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Samstag, Juli 27, 2024
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    Berliner Wissenschaftler:innen solidarisieren sich mit pro-palästinensischen Studierenden

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    Nach den palästina-solidarischen Protestaktionen an Berliner Hochschulen und den massiven Repressionen gegen die beteiligten Studierenden positionieren sich nun auch Wissenschaftler:innen zur internationalen Studierendenbewegung und fordern ein Ende der Polizeigewalt an den Berliner Universitäten. – Ein Kommentar von Nick Svinets

    Nach Beginn der weiteren militärischen Eskalation seitens Israels in Rafah wurden von Leipzig über Köln und Hamburg bis München studentische Protestcamps errichtet. Geprägt sind diese kämpferischen Aktionen von starken Repressionen seitens der Universitätsleitungen, die als Stellvertreter des deutschen Staats versuchen, mit allen Mitteln den unliebsamen und herrschaftskritischen Protest im Keim zu ersticken.

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    Repressionen gegen Studierende

    In verschiedenen Städten kam es im Laufe der letzten Woche zu diversen Räumungen von Protestcamps wie zum Beispiel an der Freien Universität Berlin (FU). Nach nur wenigen Stunden war die Universitätsleitung mit Hilfe der Polizei gegen ihre eigenen Studierenden vorgegangen. Bei der gewaltvollen Räumung wurden mehrere Studierende durch die Polizei verletzt, nicht nur durch Schmerzgriffe, sondern auch durch die Verwendung von Pfefferspray.

    Berlin: Protestcamp an der Freien Universität von der Polizei geräumt

    Auch bei der Besetzung an der Humboldt Universität Berlin (HU) kam es zu massiver Polizeigewalt, die von der Universitätsleitung gewollt und gebilligt wurde. Dieses unterdrückende Verhalten der Berliner Uni-Leitungen bewegte Professor:innen, Dozierende und andere Uni-Mitarbeiter:innen dazu, Stellung zu beziehen.

    Statement der Berliner Lehrenden

    Nachdem die internationale Protestwelle nun auch Deutschland erreicht hat, haben Lehrende in ganz Deutschland begonnen, Solidarität mit ihren Studierenden zu zeigen: Angefangen in Berlin verfassten Dozierende ein Statement, das sich zwar nicht explizit zu den Forderungen der Studierenden äußerte, aber das repressive Vorgehen gegen den friedlichen Protest kritisierte.

    Sie fordern ein Ende der Polizeieinsätze und Rechtsverfahren gegen die Aktivist:innen und plädieren für einen offenen Austausch und den Erhalt von „Räumen der kritischen Öffentlichkeit“. Sie wiesen zudem darauf hin, dass im Fall der Uni-Leitung der FU noch nicht einmal das Gespräch mit den Studierenden gesucht wurde, sondern die Polizei unmittelbar eingebunden wurde, um das Camp mit Gewalt zu räumen.

    Das Statement der Lehrenden sorgte für breite Aufmerksamkeit und wurde in altbekannter Manier von den rechten und bürgerlichen Medien durch den Dreck gezogen. So lautet die prompte Schlagzeile der BILD „Die UniversiTÄTER“, ergänzt durch eine Liste der solidarischen Lehrenden, darunter auch der Nationalsozialismus-Forscher Prof. Dr. Michael Wildt. Nach Ansicht der Springer-Presse scheint auch ein Historiker mit Schwerpunkt „Nationalsozialismus” und diversen renommierten Werken zum Thema „Holocaust” antisemitisch zu sein.

    Jetzt äußerte sich auch die FDP-Politikerin und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ausdrücklich gegen das Statement der Lehrenden. Sie sei „fassungslos“ über die Inschutznahme der Studierenden, die vermeintlichen Israel- und Judenhass verbreiten würden. Der Tatsache, dass ebenfalls jüdische Studierende – sei es in den USA, Deutschland oder Großbritannien – maßgeblich an der Errichtung der Protestcamps beteiligt sind und sich seit Oktober 2023 gegen den Genozid und Krieg seitens Israels richten, scheint der Bildungsministerin gleichgültig zu sein.

    Was die breite Aufmerksamkeit jedoch – in überwältigender Weise – auch ermöglicht hat, ist die Dynamik, dass das Statement ebenfalls an anderen (auch deutschen) Universitäten zum vordersten Gesprächsthema wurde: Mittlerweile haben 894 Dozierende aus der ganzen Welt und 365 Berliner Dozierende das Positionspapier unterzeichnet. Dies setzt nicht nur ein klares Zeichen gegen die repressive Politik des deutschen Staats, sondern bringt auch weitere Bewegungen im Bereich der Forschung in Gang und ermutigt andere Wissenschaftler:innen, sich zu positionieren.

    Lasst dem Statement Taten folgen!

    Anstatt sich nun auf der Solidarität seitens vieler Dozierender auszuruhen, braucht die internationale Studierendenbewegung jedoch zusätzlich ganz praktische Solidarität – ähnlich wie es Dozierende auch in den USA, Mexiko, Frankreich oder Großbritannien vormachten. Mit realer Solidarität ist der gemeinsame Kampf gemeint: Die Wissenschaftler:innen an deutschen Universitäten dürfen nicht weiter über den brutalen Genozid in Gaza schweigen!

    Sie sollten im Sinne der Wissenschaft gemeinsam mit ihren Studierenden gegen Krieg und Genozid auf die Straße gehen und hinter den Forderungen des palästina-solidarischen Protestes stehen. Das beinhaltet einen vollständigen akademisch begründeten und kulturellen Boykott des zionistischen Apartheidstaats Israel, die Implementierung von „Zivilklauseln” an allen deutschen Universitäten, ein Ende der Besatzung Palästinas und ein bedingungsloses Rückkehrrecht für alle vertriebenen Palästinenser:innen.

    Das Statement ist ein erster wichtiger Schritt, dem noch viele Schritte folgen müssen – hin zu einer revolutionären Studierendenbewegung mit Rückhalt der Wissenschaft, die gemeinsam mit der Arbeiter:innenklasse für eine Welt ohne Genozid, Krieg und Ungerechtigkeit kämpft. Nur so kann den imperialistischen Kriegen ein Ende gesetzt werden.

    • Perspektive-Autor seit 2024 und Politikwissenschaftsstudent mit Fokus auf Westasien & Sahelzone, Migration, Antirassismus, Antimilitarismus und internationale Klassenkämpfe.

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