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Montag, April 29, 2024
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    Beschränkung der Handelsroute im Roten Meer wird zu kostspielig: USA, Großbritannien bombardieren den Jemen

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    Der Schiffverkehr im Roten Meer ist seit Dezember 2023 durch gezielte Angriffe der Huthi-Regierung erheblich eingeschränkt. Diese sieht dies als Akt gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen. Zur expliziten Sicherung ihrer wirtschaftlichen Interessen über die Handelsroute bombardieren die USA und Großbritannien dafür nun den Jemen.

    In der Nacht auf den heutigen Freitag, den 12.01.2024, bombardierten die USA und Großbritannien mithilfe von weiteren Verbündeten Stellungen der Huthi-Regierung im Jemen. 73 Angriffe hätten fünf Regionen des Landes getroffen, die von den Huthi kontrolliert werden, so Huthi-Militärsprecher Jahia Saree. Bei den Bombardierungen seien fünf Mitglieder getötet und sechs weitere verletzt worden.

    Zahlreiche westliche Staaten stellten sich hinter die Aktion. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sieht Deutschland dabei in einer komfortablen Rolle: Zum einen werden (mit Verweis auf Saudi-Arabiens vorbildliches Verhalten gegenüber Israel) lukrative Waffendeals mit den Saudis gerechtfertigt, die diese dann gegen die Huthi im Jemen richten. Zum anderen werden im Namen der Europäischen Union Kriegsschiffe entsendet, um Deutschlands wirtschaftliche Interessen an der freien Handelsroute zu sichern.

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    Dänemarks Außenminister Lars Lokke Rasmussen betonte derweil, der Huthi-Regierung dürfe es nicht gelingen, den internationalen Schiffsverkehr aus dem Roten Meer und dem Suezkanal zu verdrängen. Gleiche wirtschaftliche Interessen also wie die USA, die am Donnerstag erklärten, warum sie trotz kalkuliertem Risiko einer Eskalation des Kriegs in Westasien militärisch aktiv geworden seien: Mit diesen „Präzisionsangriffen“ sollen die Möglichkeiten der Huthi, „den Welthandel“ und „das Leben internationaler Seeleute“ auf „einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt zu bedrohen“, gestört und geschwächt werden.

    Wer sind die Huthi?

    Die Huthi stellen de facto die aktuelle Regierung im Jemen. 2014 marschierten die schiitischen Rebellen von ihrer Hochburg im Norden des Jemens nach Süden und nahmen die Hauptstadt Sanaa ein. Sie zwangen den Präsidenten des Landes und die von Saudi-Arabien, den USA und europäischen Staaten unterstütze Regierung zur Flucht. Es entwickelte sich ein Bürgerkrieg, in den sich die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition mit dem Ziel einschaltete, die ins Exil geflohene Führung wieder im Jemen einzusetzen.

    Mehr als 150.000 Menschen wurden nach UN-Schätzungen in dem Krieg getötet, der im Jemen eine der schlimmsten humanitären Katastrophen der Welt ausgelöst hat. Vor mehr als einem Jahr endete eine Waffenruhe, die aber noch immer weitgehend eingehalten wird. Einer Analyse von 2019 zufolge kommen die Huthi auf etwa 180.000 bis 200.000 bewaffnete Kämpfer. Sie verfügen über ein umfassendes Waffenarsenal und werden vor allem vom Iran und der Hisbollah im Libanon unterstützt.

    Die Huthi-Regierung will nun den gesamten Jemen hinter sich bringen. In ihrer Unterstützung der Palästinenser:innen geht es ihnen vor allem auch darum, ihre Legitimation in der jemenitischen Bevölkerung weiter auszubauen.

    Warum das Rote Meer?

    Der Huthi-Sprecher Jihia Saree erklärte, seine Gruppe wolle israelische Schiffe daran hindern, das Gewässer und den Golf von Aden zu befahren, bis die israelische Aggression gegen ihre „standhaften Brüder im Gazastreifen“ aufhörten. Jedes Schiff, das israelische Häfen ansteuert oder von dort kommt ohne Hilfsgüter für die Palästinenser in Gaza, sei laut den Huthi ein mögliches Ziel.

    Bis zum Kriegseintritt der USA und Großbritannien am Donnerstag, den 11.01.2024,  hätten die Rebellen 27 unterschiedliche Attacken auf Schiffe verübt, die das südliche Rote Meer passiert hätten, sagte Pentagonsprecher Pat Ryder. Nur wenige der attackierten Schiffe hätten allerdings direkte Verbindungen zu Israel gehabt.

    Bei den Aktionen der Huthi wurden mehrere Handelsschiffe beschädigt, internationale Reedereien sahen sich in der Folge gezwungen, ihre Frachter umzuleiten und sie den deutlich längeren Weg um das Kap der Guten Hoffnung fahren zu lassen.

    Daher hatte Pentagonchef Lloyd Austin am 18. Dezember 2023 die Gründung einer sogenannten Schutztruppe für Handelsschiffe im Roten Meer ins Leben gerufen. Die Militärallianz „Prosperity Guardian“ (zu deutsch: Wächter des Wohlstands) versammelt sich unter Führung der US-Marine militärische Streitkräfte aus mehr als 20 Ländern, darunter Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, die Niederlande, Norwegen, Kanada, Bahrain und die Seychellen.

    Eskaliert die US-Militäroperation den Krieg in Westasien?

    Pentagonsprecher Ryder sieht kein Risiko einer Eskalation, da auch die bisherigen militärischen Gegenschläge der USA nicht zu einer Ausweitung des Konflikts in Westasien geführt hätten. Das amerikanische Militär sichert dem israelischen Militär bei ihren Angriffen auf die Palästinenser:innen zwar Schützenhilfe zu, einem Stellvertreterkrieg mit dem Iran wurde aber schon frühzeitig aus dem Weg gegangen.

    Die gebremste  Haltung gegen die Angriffe der Huthis ist ebenfalls Teil dieser Ausrichtung, mit der sich die USA die eigenen Interessen mit so wenig eigenem Aufwand wie möglich sichern wollen. Die Angriffe jetzt sind ein Balanceakt. Währenddessen kündigten die Huthi Vergeltung an und ist entschlossen, zur Unterstützung der Hamas im Gaza-Krieg weiterhin die Durchfahrt von Schiffen im Roten Meer und im Arabischen Meer zu blockieren.

    Die Huthis haben laut einem Bericht von al-Jazeera trotz der offenen Kriegsrhetorik ebenfalls kein Interesse an einer größeren Eskalation im Roten Meer. Vielmehr könnten die Huthis darauf bedacht sein, den Bogen nicht zu überspannen und genau die Waage zwischen Kriegsbegeisterung im eigenen Land und der Toleranz der USA zu halten.

    USA und Verbündete weiten militärische Aktivität im Roten Meer aus

    Währenddessen verurteilen der Iran und Russland die Angriffe scharf, reagierten jedoch nicht militärisch. Beide ordneten die Bombardierungen des Jemen als Angriff auf dies Souveränität der Jeminit:innen ein. Russland rief deshalb bereits eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats ein. China wiederum sei „besorgt über die Eskalation der Spannungen im Roten Meer” und ruft alle Beteiligten zu „Zurückhaltung” auf, so eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums am Freitag.

    Nach Einschätzung von Jens Heibach vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg könne die USA die Huthi allein „mit militärischen Mitteln“ ohnehin nur schwerlich Einhalt gebieten. Seiner Meinung nach ließen sich die Attacken der Huthi im Roten Meer am ehesten stoppen, wenn die Forderung der Huthi nach eine Waffenruhe im Gaza-Krieg erfüllt würden.

    Genau daran arbeitet die USA derzeit mit Hochdruck: US-Vertreter:innen bringen dafür ein saudisch-israelisches Abkommen und sogar einen formellen palästinensischen Staat ins Gespräch. Israels Plan, den Gazastreifen unter israelische Kontrolle zu bringen und administrativ zur erweiterten besetzten Westbank unter Kontrolle der Palestinian Authority zu machen, ist Teil dieser Deeskalationsstrategie der USA.

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