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Montag, April 29, 2024
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    Finanzmärkte: US-Immobilienkrise erfasst deutsche Banken

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    Ein Jahr nach dem Crash der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse geht die weltweite Bankenkrise in eine neue Runde. In Deutschland sind die Deutsche Bank und die Pfandbriefbank besonders betroffen. Investor:innen wetten zurzeit auf einen Kursverfall des Münchener Unternehmens. Hintergrund ist vor allem die Überproduktionskrise auf dem Immobilienmarkt in den USA.

    Die Münchener Pfandbriefbank ist ins Visier von “Shortsellern” geraten. Dabei handelt es sich um spekulative Investor:innen, die Wetten auf den Kursverfall von Aktien eines Unternehmens abschließen: Sie leihen sich die Aktien gegen eine Gebühr und verkaufen diese im Anschluss sofort. Am Ende der Leihfrist kaufen sie das Wertpapier wieder zurück – wenn der Kurs gefallen ist, haben sie einen Gewinn gemacht. Solche Spekulationsgeschäfte treiben für gewöhnlich den Kursverfall strauchelnder Unternehmen voran, so auch im Fall der Pfandbriefbank: Seit März 2023 ist der Aktienkurs des Unternehmens um 40% eingebrochen, am Mittwoch rutschte er um weitere 6% auf ein Allzeittief ab. 8% der frei handelbaren Anteile der Pfandbriefbank sind inzwischen Bestandteil von Wettgeschäften.

    Überproduktionskrise auf dem US-Immobilienmarkt

    Auch die Deutsche Bank steht an den Börsen unter Druck: Am Mittwoch ist der Aktienkurs von Deutschlands wichtigstem Bankenmonopol zeitweise um 4% nach unten gegangen. Die Probleme der deutschen Institute sind eine direkte Folge der Überproduktionskrise auf dem US-Immobilienmarkt, auf dem beide Banken große Mengen ihres Kapitals investiert haben. Während der jahrelangen Niedrigzinsphase an den Finanzmärkten nach der Weltwirtschaftskrise 2008/09 hatten Unternehmen, Investor:innen und Privatpersonen auf der Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten immer mehr Geld in Immobilien gesteckt.

    In der Folge haben sich auf dem Immobilienmarkt weltweit große Überkapazitäten aufgebaut: Vereinfacht gesagt wurden auf Kredit immer mehr Häuser gebaut, und zwar viel mehr, als es eigentlich an zahlungsfähiger Nachfrage gab. Infolge der steigenden Zinsen und der Rekordinflation seit 2021/22 wurde diese Überproduktion auf einen Schlag sichtbar: Etliche Immobilieninvestor:innen konnten ihre Kredite plötzlich nicht mehr bedienen. Ein ähnliches Szenario hatte bereits 2008 zu einer Reihe von spektakulären Banken-Crashs geführt und eine jahrelange Weltwirtschaftskrise eingeleitet.

    Corona-Pandemie und Remote-Arbeit

    Zusätzlich verschärft wird die Immobilienkrise durch eine strukturelle Veränderung auf dem Markt für Gewerbe-Immobilien. Denn seit der Corona-Pandemie und dem anhaltenden Trend zur “Remote”-Arbeit (Fernarbeit über das Internet) haben zahlreiche Firmen ihre Büroflächen reduziert, wodurch die Gebäudepreise in den Keller gegangen sind. In den USA standen im vierten Quartal 2023 fast 20% aller Büroflächen leer. Besonders betroffen sind hierbei Metropolen wie San Francisco, Los Angeles und New York.

    Und gerade hier, bei den US-Gewerbe-Immobilien, haben die Münchener Pfandbriefbank und die Deutsche Bank einen wichtigen Geschäftsschwerpunkt. Das Frankfurter Monopol etwa hat nach Angaben des Handelsblatt 17 Milliarden Euro in den USA investiert, 41% davon in Büro-Immobilien. Auch andere deutsche Banken wie die Aareal Bank, die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) und die Landesbank Baden-Württemberg haben mehrere Milliarden Euro an Geldkapital in den US-Immobilienmarkt gesteckt. Die Pfandbriefbank sieht die Branche daher „in der größten Immobilienkrise seit der Finanzkrise“.

    Immobilienkrise auch in Deutschland

    Der weltweite Bankensektor steckt schon seit dem vergangenen Jahr in einer schwelenden Krise. Anfang 2023 waren kurz nacheinander die kalifornische Silicon Valley Bank, die First Republic Bank und die Schweizer Credit Suisse konkurs gegangen und mussten vom Staat gerettet bzw. von Konkurrenten übernommen werden. Die Pleite der Silicon Valley Bank war dabei eine direkte Folge der Überproduktionskrise in der Tech-Branche, die ebenfalls durch die Pandemie verschärft worden war. Auch damals war die globale Immobilienkrise jedoch bereits akut, und zahlreiche Shortseller wetteten unter anderem gegen skandinavische Banken – wegen deren Schwerpunkts auf Geschäften mit Gewerbe-Immobilien.

    Bankenkrise: Platzt als nächstes eine Immobilienblase?

    Auch deutsche Banken und Sparkassen gerieten damals als Krisenkandidaten in den Fokus, jedoch vor allem wegen der Probleme auf dem Markt für Privat-Immobilien. Kredite rund um den Hauskauf machen bei den deutschen Geldhäusern nämlich über 40% des gesamten Kreditgeschäfts aus, und die Zahl neuer Kreditabschlüsse war im Februar 2023 gegenüber dem Vorjahr um 50% eingebrochen. Die deutsche Bau- und Immobilienbranche befindet sich seitdem also ebenfalls in einer schweren Krise: Im November wurde gemeldet, dass die Bautätigkeit bei Wohnungen gegenüber dem Vorjahresmonat um 30% nach unten gegangen ist, was die Wohnungskrise in Deutschland verschärft. Und die Bauindustrie rechnet angesichts der Krise aktuell damit, 10.000 Arbeitsplätze abzubauen – es wäre der erste große Job-Abbau in der Branche seit der Wirtschaftskrise 2008/09.

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