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Dienstag, April 30, 2024
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    Vom Weihnachtsmarkt zum Überwachungsstaat

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    Die Stimmen aus den Reihen des deutschen Staatsapparats nach einer Ausweitung öffentlicher Überwachung werden immer lauter. Vor wenigen Tagen hat die „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP) Terrorwarnungen dazu genutzt, verstärkte Kameraüberwachung auf Weihnachtsmärkten zu fordern. All dies ist eingebettet in eine große Aufrüstungsoffensive. – Ein Kommentar von Quentin Klaas.

    Am 29. November wurden in Leverkusen (NRW) und Wittstock (Brandenburg) zwei Jugendliche im Alter von 15 und 16 Jahren wegen Terrorverdachts festgenommen. Die beiden sollen einen Anschlag auf den Kölner Weihnachtsmarkt geplant haben. Als Motiv der beiden wird ein islamistischer Hintergrund vermutet – einer der beiden rief in einem Video auf Telegram zum „Heiligen Krieg gegen den Westen“ auf. Wenige Tage später wurde im niedersächsischen Helmstedt ein 20-Jähriger aufgrund ähnlicher Pläne festgenommen.

    Der Vorsitzende der „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP) Jochen Kopelke forderte im Nachhinein eine verstärkte Videoüberwachung auf Weihnachtsmärkten. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte er: „Videoüberwachung auf Weihnachtsmärkten ist ein hilfreiches Mittel, das intensiv unter dem Einsatz bester Technik genutzt werden sollte.“

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    Instrumentalisierung von Terrorwarnungen

    Die „Gefahr auf deutschen Weihnachtsmärkten“ wird spätestens seit dem Anschlag am Breitscheidplatz in Berlin 2016 – ein Islamist fuhr mit einem LKW in eine Menschenmenge und tötete 13 Menschen – gerne hochgespielt. Der Sozialpsychologe Ulrich Wagner erklärt im Interview mit dem RND, dass „die Wahrscheinlichkeit von Anschlägen auf Weihnachtsmärkten immer noch extrem niedrig ist“.

    Eine erhöhte Gefahr im Vergleich zu vorherigen Jahren oder anderen öffentlichen Veranstaltungen sei nicht belegbar. Einen starken Einfluss auf die Sorge hätte dagegen die Berichterstattung der Medien. Durch Berichte von Einzelfällen „neigen Menschen dazu, die eigene Gefährdung viel höher einzuschätzen“.

    Die Bevölkerung wird durch die mögliche Gefahr von Terroranschlägen also unnötig in Angst versetzt. Menschen empfinden die Installation von Kameras auf Plätzen wie Weihnachtsmärkten dann als eine Maßnahme, die sie schützt. Doch die Überwachung der Märkte dient weniger der sogenannten „öffentlichen Sicherheit“.

    Überwachung schafft keine Sicherheit

    Die Forderung nach stärkerer Überwachung von Weihnachtsmärkten ist zwar zeitlich und auf wenige Wochen begrenzt. Doch das langfristige Ziel ist u.a., die Bevölkerung an öffentliche Überwachung und Kontrolle zu gewöhnen. Verhinderung von Terrorismus kann allerdings nicht durch eine ausgeweitete (Kamera-)Überwachung von Weihnachtsmärkten oder Nachbarschaften erreicht werden. Wenn überhaupt, kann diese im Nachhinein bei der Aufklärung dienen.

    Der Staat scheint im großen und ganzen allerdings nicht daran interessiert, Terroranschläge zu verhindern. Wie unter anderem der NSU zeigte, kommt es in Deutschland immer wieder zu organisiertem faschistischem Terror. Die Terrorgruppe wurde dabei sogar durch Verstrickungen mit dem Verfassungsschutz unterstützt, und eine Aufklärung wird bis heute verhindert – unter anderem durch die Hamburger Landtagsfraktion der Grünen.

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    Die Forderung nach einer Ausweitung der Überwachung reiht sich deshalb eher ein in die Strategie des deutschen Staats, die Kontrollmöglichkeiten in der Öffentlichkeit auszubauen. Im Juni beschloss die Konferenz der Innenminister:innen (IMK) Maßnahmen zur Aufrüstung nach innen, deren Umsetzung sich unter anderem in der Verschärfung von Polizeigesetzen zeigt.

    Die fortschreitende Militarisierung nach Innen geht mit dem Ausbau des Aufrüstungs- , Überwachungs- und Abschiebeapparats einher. Sie ist eng verbunden mit den Kriegsvorbereitungen und den sich zuspitzenden imperialistischen Widersprüchen, die sich zurzeit durch immer neue militärische Konflikte äußern.

    Um der zunehmenden Proteste gegen die Kriegsvorbereitungen Herr zu werden, baut der deutsche Staat seinen Repressionsapparat immer stärker aus. Unter anderem soll ermöglicht werden, die Arbeiter:innen letztlich in jedem Bereich ihres Lebens kontrollieren zu können – sei es beim Einkaufen oder auf dem Weg zur Arbeit.

    Weniger Grundrechte, mehr Überwachung

    • Auszubildender im öffentlichen Dienst aus Hessen. Schreibt über Klassenkämpfe und innenpolitische Entwicklungen in der BRD. Er wurde über den Umweltaktivismus politisiert und schreibt seit 2023 für Perspektive.

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