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Sonntag, September 29, 2024
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    Investmentbank Goldman Sachs und „Frauen in der Arbeitswelt“

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    Kürzlich thematisierte die amerikanische Großbank Goldman Sachs in einem Podcast die Fortschritte, wirtschaftlichen Auswirkungen und Herausforderungen der Frauenbeteiligung am globalen Arbeitsmarkt. Die dort vorgestellten Zahlen erscheinen auf den ersten Blick beeindruckend, doch der Schein trügt. – Ein Kommentar von Olga Goldman.

    Goldman Sachs, eine der größten Investmentbanken der Welt, verzeichnet laut einem ihrer Podcasts zu „Women in the workforce” (zu deutsch: „Frauen in der Arbeitswelt”) in den letzten 25 Jahren bedeutende Fortschritte und Erfolge für Frauen auf dem Arbeitsmarkt. In Japan stieg die weibliche Erwerbsquote beispielsweise von etwa 50 % auf 75 %. Ähnliche Trends sind in anderen Industrieländern wie Deutschland und Großbritannien zu beobachten.

    Tatsächlich habe Europa in den vergangenen 20 bis 30 Jahren die USA überholt, was die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt angeht. Diese Zahlen suggerieren Fortschritt. Doch sie verdecken die Realität.

    Der Gender-Pay-Gap: Eine anhaltende Ungerechtigkeit

    In den letzten 25 Jahren hat sich die Lohnlücke in Japan in Prozentpunkten von 30 auf 21 verringert, in den USA stagniert sie bei 17 %. In Frankreich wurde der Gender-Pay-Gap halbiert, beträgt aber immer noch etwa 8 %. Laut Goldman Sachs sei es deshalb notwendig, „mehr Frauen in besser bezahlte Bereiche wie Technologie [und] Finanzen zu bringen“, statt sie an den sozialen Dienstleistungssektor zu „verlieren“. In letzterem arbeiten laut Goldman Sachs vermehrt Frauen.

    In dieser Argumentation wird aus den Augen verloren, dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle ein Indikator dafür ist, dass Frauen weiterhin systematisch unterbezahlt werden. Diese Ungleichheit ist ein wirtschaftliches Problem und ein Symptom des Patriarchats. Die Ausbeutung der Arbeitskraft im Kapitalismus betrifft dabei sowohl Männer als auch Frauen. Im Fall von Japan wird zum Beispiel angemerkt, dass dessen kapitalistische Wirtschaft aufgrund der demografischen Alterung schlichtweg auf die Integration von Frauen als Arbeiterinnen in das Wirtschaftssystem angewiesen sei.

    Dass dort nun mehr Leute ausgebeutet werden, bringt die Emanzipation in Japan unmittelbar kaum voran. Dafür wären Arbeitskämpfe gegen das kapitalistische System und gegen das Patriarchat nötig, anstatt eine einfache – und noch dazu schlechter gestellte – Integration in die kapitalistische Ausbeutung.

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    Unternehmensinitiativen: Scheinlösungen des Kapitalismus

    Die Erhöhung der Anzahl von Frauen in Führungspositionen wird besonders gerne als Zeichen des Fortschritts angesehen. Goldman Sachs rühmt sich mit Initiativen wie „10,000 Women“ und anderen Mentoreninitiativen, die darauf abzielen, Unternehmerinnen zu fördern und ihnen den Zugang zu Startkapital und Bildung zu erleichtern. Es heißt, Frauen und Kleinunternehmer seien die „versteckten Motoren für die Schaffung von Arbeitsplätzen, Wachstum und Innovation“.

    Schlussendlich geht es hierbei lediglich darum, einzelnen Frauen dabei zu helfen, erfolgreich zu sein. Solch marktorientierte Lösungen fördern den individuellen Aufstieg einiger weniger, während die Mehrheit der Frauen weiterhin unter den strukturellen Zwängen des Kapitalismus leidet. Zudem wird deutlich, dass damit ein größerer Teil der Bevölkerung in das kapitalistische System integriert wird.

    Auch Initiativen wie „One Million Black Women“ von Goldman Sachs, die den systemischen Barrieren und dem mangelnden Zugang zu Ressourcen von schwarzen Frauen in den USA entgegenwirken sollen, sind fraglich. Schwarze Frauen seien die am schnellsten wachsende Gruppe von Unternehmerinnen, doch 97 % ihrer Unternehmen scheitern innerhalb von drei Jahren, so die Investmentbank. Eine Frau erhalte signifikant weniger und seltener Startkapital als ein Mann, heißt es da zum Beispiel.

    Trotz ihrer Versprechen scheitern allgemein bis zu 90 % aller sogenannten Startups. Währenddessen werden die bestehenden Banken und Konzerne immer reicher. Goldman Sachs profitierte von der Finanzkrise 2008 und steigerte den Umsatz seitdem kontinuierlich. Im Quartal von Januar bis März 2024 allein stiegt der Gewinn um 28 Prozent auf mehr als vier Milliarden Dollar.

    Die Bank profitiert dabei von der Ausbeutung von Arbeitern und eben auch von Arbeiterinnen: ob durch unbezahlte Reproduktionsarbeit (wie die Podcasterinnen selbst feststellten) oder durch schlechtbezahlte Lohnarbeit (die laut Podcast gefördert werden soll). Während die Debatte die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern bei der Unternehmensgründung aufgreift, wird die Klassenfrage hierbei völlig außer Acht gelassen.

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    Worauf müssen wir uns einstellen?

    Es ist daher unrealistisch, sich von Unternehmen zu erhoffen, dass sie bei der Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter eine Vorreiterrolle übernehmen. Die Kapitalist:innen in Großkonzernen und Großbanken sind sich selbst und in zweiter Instanz den Aktionären verpflichtet, mehr nicht. Sie stellen Arbeiter:innen lediglich für ihr eigenes Profitinteresse ein.

    Eine wirkliche Gleichstellung der Geschlechter kann nicht von Großbanken anhand von Reformen oder durch Individuen erreicht werden. Es braucht kollektive Maßnahmen und systemische Veränderungen durch organisierte Bewegungen fernab großer Banken. Einen Aufstieg, der allen Arbeiter:innen zugutekommt, statt individuelle Erfolgsgeschichten, können wir nur selbst verwirklichen.

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