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Donnerstag, November 14, 2024
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    Die Kriminalisierung von Palästina-Solidarität an deutschen Hochschulen

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    Zionist:innen und Rechte bestimmen derzeit den medialen Diskurs über die Situation an deutschen Universitäten und diffamieren den Aktivismus von pro-palästinensischen Gruppen als antisemitisch. Während Faschist:innen planen, Jüd:innen und migrantische Menschen millionenfach zu deportieren, wird konsequenter Antifaschismus weiter kriminalisiert. – Ein Kommentar von Nick Svinets.

    Die Kriminalisierung von Palästina-Solidarität hat in Deutschland seit dem 7. Oktober 2023 stark zugenommen. Der Großteil der politischen Landschaft in der BRD steht seitdem noch klarer hinter der deutschen Staatsräson und in bedingungsloser Solidarität zum zionistischen Staat Israel. Nicht nur die Politik, sondern auch die Medienberichterstattung sind seither einseitig. Sie nutzen Aussagen der israelischen Regierung oder der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) als unumstößliche Quellen, während Sender wie Al Jazeera als Sprachrohr der Hamas abgetan werden.

    Auch an deutschen Universitäten spielt der Genozid in Gaza seit Ende des letzten Jahres eine zunehmend größere Rolle. Es haben sich vielfältige Bündnisse, Komitees und Gruppen gebildet, die in Solidarität mit Palästina Gedenkveranstaltungen, Vorträge, Demonstrationen und Aktionen organisieren. Besonders die Bündnisse zeichnen sich durch hohe Diversität aus: darunter Menschen aus der Stadtpolitik, der Hochschulpolitik, antimilitaristischen und antifaschistischen Kreisen sowie Personen mit familiären oder freundschaftlichen Verbindungen vor Ort.

    Doch die Palästina-Solidarität an deutschen Hochschulen erfährt immer mehr Repressionen seitens der städtischen Politik, der Hochschulleitungen und der Justiz. Die staatlichen Druckmittel und Zwangsmaßnahmen werden dabei von zionistischen und anderen rechten Gruppen befeuert und weitgehend durch die sogenannte „bürgerliche Mitte“ getragen. Besonders in der Hochschullandschaft zeichnet sich dieses Muster ab.

    In einer Pressemitteilung beklagen der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) und die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) einen an den Hochschulen verbreiteten Antisemitismus, der von „extremistischen Studierenden“ praktiziert werde und seit dem 7. Oktober stark zugenommen habe. Gemeint sind damit all diejenigen, die gegen den Völkermord in Palästina protestieren und sich solidarisieren.

    Kriminalisierung von Palästina-Solidarität

    Eben diese Studierenden sind jedoch zunehmend von Repressionen betroffen. Deutsche Universitätsleitungen unterbrechen Gedenkveranstaltungen, verbieten politische Bildungsveranstaltungen am Campus oder untersagen Kundgebungen.

    Bei der Hörsaal-Besetzung an der FU Berlin wurden z.B. Studierende von der Polizei unter Anwendung von Schmerzgriffen geräumt. Alles im Beisein von rechten Zionist:innen, die die Räumung durch die Staatsgewalt bejubelten, Transparente beschmierten und vor der Presse behaupteten, ihnen wäre der Zutritt zum Saal aufgrund ihres jüdischen Glaubens verwehrt worden.

    „Viva, Viva, Palästina!“- Hörsaalbesetzung an der Freien Universität Berlin

    Auch an der LMU München fand eine Hörsaal-Besetzung als Mittel des gewaltfreien Protests statt. Die Münchner Studierenden sollten ebenfalls im Auftrag der Uni-Leitung von der Polizei geräumt werden, entschieden sich jedoch schließlich, ihre Aktion nach draußen zu verlagern.

    An der Universität Kassel wurde im Oktober 2023 eine Veranstaltung zum Gedenken an Yousef Shaban, einen in Gaza durch israelische Bomben getöteten Studierenden, abgebrochen, da sie von der Präsidentin der Universität, Ute Clement, als zu politisch empfunden wurde.

    Konservative fordern Kampf gegen vermeintlichen „Extremismus“

    Am 7. Februar fand ebenfalls in Kassel eine studentische Vollversammlung statt. Verschiedene Gruppen schilderten dabei, wie sie unter den Druckmitteln und Eingriffen der Uni-Leitung leiden. Anwesend waren auch der Bundesvorsitzende des RCDS und Kasseler Student Lukas Honemann. „Honemann hat in seiner Rede die Kapitalinteressen von Rüstungskonzernen wie Rheinmetall & Co. verteidigt und die wohlbekannte, unwissenschaftliche Hufeisen-Theorie zum Fundament seiner Rede gemacht“, erzählt ein Teilnehmer. Nach harscher Kritik und lautem Gelächter über die Positionen des RCDS-Vorsitzenden durch die über 120 anwesenden Studierenden verließen einige Konservative und pro-israelische Menschen den Saal.

    In der Pressemitteilung des RCDS und JSUD wird auch Honemann zitiert, der mehr Diskurs fordert und eine Gefahr für die liberale Demokratie in angeblich „extremistischen Studierenden“ sieht. Die Realität sieht jedoch anders aus: Palästina-solidarischen Studierenden bleibt überhaupt kein Raum für den Diskurs, da die deutschen Universitäten kaum bis keine demokratisch-politische Partizipation und Proteste ermöglichen. Stattdessen wird Palästina-Solidarität kriminalisiert, als antisemitisch diffamiert und extremistisch gekennzeichnet. Für die Betroffenen hagelt es weiter Anzeigen und Bußgelder – ganz im Sinne einer ‚demokratischen Auseinandersetzung‘ im Kapitalismus.

    Gewalt gegen jüdischen Studenten an der FU Berlin

    Außerdem thematisiert die Pressemitteilung der beiden Verbindungen den Angriff eines Studenten auf einen jüdischen Kommilitonen von der FU Berlin. Der Vorfall wird – obwohl überhaupt noch keine Details zum Hergang der Situation veröffentlicht wurden – als antisemitische Straftat inszeniert. Ihr soll eine verbale Auseinandersetzung voraus gegangen sein. Der angeblich Geschädigte war im Dezember auch schon bei der Hörsaal-Besetzung an der FU Berlin als Störer anwesend. Dabei riss er Plakate von Wänden, schubste Ordner:innen und fiel mit radikal-zionistischen Aussagen auf.

    AfD bis Ampel sind Teil des Problems

    Während Nazis von der AfD oder dem III. Weg planen, Jüdinnen und Juden und migrantische Menschen millionenfach zu deportieren, wenden Zionist:innen, Rechte und Konservative den Diskurs hin zum sogenannten „importierten“ oder „linken Antisemtismus“. Dabei werden die Meinungen von Jüdinnen und Juden, migrantischen Menschen und Linken, die in Solidarität mit Palästina stehen, kriminalisiert und als antisemitisch kategorisiert. Konkrete Belege oder Argumentationen bleiben sie jedoch schuldig.

    Zionist:innen, Faschist:innen, Konservative und auch die vermeintlich fortschrittliche Ampelregierung sind somit Teil des Problems und leisten der rassistischen Politik in Deutschland Vorschub. Einen tatsächlichen Beitrag zum Kampf gegen das Erstarken des Faschismus oder Antisemitismus leisten sie damit nicht – erst recht nicht mit der Unterstützung der rechten Regierung Israels, die sich – fälschlicherweise – als Stellvertreterin des Judentums sieht.

    Warum die IHRA-Definition von Antisemitismus auch jüdischen Arbeiter:innen schadet

    • Perspektive-Autor seit 2024 und Politikwissenschaftsstudent mit Fokus auf Westasien & Sahelzone, Migration, Antirassismus, Antimilitarismus und internationale Klassenkämpfe.

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