Führungsmacht” werden müsse.
Nach dem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen und milliardenhohen Rüstungsaufträgen ist die Bundeswehr zwar waffentechnisch recht gut dabei, was aber noch fehlt sind Menschen, die dann auch willens sind, für Deutschland zu sterben. Der Versuch, staatlich verordneten Patriotismus und Bundeswehraufmärsche wieder massentauglich zu machen, kommt da gerade richtig. Allgegenwärtige Propagandakampagnen und die zunehmenden Präsenz der Bundeswehr an Schulen und Ausbildungsmessen zeigen schließlich jetzt schon, wie engagiert daran gearbeitet wird, die Bevölkerung in die Armee zu kriegen.
Auch das von Amthor betonte “verbindende Element” des Patriotismus hat seine Nützlichkeit: So hofft man darauf, dass die unter Preisexplosion, Wirtschaftskrise, Kriegsgefahr und Verarmung leidenden Arbeiter:innen dadurch schön ruhig bleiben. Schließlich dürfen sie sich mit der Illusion trösten, dass sie – wenn auch sonst nichts weiter – wenigstens das “Deutschsein” mit den Herrschenden in Politik und Wirtschaft eint. Wie die deutsche Geschichte zeigt: selbst das aufgerüstete Heer ist nutzlos, wenn es an der Heimatfront rebelliert.
Betrugsskandal um Geheimdienst-Projekt
Doch Philipp Amthor könnte auch noch ein ganz persönliches Motiv haben, seinen Namen in die Zeitungen bringen. Zuletzt tauchte er dort nämlich eher in Negativ-Schlagzeilen auf, durch seine Verbindungen zu den Betrugsvorwürfen gegen das KI-Start-up August Intelligence. Im Aufsichtsrat dieses mehr als zwielichtigen Unternehmens saßen von 2019 bis 2020 nicht nur er, auch der ehemalige Verteidigungsminister Karl Theodor Zu Guttenberg, der Sohn des AFD Großspenders August von Finck junior, der ehemalige Verfassungsschutzchef Hans Georg von Maaßen und der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienst August Hanning waren mit von der Partie. Ein richtiges ‘Who is Who’ der echten Elite in Politik, Wirtschaft und Geheimdienst. Der Konzern hatte das Ziel, eine deutsche Firma für Überwachungssoftware und Gesichtserkennung herzustellen, um dem bisherigen Marktführer , dem US- Konzern “Palantir”, Konkurrenz zu machen.
Nur klappen wollte das Ganze nicht so recht. Erst gab es Betrugs- und Korruptionsvorwürfe gegen das Unternehmen, dann starb der Gründer plötzlich bei einem Flugzeugabsturz, und auch die Frage, ob die Firma jetzt ihren Sitz in der Steueroase Delaware oder der Steueroase Lichtenstein hat, konnte nicht wirklich geklärt werden. Trotzdem versuchte Amthor, den CDU-Politiker Peter Altmeier für die Sache zu rekrutieren und machte nebenbei noch monatlich 1.000 bis 3.500 Euro „Nebenverdienst”. – Schließlich reichen die 200.000 bis 250.000 Euro Jahresgehalt als Bundestagsabgeordneter ja auch nur mit Mühe und Not zum Überleben.
„Augustus Intelligence Trust“: Liechtensteins Ex-Außenminister half bei der Gründung in Steueroase
Kaum war etwas Gras über die Sache gewachsen – natürlich ohne nennenswerte Konsequenzen für die illustren Beteiligten -, da reichte der Treuhänder des Unternehmens, Bryan Ryniker, Ende April eine Klage auf Rückzahlung von investierten 30 Millionen Dollar ein. Schon war Amthor wieder mittendrin im Skandal. Bei dem Unternehmen habe es sich “von Anfang an um eine Betrugsmasche” gehandelt. Amthor und die restlichen Direktoren seien “ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen”. – Steht dies nun im Zusammenhang mit Amthors Antrag? Nun ja, Gründe zu versuchen, durch Schlagzeilen von dem Skandal abzulenken, gibt es für ihn jedenfalls genug.
Doch es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Amthors derzeitigem Projekt und dem August Intelligence-Skandal. Auch der Nationalismus ist – frei nach Bryan Ryniker – von Anfang an eine “Betrugsmasche”: Verzweifelt wird mit ihm versucht, die Bevölkerung zu willigem Kanonenfutter in den zwischenimperialistischen Kriegen der Herrschenden zu machen. Und wenn man dabei auch noch von der eigenen Korruption ablenken kann, umso besser. – Selten war dies so offensichtlich und so plump wie in dem Grundgesetz-Gedenktag-Antrag der CDU.