Die Berliner Regierung hat im Eilverfahren eine Verschärfung des Berliner Hochschulgesetzes auf den Weg gebracht. Dieses soll Zwangsexmatrikulationen, die 2021 abgeschafft wurden, wieder möglich machen. Die geplante Gesetzesänderung reiht sich in die repressive Politik gegen den politischen Aktivismus der letzten Monate und Jahre ein. Besonders Palästina-solidarische Aktivist:innen und Antifaschist:innen stehen im Visier der Berliner Landesregierung. Das Ziel des Gesetzes: Exmatrikulation von allen, die am Campus ihre Stimme erheben und sich organisieren. – Ein Kommentar von Nick Svinets.
Mitte März wurde öffentlich bekannt, dass die Berliner Landesregierung aus SPD und CDU eine Änderung des Hochschulgesetzes plant. Das sogenannte Ordnungsrecht, das 2021 aufgrund studentischer Proteste aus dem Hochschulgesetz gestrichen wurde, soll nun in noch repressiverer Gestalt zurückkommen. Fast alle der aufgelisteten Tatbestände können mit Exmatrikulation bestraft werden.
Zwangsexmatrikulation wieder möglich
In der derzeitigen Fassung ist eine Exmatrikulation aus politischen Gründen nicht möglich. In der geplanten Fassung soll nun Gewalt gegenüber anderen Hochschulmitgliedern, sei es Androhung, Ausübung oder Aufruf dazu, mit dem Ausschluss aus der Hochschule geahndet werden. Eine Definition von Gewalt ist nicht Bestandteil des Gesetzes, was die Gefahr der Willkür besonders drastisch erhöht. Die Kampagne „Hands off Students Rights“ weist darauf hin, dass „auch schon das Stören von Lehrveranstaltungen durch Unterbrechungen und Zwischenrufe“ als Gewalt gewertet werden könnte.
Das Nutzen von Einrichtungen der Universität für (versuchte) Straftaten soll ebenfalls mit Exmatrikulation bestraft werden. Ebenfalls gibt es keine genauere Definition, was im Umkehrschluss bedeutet, dass selbst das Aufhängen von Plakaten, (nicht angemeldete) politische Veranstaltungen, bis hin zu Hörsaalbesetzungen oder Sitzblockaden in das Raster fallen können. Wenn Studierende also ihrem Unmut in Form von Protest Gehör verschaffen, wird der Universität die Möglichkeit gegeben, mit Exmatrikulationen dagegen vorzugehen.
Denn die Auslegung von „Straftaten“ und die letztendliche Entscheidung über die Exmatrikulation trifft der universitäre Ordnungsausschuss der jeweiligen Universität und kein Gericht. Dieser darf das Verfahren komplett geheim und intransparent führen. Das angepasste Berliner Hochschulgesetz wäre somit ein repressiver Einschnitt in die studentischen Rechte. Der einzige Tatbestand, der nicht zwangsläufig mit Exmatrikulation bestraft werden kann, ist Diskriminierung, die Hochschulmitglieder daran hindert, am Universitätsleben teilzuhaben.
Auswirkungen der geplanten Änderung
Studierende müssten somit bei jeglicher Handlung am Campus, die der Universität nicht passt, die Exmatrikulation fürchten. Damit verlieren sie nicht einfach nur den Studienplatz, den sie selbst ausgewählt haben, um sich weiterzubilden. Auch die Förderung durch Stipendien oder BAföG fallen weg und rauben den exmatrikulierten Studierenden jegliche finanzielle Lebensgrundlage, die sie im Umkehrschluss auch wohnungslos machen kann. In Fällen des Aufenthaltsrechts von internationalen Studierenden kann die Exmatrikulation sogar zur Abschiebung führen. Auch der Arbeitsplatz kann durch die Exmatrikulation wegfallen, beispielsweise im Fall von Tutor:innen und anderen studentischen Beschäftigten.
Damit tut das Land Berlin alles, um politischen Aktivismus am Campus klein zu halten und droht allen, die es wagen, ihre Stimme zu erheben, mit dem sofortigen Entzug ihrer Lebensgrundlage. Bürgerliche Medien framten die Gesetzesverschärfung schnell als wichtigen Schritt zur Bekämpfung von Antisemitismus an Berliner Hochschulen. Doch die Gesetzesänderung ist vielmehr ein weiterer Schritt zur Kriminalisierung von Palästina-Solidarität und Antifaschismus.
Die Kriminalisierung von linken Organisationen
Die letzten Monate an (Berliner) Hochschulen waren geprägt durch studentischen Widerstand in Form von Demonstrationen, Kundgebungen oder Hörsaalbesetzungen. Alles legitime Protestformen, um für ein System einzutreten und zu kämpfen, in dem alle studieren und lernen können, für Zeiten ohne Krieg, Imperialismus und Genozid. Doch genau da befindet sich der Knackpunkt.
Wer in der BRD gegen Genozid und Krieg auf die Straße geht, Hörsäle besetzt und zum Boykott aufruft, gilt als antisemitisch. Palästina-solidarische Aktivist:innen haben seit Beginn des Genozids in Gaza in Deutschland ihre Stimme erhoben und dafür Polizeigewalt, Anzeigen, Haft und Bußgelder geerntet. Auch deutsche Hochschulen wurden zum Ort des Protests gegen den Apartheidstaat Israel und den Genozid an der Zivilbevölkerung Gazas.
Die Kriminalisierung von Palästina-Solidarität an deutschen Hochschulen
Der studentische Protest wurde mit Gewalt und Repressionen versucht zu zerschlagen. Nun droht der Ausschluss aus den Hochschulen, weil man sich der deutschen Staatsräson widersetzt und Menschlichkeit einfordert. Gegen Patriarchat und Kapitalismus in ihren verschiedensten Formen anzukämpfen, ist für den deutschen Staat ein Dorn im Auge.
Widerstand gegen das geplante Gesetz
Sei es in NRW, Schleswig-Holstein, Hessen oder Berlin, Universitäten und Schulen sind ein Ort der kapitalistischen Ideologie. Ein Ort, an dem Studieren und Lernen dem Zweck dient, so schnell es geht, vom Sog des Arbeitsmarktes eingezogen zu werden und das kapitalistische Wirtschaftssystem aufrecht zu halten, indem man sich in prekärer Arbeit ausbeuten lässt oder einer verschwindend kleinen Minderheit gehört, die selbst zum Ausbeuter wird. Dieser Agenda steht eine Sache im Weg: Studierende und Schüler:innen, die sich dem kapitalistischen Leistungsgedanken entziehen und sich bspw. politisch engagieren, sei in ihrer Nachbarschaft, an ihrer Schule oder ihrer Uni.
Der Kampf der Berliner Landesregierung gegen politischen Aktivismus ist ein Kampf zur Erhaltung des herrschenden Systems. Die Kampagne „Hands off Students Rights“ macht derzeit auf die Lage an Berliner Hochschulen aufmerksam und will gemeinsam mit Berliner Studierenden und Unterstützer:innen am Dienstag, den 26. März um 12 Uhr vor dem Roten Rathaus gegen das Vorhaben der Landesregierung protestieren.