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Donnerstag, September 12, 2024
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    Bundeswehr auf der Gamescom: Zocken für den Krieg

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    Am Mittwoch startet in Köln die Gamescom. Die jährlich in Köln stattfindende Videospiel-Messe lebt unter anderem von der direkten Publikumsbeteiligung, dass man auf der Messe an allen Konsolen mal daddeln kann. Und wer Lust auf richtigen „Multiplayer“ und „Open World“ hat? Einfach mal bei der Bundeswehr ’ne Runde für den Krieg zocken! – Ein Kommentar von Marceline Horn.

    Mit der Gamescom startet am Mittwoch die größte Videospiel-Messe der Welt, auf der etliche Spielentwickler:innen ihre neuen Spiele sowie ihre Gaming-Hardware vorstellen. Fünf Tage lang können Besucher:innen dabei den aktuellen Stand der digitalen Gaming-Welt genießen – und eine Menge ausprobieren. Wer auch mit am Start ist? Die Bundeswehr.

    Obwohl die deutsche Armee eigentlich nicht viel mit Videospielen zu tun hat, ist sie schon seit Anbeginn der Messe im Jahr 2009 jährlich dabei. Dass Gaming und Kriegstreiberei nicht unbedingt Hand in Hand gehen, räumt die Bundeswehr auch in ihrem diesjährigen Programm ein: So zielt sie nach eigenen Worten eher darauf ab, das tägliche Leben beim Bund näher zu bringen, über Ausrüstung und Fahrzeuge zu „informieren“ und ihren „Auftrag klarzustellen“.

    Um nicht zu sehr aus dem Raster zu fallen, werben die deutschen Soldat:innen außerdem mit einem 110-Zoll-TV-Screen, an dem „Flappy Bird” – ein mittlerweile ziemlich aus der Mode gekommenes Handyspiel – gegen eine KI gespielt werden kann. Die „großen Bildschirme“ der Bundeswehr sollen für junge Gamer wohl besonders verlockend sein. Zu digital oder zu realitätsfern? Kein Problem! Mit den Vorzeigefaschisten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) lässt sich auch herrlich ein Baumstammschleppen veranstalten.

    Rechte Schattenarmee: Und immer wieder das KSK, die Eliteeinheit der Bundeswehr

    Jugendliche zocken mehr – ein gefundenes Fressen für die Bundeswehr

    Am Ende des Tages lässt es sich mit dem Morden und Sterben für den Imperialismus nicht so einfach werben, weshalb die Bundeswehr kein Wort darüber verliert, wofür diese ganze Ausrüstung überhaupt genutzt wird und was dieses Training eigentlich bedeutet.

    Die ganzen Aktionen wie das Tragen des Baumstamms werden als kleine witzige Challenge dargestellt: 2018 warb die Bundeswehr sogar mit Postern, auf denen Sprüche wie „Multiplayer at its best“ und „Mehr Open World geht nicht“ zu lesen waren. Doch dass man im echten Krieg nach dem Game over nicht respawnt? Klingt nach keinem so spaßigen Multiplayer.

    Trotzdem macht es aus kriegstreiberischer Sicht der Bundeswehr viel Sinn, auf der Gamescom vertreten zu sein. Anfang der Woche veröffentlichte das Statistische Bundesamt erhobene Daten zu Spielzeiten aus dem Jahr 2022. So spielen Kinder und Jugendliche im Schnitt eine Stunde und 7 Minuten täglich Computerspiele. Mit fast zwei Stunden zocken Jungs dabei etwa viermal so viel wie Mädchen, die am Tag nur auf 26 Minuten kommen.

    Was die Daten außerdem zeigen: Die Zeit, die man mit Computerspielen verbringt, nimmt mit dem Alter deutlich ab. Damit ist die Gamescom der perfekte Ort, um besonders minderjährige Jungs und junge erwachsene Männer, die gerade ihren Schulabschluss bekommen, zu rekrutieren. Vor allem diejenigen, die in Call of Duty, Counter-Strike oder Valorant schon eine erste Affinität zum Rumballern gewinnen.

    Raus aus der Gamescom und raus aus den Schulen, deutscher Soldat!

    Doch hier sollte man sich nicht zu sehr auf Shooter-Spiele an sich versteifen. Denn das wahre Problem ist das imperialistische System, das es erst notwendig macht, dass eine Politik der Aufrüstung und des Krieges immer offener und offensiver auftritt. Die aktuellen sowie drohenden Kriege der Welt – ob in der Ukraine, in Gaza oder um Taiwan – drängen auch in Deutschland die Bundeswehr in den Vordergrund der Gesellschaft. Schließlich soll Deutschland wieder „kriegstüchtig“ gemacht werden.

    „Wir“ sollen kriegstüchtig werden? – Nicht mit uns!

    Dazu gehören die Diskussionen um die Wiedereinführung der Wehrpflicht, mehr Besuche von Jugendoffizieren in unseren Schulen, militärische Forschung an den Unis, das 100 Milliarden Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr, die Einführung des Veteranentags und so weiter. In allen Teilen des Lebens soll die deutsche Armee präsent sein und neuen Nachschub für die Vaterlandsverteidigung an der Front gewinnen – dabei spielt vor allem die Jugend eine ausschlaggebende Rolle.

    Besonders während Zeiten der Zuspitzung kapitalistischer Krisen, wie wir sie derzeit mit Teuerungen von lebenswichtigen Gütern, Lohnsenkungen, Mieterhöhungen und Forderungen nach mehr Überstunden sowie Kriegen erleben, plagen junge Menschen immer größere Zukunftsängste. Hier kommt die Bundeswehr mit ihren „Karrieremöglichkeiten“ als scheinbare Alternative ins Spiel.

    Doch ob Flappy Bird oder Baumstammschleppen: Am Ende geht es darum, dass die Jugend wieder bereit ist, für deutsche Profite an der Front zu verrecken. Und auch wenn die Bundeswehr mit einem guten Einstiegslohn für die Ausbildung oder mit einem Studium ohne Numerus clausus werben kann – eine lebenswerte Zukunft kann sie uns als Jugendliche niemals bieten. Für ein Leben ohne Kriege müssen wir selbst kämpfen.

    • Perspektive-Autorin seit 2024. Sie lebt und studiert in Freiburg und schreibt besonders über Frauen- und LGBTI+ Kämpfe. Photographie-Fan und Waschbären-Liebhaberin.

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