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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Gaza-Protestcamps: Warum es Widerstand in den Bildungseinrichtungen braucht

In der vergangenen Woche haben sich Protestcamps gegen den Genozid in Gaza an Universitäten ausgebreitet. Schüler:innen und Studierende sollten auch hier in Deutschland ihre Stimmen erheben und gegen die Komplizenschaft des deutschen Staates kämpfen. – Ein Kommentar von Marius Becker und Gillian Norman.

In den USA kam es in der vergangenen Woche zu dutzenden Festnahmen an den renommierten Universitäten „Yale“ und „Columbia University“. Studierende, die sich für ein Ende des Gazakrieges eingesetzt hatten, wurden von der Polizei auf ihrem Uni-Campus festgenommen. Die Aktionsformen gingen über gewöhnliche Demonstrationen hinaus, und die Studierenden campierten auf dem Universitätsgelände in Zelten und blockierten teilweise die Campus-Zugänge.

Besonders stark fielen dabei die Repressionen an der New Yorker Columbia University aus. Dort gab es 100 Festnahmen, und der gesamte Unterricht wurde auf Onlinekurse umgestellt. 13 Studierende und zwei Lehrkräfte wurden infolge der Proteste wegen „nicht statthaften Verhaltens“ suspendiert. Die Universitätsleitung begründete diese Maßnahmen mit „antisemitischen Äußerungen“, die bei den Demonstrationen und Protesten angeblich weit verbreitet wären. Konkrete Belege lieferten sie nicht.

Von New York bis Berlin: Die Palästina-Repressionen gehen weiter

In Frankreich kam es ebenfalls zu ähnlichen Aktionen. In Paris wurde das zentrale Campusgebäude des Elite-Instituts für politische Studien („Sciences Po”) durch schätzungsweise 60 Studierende blockiert. Diese forderten ein Ende der Zusammenarbeit zwischen ihrer Uni und israelischen Universitäten. Auch in Sydney (Australien) organisierten Studierende ein Protestcamp. Eine Sprecherin erklärte, dass die Universität ein Ort der Bildung sein sollte, statt ein Standort der Waffenindustrie.

Es lohnt sich, vor Augen zu führen, warum Schüler:innen und Studierende auch hier in Deutschland ihre Mittel nutzen sollten, um gegen die Komplizenschaft des deutschen Staats am Genozid in Gaza, sowie gegen die Militarisierung der Gesellschaft zu kämpfen.

Schulen und Unis sind keine neutralen Orte

Schüler:innen und Studierende bekommen immer wieder zu hören, dass die Bildungseinrichtungen, wie Universitäten und Schulen, neutral seien. Die staatlichen Institutionen versuchen, sich dabei eine ideologiefreie Bildung auf die Fahne zu schreiben und die jungen Menschen zur Demokratie zur erziehen. Während des Kriegs in Gaza zeigte sich deutlich, dass das nichts als Heuchelei ist. Denn wer sich im Schulunterricht gegen die deutsche Staatsräson zur uneingeschränkten Unterstützung des israelischen Staates stellt, bekommt es schnell mit heftigem Gegenwind durch Lehrkräfte und Schulleitungen zu tun.

Schüler:innen werden, beim Versuch ihre Meinung zu sagen und sich gegen den Krieg in Gaza zu stellen, eingeschüchtert und ihnen werden Konsequenzen wie Akteneinträge angedroht, während Schulleitungen pro-israelische Statements im Namen der „Schulgemeinde“ veröffentlichen. Maßnahmen wie das Verbot von T-Shirts mit „Free Palestine“-Slogans wurden mit dem Schutz des Schulfriedens oder einem vermeintlichen Neutralitätsgebot begründet. Demonstrationen von Schüler:innen in Neukölln wurden verboten und Besetzungen von Studierenden an der FU Berlin durch die Polizei geräumt.

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Militarisierung der Bildung bekämpfen

Doch nicht erst in den letzten Monaten ist das die Realität für junge Menschen. An vielen Schulen kommen beispielsweise jährlich Jugendoffiziere vorbei, um unter dem Deckmantel der „Information über Sicherheitspolitik“ Werbung für eine Karriere bei der Bundeswehr zu machen. Schulen und Universitäten stellen für den deutschen Imperialismus eine wichtige Institution für das Vorantreiben der Militarisierung dar. In Zeiten, in denen die Gesellschaft für den Krieg begeistert werden soll und die Rüstungsindustrie hochgefahren wird, ist der Bildungsbereich ein geeignetes Ziel.

An vielen deutschen Universitäten gibt es eine sogenannte „Zivilklausel”, die es Unis verbietet, für Einrichtungen der Bundeswehr oder der Rüstungsindustrie zu forschen. Diese reinen Selbstverpflichtungen werden jedoch im Zuge der „Zeitenwende“ immer öfter in Frage gestellt. Im Jahr 2019 wurde die Pflicht zur Zivilklausel in NRW bereits abgeschafft. Eine Abschaffung würde vor allem der deutschen Rüstungsindustrie zugute kommen, die ihre Waffenproduktion durch die Forschung – bezahlt durch die Steuern der Arbeiter:innenklasse – weiterentwicklen und ausweiten könnte.

Militärforschung bald zurück an hessischen Unis?

Auch für jüngere Menschen zeigt sich die zunehmende Militarisierung in immer wiederkehrenden Forderungen nach einer Reaktivierung der Wehrpflicht. Alle paar Monate wird dieser Schritt von Politiker:innen ins Spiel gebracht, in wenigen Wochen will „Kriegsminister“ Pistorius einen konkreten Plan vorstellen. Die Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat sich zudem für regelmäßige „Zivilschutzübungen“ und eine Erhöhung der Präsenz von Jugendoffizieren an deutschen Schulen ausgesprochen, um ein „unverkrampftes“ Verhältnis zur Bundeswehr herzustellen.

Dort kämpfen, wo wir lernen

Für junge Menschen, die sich in der Zeit der Ausbildung befinden, sind die Schulen und Universitäten die Orte, an denen sie den Großteil ihrer Zeit verbringen. Daher ist auch der ideologische Einfluss, den der deutsche Staat dort ausüben kann, besonders groß. Gleichzeitig bedeutet es auch, dass Schüler:innen und Studierende diesen Ort als politischen Ort sehen müssen, an dem sie ihre eigenen Positionen – wenn auch gegen die Einschüchterungsversuche und Repressionen – in die Massen tragen können.

Was es dafür braucht, sind klassenkämpferische Organisationen der Schüler:innen und Studierenden, die der Hegemonie der deutschen Staatsräson den Kampf ansagen. Die Studierenden in New York, Paris und Sydney zeigen aktuell, welche Mittel wir in diesem Kampf nutzen können. Vor allem zeigen sie dabei, dass Durchhaltevermögen und Kampfbereitschaft wichtig sind, wenn man sich gegen die politischen Interessen des eigenen Staats richtet.

Gillian Norman
Gillian Norman
Schreibt seit 2022 für Perspektive und ist seit Ende 2023 Teil der Redaktion. Studiert Grundschullehramt in Baden-Württemberg und geht früh morgens gerne eine Runde laufen.

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